vonHildegard Willer 12.04.2016

Latin@rama

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foto orhan akmudAls Orhan Akman am 24. Januar 2016 am Flughafen Jorge Chávez seinen Pass für die Ausreise abstempeln lassen wollte, leuchtete im Computer des Migrations-Beamten ein rotes Signal auf: er dürfe zwar aus-, aber nicht mehr nach Peru einreisen. Orhan Akman verzichtete daraufhin auf die Ausreise und konnte nach vielem Nachfragen beim Ausländeramt in Erfahrung bringen, warum ihn Peru nicht mehr haben wollte:  „Der deutsche Staatsbürger Orhan Akman hat an öffentlichen Protesten teilgenommen, und damit die öffentliche Ordnung, die Ruhe und den sozialen Frieden gestört“, hiess es in der entsprechenden Resolution der Ausländerbehörde.

Das Vergehen: Akman hatte an öffentlichen Protesten der Beschäftigten der Supermarkt-Kette Cencosud teilgenommen. Das ist sozusagen sein Job: Orhan Akman war 10 Jahre lang Sekretär der Dienstleistungsgewerkschaft ver.di in Bayern und berät seit 2014 lateinamerikanische Gewerkschaften beim Aufbau einer Dienstleistungs-Branche.

Eine Branche ohne Gewerkschaften

Die Beschäftigten der grossen Supermärkte und Kaufhäuser in Peru waren bisher nicht gewerkschaftlich organisiert.  Der Aufbau von Betriebsgewerkschaften im Handelskonzern Cencosud (Supermärkte Wong, Metro, Paris) und den Kaufhausketten Saga Falabella, Ripley oder Elektra kommt zögerlich voran. „Die Unternehmen in Peru sehen ihre Beschäftigten als ihr Eigentum an“ sagte Akman der Infostelle Peru. Wenn sich ein Beschäftigter gewerkschaftlich engagiere, würde er oder sie zur Betriebsleitung gerufen, und mit einer Mischung aus Drohungen, wechselnden Arbeitszeiten und Aussicht auf Beförderung dazu gebracht, sich den Traum von einer Gewerkschaft ganz schnell wieder aus dem Kopf zu schlagen. Der Abschluss eines Tarifvertrages, so Akman, ziehe sich bis zu 2 Jahren hin, weil die Unternehmen sich dem sozialen Dialog verweigerten.

Ein  friedlicher Protest („plantón“) ist dann eine Möglichkeit , um den Forderungen der Beschäftigten auch in der Öffentlichkeit  Nachdruck zu verleihen. Jedoch scheinen die Supermarkt-Ketten  bei Polizei und Behörden  gut vernetzt zu sein, und sie vor dem deutschen Gewerkschafts-Berater gewarnt zu haben.  Die  Polizei habe während eines Protestes vor einem Supermarkt Wong im Reichenviertel Miraflores gezielt nach ihm gefragt, einmal habe ihn ein Polizist sogar mit der Waffe bedroht, berichtete Orhan Akmud der Infostelle Peru.

Viele Beschäftigte

Geschätzt  500 000 Menschen sind in Peru im Handel beschäftigt, davon  rund 70 000 bei den grossen Supermarkt-Ketten. Viele von ihnen sind in chilenischer Hand (Cencosud, Sodimac, Falabella, Ripley) und haben Filialen in ganz Südamerika. Die gewerkschaftliche Organisation der Handels-Beschäftigten steht in Peru ganz am Anfang mit der Schaffung von ersten Betriebsgewerkschaften. Dabei ist Akman im Auftrag des internationalen Gewerkschaftsdachverbands UNI Global beratend tätig. In sechs Handelskonzernen in Peru gibt es inzwischen Gewerkschaften, als nächstes ist der Zusammenschluss in einer Gewerkschafts-Föderation geplant.

Die Ausweisung Akmans entspricht zwar geltendem peruanischen Recht – Ausländer  dürfen sich nicht politisch betätigen -, hat aber laut Akman weder Hand noch Fuss: „Dann müssten auch all die Ausländer, die letztes Jahr während des Weltklimagipfels gegen den Klimawandel marschiert sind, ausgewiesen werden.“ Und internationale Gewerkschaftsarbeit wäre dann gar nicht mehr möglich. Schliesslich konnten auch 25 Jahre neoliberaler Politik in Peru das Recht auf gewerkschaftliche Organisation noch nicht abschaffen.

Organisationen und Einzelpersonen, die gegen die Ausweisung Orhan Akmuds protestieren wollen, können nachfolgenden Brief unterzeichnen und an Präsidenten Ollanta Humala schicken. Carta modelo Ollanta Humala Contactos para mandar cartas de protestaContactos para mandar cartas de protesta

(Quelle: www.infostelle-peru.de)

 

 

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