Zilda ist wütend. Die Lehrerin ist aus dem Landesinnern nach São Paulo gereist, um ihrem Ärger über die Wiederwahl von Dilma Rousseff Luft zu machen. „Ich bin für eine Militärintervention. Ich glaube, dass nur unsere Streitkräfte die Ordnung wieder herstellen können“, sagt die 58-Jährige, die sich zwei brasilianische Fahnen auf die sonnengebräunten Wangen gemalt hat.
Hunderte haben sich an diesem heißen Samstagnachmittag vor dem Kunstmuseum MASP auf der Avenida Paulista versammelt, um für die Amtsenthebung der frisch gewählten Präsidentin zu demonstrieren. Nicht mal eine Woche ist es her, dass hier Tausende die knappe Wiederwahl der Arbeiterpartei PT feierten. Heute bestimmt eine aufgebrachte weiße Mittel- und Oberschicht das Bild. Die selbstgebastelten Plakate lassen keine Zweifel an der Gesinnung der Demonstranten: „Die Rechte lebt“, „PT ist das Krebsgeschwür Brasiliens“ und „Militärintervention jetzt“ ist auf darauf zu lesen.
Die Stimmung ist aufgeladen. „Der Krieg hat begonnen“, wettert es vom Lautsprecherwagen. Ein älteres Ehepaar verbrennt am Rande der Kundgebung eine Fahne der PT. Auf der Bühne heizen Redner wie der rechte Journalist Paulo Martins der Menge ein. Die Anwesenden sind sich einig, dass Brasilien mit der regierenden Arbeiterpartei auf „eine kommunistische Diktatur wie in Venezuela und Kuba“ zusteuere.
Insbesondere der jüngste Korruptionsskandal um den halbstaatlichen Ölkonzern Petrobras dient als Projektionsfläche für die Kritik an der „Banditenpartei PT“. Die Wahl vor einer Woche wird als „größter Betrug der Geschichte Brasiliens“ bezeichnet. Auch Zilda ist sich sicher: „Die Wahl war gefälscht“. Immer wieder erklären die Redner, dass kein Putsch beabsichtigt sei – die Schilder und Parolen der Anwesenden sprechen eine andere Sprache.
Insgesamt bleibt eine tiefergehende inhaltliche Auseinandersetzung mit der Politik der verhassten PT aus. Umso mehr werden Rousseff und Ex-Präsident Lula vulgär beschimpft.
Eine Stunde verspätet setzt sich die Demonstration in Bewegung, die im Verlauf auf über 2.000 Teilnehmer anwächst. Die Redner auf dem Lautsprecherwagen betonen „den friedlichen und demokratischen Charakter“ der Veranstaltung – Randale sei schließlich „Mittel der Kommunisten“. Mehrere Passanten, die sich kritisch gegenüber der Demonstration äußern und PT-Banner an sich tragen, werden von einem aufgebrachten Mob attackiert. Ein junger Mann der eine rote Fahne aus seinem Fenster hält, muss wüste Beschimpfungen über sich ergehen lassen. „Weg mit dir nach Kuba“, schreit es aus hunderten Kehlen. Unter die Demonstranten haben sich auch mehrere rechte Skinheads gemischt. Ein kahlgeschorener Muskelberg trägt ein T-Shirt der paramilitärischen, rechtsextremen CCC (Kommando der Kommunistenjagd).
Auf halben Weg erklettert der Musiker Lobão, „Star“ der rechten Opposition, unter tosendem Beifall den Lautsprecherwagen. Nach seiner kurzen Rede ergreift Eduardo Bolsonaro, Spross des ultrarechten Politikers Jair Bolsonaro aus Rio de Janeiro, das Mikrophon. „Mein Vater hätte Dilma Rousseff fertig gemacht, wenn er Kandidat gewesen wäre“, brüllt er jubelnden Menge zu. Eine Pistole steckt gut sichtbar in seiner Hose.
Ehe sich der skurrile Aufmarsch im Eliteviertel Jardins auflöst, bedanken sich die Demonstranten mit Beifall und „Es lebe die Militärpolizei“-Rufen bei den anwesenden Polizisten.
Die „faschistische Demonstration“ erntet in den folgenden Tagen von vielen Seiten heftige Kritik – sogar einige Politiker der größten Oppositionspartei PSDB distanzieren sich scharf. Jedoch zeigt nicht nur die überraschend hohe Teilnehmerzahl die Kampfbereitschaft der Rechten und die extreme Polarisierung der brasilianischen Gesellschaft. Bereits der Wahlkampf war von äußerster Aggressivität geprägt. Diese harte Rechte wird weiterhin alles daran legen, Rousseff und ihre Arbeiterpartei aus dem Amt zu jagen.
@mz:
Die Schreiber der taz haben schon während der Wahlen Ihre gnadenlose Unkenntnis über Brasilien bewiesen. Alles was nicht Dilma und PT ist, ist hier neoliberal, rassistisch und totaaaal rechts. Wenn man seine Informationen nur von der taz bezogen hätte, hätte man meinen können Aécio habe die Sklaverei wieder einführen wollen. Ach ja, Homophobie wurde auch theamatisiert, wobei dabei geflissentlich übersehen wurde, dass die übelste Hetzerin die schwarze Kandidatin der sozialistischen Partei war. Dass Marina eine Evangelikale ist wurde auch nicht berichtet. Passt halt alles nicht ins taz-Weltbild.