Nach Porto Alegre kommt Ingo Schulze immer wieder – so auch zur diesjährigen Buchmesse, der größten Lateinamerikas unter freiem Himmel. Auf Einladung der Stadträtin Sofia Cavedon von der Arbeiterpartei PT (r.) und des Goethe-Instituts stellte der sächsische Erfolgsautor im Kommunalparlament der südbrasilianischen Stadt seine Aufklärungsschrift Unsere schönen neuen Kleider: Gegen die marktkonforme Demokratie – für demokratiekonforme Märkte (2012) vor.
Ausgehend von Hans Christian Andersens „Des Kaisers neue Kleider“ skizziert Schulze darin den Siegeszug des Turbokapitalismus – und zeigt Verantwortlichkeiten auf:
So wie in diesem Märchen ist auch in unserer Welt eigentlich alles recht offensichtlich: die beständige Schwächung der Demokratie, die zunehmende soziale Polarisierung in Arm und Reich, der Ruin des Sozialstaates, die Privatisierung und damit Ökonomisierung aller Lebensbereiche (Bildung, Gesundheitswesen, Künste, öffentliches Verkehrssystem usw.), die Blindheit für den Rechtsextremismus, die offenen und verdeckte Zensur (mal als direkte Ablehnung, mal in Form von Quote oder Format) und damit verbunden die Zurückhaltung oder Oberflächlichkeit der Medien bei bestimmten Themen, das Ausblenden des täglichen massenhaften Sterbens in der Dritten Welt an Hunger oder Krankheiten und, und, und …
Wer hinsieht, müsste doch eigentlich sehen, was passiert! Oder nicht?
Der Held des Märchens ist für Schulze nicht das Kind, sondern dessen Vater, der den berühmten Satz „Aber er hat ja gar nichts an!“ aufgreift und verstärkt: „Hört die Stimme der Unschuld“. Zum Beginn einer befreienden Aktion gehörten immer mehrere.
Wir sollten den Einfluss der Geste und der Rede auf den Zustand der Öffentlichkeit nicht geringschätzen. Aber letztlich gilt es, über das Zeichenhafte hinaus Druck zu erzeugen.
Mit Brasilien, wo bereits fünf seiner Romane oder Erzählungsbände erschienen sind, verbindet Ingo Schulze noch einiges mehr, unter anderem ein Buchprojekt zur „Wundererde“ Terra Preta in Amazonien, über die er bereits eine wunderbare TV-Dokumentation erstellt hat.
Nun erfuhr er Neues über die Proteste in Brasilien, die ja auch ein Aufbäumen gegen die Folgen der neoliberalen Stadtpolitik sind. Selbst in den progressiv regierten Staaten Südamerikas ist ja der zerstörerische, wachstums- und spekulationsgetriebene Kapitalismus nur in Ansätzen gezähmt.
Zeitgleich zu Schulzes Aufenthalt in Südbrasilien – und zum SPD-Parteitag in Leipzig – wurde das von Antje Vollmer und ihm initiierte Manifest „Wider die Große Koalition“ lanciert, das sich vor allem an die SPD-Basis richtet.
Eine Große Koalition stellt keine unterschiedlichen Konzepte zur Wahl, sie stellt die Kaste der Politiker den Wählern gegenüber. So verhindert die SPD jetzt und in nächster Zukunft ein Bündnis linker und alternativer Parteien und Bewegungen.
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