vonHildegard Willer 05.06.2011

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„Memorex“ – die Pille für alle, die an gesellschaftlichem Gedächtnisschwund leiden. Als solcherart verpackte „Medizin“ brachten die Keiko-Fujimori-Gegner in den letzten Tagen die Übeltaten des Fujimori-Regimes der 90-er Jahre wieder in Erinnerung.
Wenn man allerdings verstehen will, warum die Peruaner heute die Wahl zwischen zwei Präsidentschaftskandidaten der Extreme haben, dann reicht eine geringere Dosis Memorex: auf den Tag genau vor zwei Jahren kündigte sich im Massaker von Bagua bereits an, dass im neuen Wirtschaftswunderland Peru einiges faul ist.
Zur Erinnerung: die Indigenas des Amazonastieflandes hatten monatelang gegen die von Alan García vorgesehenen neue Eigentumsregelung des Amazonasgebietes protestiert. Der peruanische Staat wollte die Gemeinschaftsrechte der Indigenas einschränken, um einfacher Schürf- und Bohrrechte an in- und ausländische Investoren vergeben zu können. Protest heisst in Peru meist die Blockade einer der grossen und wenigen Überlandstrassen. So blockierten vor zwei Jahren auch die Indigenas die Strasse zu einem für die Hauptstadt wichtigen Erdöldepot. Als die Polizei die Blockade gewaltsam auflösen wollte, kam es zu gewaltsamen Zusammenstoss, 22 Polizisten und 11 Indigenas starben. Präsident García musste daraufhin seine Gesetzesvorlage zurückziehen.

Die Problematik der Einbeziehung lokaler Bevölkerung – sei sie nun indigen oder mestizisch – bei der Vergabe von Schürf-, Bohr- und sonstigen Nutzungsrechten des ressourcenreichen Anden- und Amazonasgebietes ist jedoch in Peru bis heute beileibe nicht gelöst. Denn zwar hat Peru den Artikel 169 der ILO unterzeichnet, der ein Mitspracherecht der indigenen Bevölkerung verbrieft. Der
Artikel wurde jedoch bis heute nicht in Peru in Kraft gesetzt. Diese fehlende Mitsprache ist der Hauptgrund für die über 250 sozialen Konflikte im Landesinneren. Beinahe hätten diese Konflikte sowohl die erste wie auch die zweite Wahlrunde in Bedrängnis gebracht. Zur Erinnerung: erst kurz vor der ersten Wahlrunde am 10. April kündigte Präsident Alan García die Genehmigung für ein grosses Kupferabbauvorhaben im Süden Landes. Tagelange gewalttätige Proteste waren vorhergegangen, drei Menschen kamen zu Tode.
Auch die Stichwahl am 5. Juni schien gefährdet. In der Region Puno, an der Grenze zu Bolivien, protestierten Tausende von Bauern und Gewerbetreibenden tagelang gegen die bereits vergegebenen Schürfrechte auf ihrem Land. Die Regierung setzte die Schürfrechte temporär aus, die Protestanten beruhigten sich – vorerst.
Wer immer auch am 5. Juni gewinnen wird, dem künftigen Präsidenten oder der Präsidentin wird die Regelung der Mitsprache bei der Vergabe von Nutzungsrechten noch einiges an Kopfschmerzen bereiten. Der springende Punkt ist ja nicht die Mitsprache, sondern ob den lokalen Gemeinschaften ein Vetorecht eingeräumt wird, und zu welchem Zeitpunkt der Projektentwicklung die explizite Zustimmung der lokalen Bevölkerung vorliegen muss.
Keiner der zwei Kandidaten hat sich ganz eindeutig bisher dazu geäussert, ob er der lokalen Bevölkerung ein Vetorecht einräumen möchte. Keiko Fujimori, die sich als Kandidatin der Investoren sieht, hat ihren Armutsberater Hernán de Soto vorgeschickt. Dessen Allheilmittel gegen jeglichen Konflikt ist die Landtitulierung. Die sei viel radikaler als der ILO-Artikel 169, sagte er in einer Pressekonferenz. Die Antwort darauf, wie er die verschiedenen Eigentumsansprüche und -vorstellungen (Gemeinschafts- gegen Individualbesitz) regeln will, blieb er schuldig.
Auch Ollanta Humala hat sich in der Pressekonferenz vom 3. Juni in Lima nicht eindeutig zu einem Vetorecht der lokalen Bevölkerung bekannt. Ollantas Stammwählerschaft sind genau die aufgebrachten lokalen Bevölkerungen in den südlichen Landesteilen. Will Ollanta die Wahl gewinnen, muss er jedoch auch unter den Hauptstadtbewohnern punkten. Und hier meinen viele, dass durch ein Vetorecht viele Investitionen auf Eis gelegt würden und damit auch die in ihren Augen so erfolgreiche Entwicklung Perus.

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