vonBenjamin Kiersch 01.10.2008

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Heute morgen, M29, Haltestelle Glogauer Straße. Verträumt halte ich dem Fahrer einen 10 Euro Schein hin – und warte auf mein Wechselgeld. Auch der wartet, ungefähr fünf Sekunden, und fängt an zu berlinern: „Und, wat soll dit werden – Kurzstrecke, Normal oder Tageskarte oder wat? Wennse nüscht sagen, such’ ick mir wat aus.“

Die Fahrscheinvielfalt in Berlin ist für Bolivianer verwirrend. In Cochabamba gibt’s nur einen Tarif in jedem Bus, den man beim Einsteigen bezahlt. Fahrkarten oder gar Abos gibt’s nicht. Jeder bolivianische Busfahrer ist ein Kleinunternehmer, und die Arbeitsbedingungen sind hart. Jeden Tag muss der Fahrer eine Festmiete an den Busbesitzer zahlen, die ungefähr dem Erlös eines Dreiviertelarbeitstages entspricht. Alles, was er darüber hinaus kassiert, ist sein Tagesverdienst. Gibt’s an einem Tag wenig Fahrgäste, kann es sein, dass er den ganzen Tag für lau fährt. Und wenn der Bus kaputt geht, was häufiger vorkommt, gibt es niemanden, der für den Verdienstausfall aufkommt…

… denke ich, während ich weiterhin verträumt vor dem Fahrer stehe. Der schaut mich entgeistert an, drückt einen Knopf, und ein Ticket schält sich aus dem Automaten.  „Hier, zwozehn, damit dürftense hinkommen, wose hinwollen. Und jetzt schön nach hinten durchjehen, junger Mann!

Bienvenido a Berlín.

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