Nayib Bukele ist der jüngste Präsident El Salvadors und ausgesprochen machtbewusst. Mit seiner Partei „Nuevas Ideas“ strebt er bei den Regionalwahlen die absolute Mehrheit im Parlament an. Für die demokaratischen Strukturen im erst sei 1992 wieder demokratischen El Salvador sei das keine gute Nachricht, warnen Menschenrechtsorganisationen. Sie verweisen auf steigende politische Gewalt.
Der Mann um den sich in El Salvador alles dreht, der quasi omnipräsent ist, steht gar nicht zur Wahl: Nayib Bukele. Doch der Präsident, der folgt man seinem Twitter-Account quasi rund um die Uhr online ist, macht seit Monaten Wahlkampf für seine Partei „Nuevas Ideas“. N wie Nuevas Ideas oder eben wie Nayib wird in El Salvador geworben und der Kult um den Twitter-Präsidenten, den angeblich coolsten in der ganzen Region, kennt unter seinen Anhängern kaum Grenzen. Was Nayib Bukele twittert wird geglaubt. Ähnlich wie für den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump, mit dem Bukele ein freundschaftliches Verhältnis pflegt, ist Twitter das Sprachrohr seiner Politik. Dort wird gegen politische Gegner und kritische Journalistinnen und Journalisten gehetzt und auch mal Befehle an die Armee bekanntgegeben und anschließemnd auch befolgt, krisiert Saúl Baños, Direktor der Menschenrechtsorganisation FESPAD.
Für ihn war der Tweet des Präsidenten Nayib Bukele kurz nach der Ermordung von zwei FMLN-Veteranen am Rande einer Wahlkampfveranstaltung am 31. Januar ein Schock. „Der Präsident hat per Twitter den Verdacht geäußert, dass die Partei das Attentat auf ihre eigene Wahlkampfveranstaltung inszeniert habe. Wie kann ein Präsident so etwas in Umlauf bringen – ohne Beweise“, fragt er sich fassungslos.
Die beiden über 60-jährigen FMLN-Anhänger waren am 31. Januar 2021 von mehreren Schüssen tödlich getroffen worden und wie sich bei den Ermittlungen herausstellte, waren es Sicherheitsleute des Gesundheitsministeriums, die auf die beiden geschossen hatten. Wahrscheinlich weil aus dem FMLN-Wagen vorher ein Wasserbeutel geworfen wurde, so eine Zeugeaussage.
Für die Situation in El Salvador sei das ein exemplarischer Fall, argumentiert Baños. Zum einen zeige sich wie schnell es zu massiver politische Gewalt kommen könne, zum anderen mit welcher Selbstverständlichkeit sie als inszeniert abgetan werde und zum dritten wie der Präsident persönlich die Eskalation schüre. „Mit dem Amtsantritt von Nayib Bukele im Juni 2019 ist der Ton aggressiver geworden. Die Beleidigung des politischen Gegners, die Diffamierung missliebiger Journalisten und die offene Kritik an der höchsten Institution unserer Demokratie, dem Verfassungsgericht, belegen das.“
Damoklesschwert für die Demokratie: Absolute Mehrheit von Nuevas Ideas
Wie weit Bukele bereit ist zu gehen, zeigte sich am 9. Februar 2020 als er Militärs in das Parlament befahl, um die Zustimmung für einen höheren Kredit für seine Sicherheitsstrategie zu erzwingen. Drakoniosch waren auch die Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Corona-Virus: aus dem Ausland zurückkehrende oder die strikte Ausgangssperre verletztende Menschen, wurden in Auffanglager weggesperrt. Oft über vier Wochen, teilweise ohne medizinische Versorgung und unter miesen Bedingungen. Das hat Bukele die Kritik von Menschenrechtsorganisationen wie Human Rights Watch eingebracht, doch Bukele zog seine Politik durch, obwohl der Erfolg der Maßnahmen umstritten ist. So sind Daten rund um die Corona-Pandemie öffentlich kaum zugänglich, Experten spielen keine wirkliche Rolle, sondern die Meinung des Präsidenten, so kritisieren Gesundheitsexperten wie Rine Abrego. Die 39-jährige ist Juristin der Nichtregierungsorganisation Aprocsal (Asociación de Promotores Comunales Salvadoreños) und kritisiert die finanziellen Einschnitte im Gesundheitssystem nach dem Amtsantritt von Nayib Buke. Doch all das tut der Popularität Bukeles keinen Abbruch.
Das zeigen positive Umfrageergebnisse für den 39-jährigen genauso wie für seine Partei Nuevas Ideas, die sich am 28. Februar erstmals um Abgeordnetenmandate und Bürgermeisterposten bewirbt. Umfragen zufolge liegt Nuevas Ideas mit Ergebnissen von 60 bis 73,2 Prozent in den Umfragen vorn, gefolgt von den beiden Parteien, die sich seit dem Friedensabkommen von 1992 beim Regieren mehr oder minder abwechselten: die konservative Arena und die aus der Befreiungsbewegung (Frente Farabundo Martí para la Liberación Nacional) hervorgegangene politische Partei FMLN. Beide rangieren mit jeweils rund sechs Prozent der Stimmen weit abgeschlagen. Die Quittung für die Unzufriedenheit mit der Politik dieser Parteien, die seit dem Friedensabkommen von 1992 mit dem der Bürgerkrieg endete, die politischen Geschicke des Landes steuerten. Bukele, selbst einst für die FMLN aktiv, präsentierte sich als Alternative zur traditionellen Politik, wolle die Korruption und die grassierende Gewalt bekämpfen.
Davon ist heute nur wenig übrig: „Der Präsident twittert und das Militär geht auf die Straße, um den Befehl auszuüben“, beschreibt der Publizist Óscar Martínez die typischen Abläufe und kritisiert in einem Beitrag für die „New York Times“, dass keine Demokratie so funktionieren könne, wie sie in El Salvador derzeit funktioniere.
Eine Einschätzung, die Saúl Baños teilt. Zudem weist er darauf hin, dass viel dafür spreche, dass Nayib Bukele der Versuchung nicht wiederstehen könne staatliche Ressourcen in den Wahlkampf umzulenken. „Warum sind 70.000 Nahrungsmittelpakete an Wahlkampfhelfer von Nuevas Ideas gegangen, warum häufen sich die Beispiele von Bürgermeistern, die ohne staatliche Ressourcen dastehen, weil sie politisch mit der Regierung nicht auf einer Wellenlänge liegen“, fragt Baños. Er sieht die demokratischen Spielregeln durch Nayib Bukele gefährdet, fordert mehr Respekt für die Arbeit kritischer Medien wie „El Faro“, „Factum“ oder die konservative Tageszeitung „Diario de Hoy“, die immer wieder von Bukele verbal angegriffen und offensiv diskreditiert werden.
Dem gegenüber stehen die Medien des Oficialismo, die mit Anzeigen der Regierung gefüttert werden und die staatlichen Medien, darunter das neue Regierungsblatt „Diario El Salvador“. Folgerichtig habe die Polarisierung laut Baños parallel zur Machtfülle des Präsidenten zugenommen. Die droht mit einer möglichen Zweidrittelmehrheit im Parlament weiter zu steigen. Bukele könne dann, gestützt auf die Abgeordneten von „Nuevas Ideas“ „Durchregieren“. Davor warnt auch die „Plattform für die Demokratie“, der viele Nichtregierungsorganisationen angehören, gerade weil die absolute Mehrheit im Parlament dafür sorgt, dass auch die Verfassungsrichter vom Präsidenten direkt vorgeschlagen und von den Abgeordneten seiner Partie gewählt werden könnten. Eigenes politisches Profil haben die wenigsten, wie „El Faro“ in einer der letzten Ausgaben des Online-Magazins nachwies.
Das ist auch für Saúl Baños unstrittig. „Es sind vor allem Ja-Sager, viele haben Jobs im Staatssektor. Für unsere fragile Demokratie sind das keine guten Nachrichten“, sorgt sich der Menschenrechtler. Den stört auch das enge Verhältnis zwischen Präsident und den Militärs, die in der Pandemie zahlreiche ziviele Aufgaben übernommen haben. Für den Aufschwung Bukeles macht Baños allerdings auch die beiden etablierten Parteien, Arena und die FMLN verantwortlich. Bukele sei auch ein Produkt enttäuschter Erwartungen.