Gestern ist Chile wieder ein bisschen weniger katholisch geworden: Das Oberhaus im Kongress, der Senat, hat einstimmig einen Gesetzentwurf angenommen, der den 31. Oktober zum nationalen Feiertag erhebt. Man erinnere sich: Am 31. Oktober nagelte ein Mönch namens Luther 95 Thesen ans Tor der Wittenberger Schlosskirche. Allerdings heißt der neue feriado nicht „Reformationstag“ wie in Deutschland, sondern „Nationaler Tag der Evangelischen und Protestantischen Kirchen“. Die sich direkt auf Luther berufenden Gruppierungen sind nämlich klar in der Minderheit gegenüber den Pfingstkirchen (Pentecostales). Zusammen kommen sie bei den Chilenen über 14 Jahren schon auf gut 15 Prozent, während die Schäfchen des Papstes noch 70 Prozent derselben Gruppe ausmachen.
Um nun der chilenischen Wirtschaft keinen zu schweren Schaden zuzufügen (was ganz im Sinne der bienenfleißigen Evangelikalen sein dürfte), hat der Senat beschlossen, das Lutherjubiläum zu flexibilisieren. Schließlich ist am 1. November, Allerheiligen, auch schon frei, und sollte der Doppelfeiertag auf Dienstag/Mittwoch oder Mittwoch/Donnerstag fallen, könnten Unternehmer und Fiskus die zersprengte Arbeitswoche gleich ganz abschreiben. Ab kommendem Jahr (mit der Verkündung des Gesetzes wird es bis Monatsende wohl nichts werden) gilt dann die folgende Regel: Fällt der 31. Oktober auf einen Dienstag, ist der Freitag der Vorwoche arbeitsfrei, fällt er auf einen Mittwoch, dürfen die Chilenen (insbesondere Katholiken und Heiden) am darauffolgenden Freitag ausschlafen.
Kritiker haben vorgerechnet, dass das neue verlängerte Wochenende dennoch eine Lücke von umgerechnet 200 Millionen Euro ins BIP reißt. Dagegen protestierte der Vorsitzende des Vereinigung evangelischer Kirchen, Bischof Emiliano Soto, mit dem Argument, die ehrenamtliche Sozialarbeit der Mitglieder, etwa gegen Drogen- und Alkoholmissbrauch, sei mit Geld gar nicht aufzuwiegen. Außerdem, so ein beschwichtigendes Argument von anderer Seite, machten die Einnahmen im Tourismussektor die Ausfälle ja zum Teil wieder wett.
Viele evangelische Chilenen waren in den Kongress gekommen, um die absehbare Entscheidung des Senats zu feiern. Ein landesweit bekannter Prediger im Jesuslook musste allerdings draußen bleiben: Männern ist der Zutritt zum Plenarsaal nur mit Krawatte erlaubt.