Hintergrund des Aufstell-Papstes, der einem anderen religiösen Wahrzeichen Santiagos, der Marienstatue auf dem Gipfel des San-Cristóbal-Bergs, Konkurrenz machen wird, ist die Umstrukturierung des Viertels, in dem zwei private Hochschulen ihre Hauptquartiere beziehen werden. Die beiden Universitäten – die Universidad San Sebastián und die Universidad Andrés Bello – sollen zusammen mit der traditionsreichen Jurafakultät der Universidad de Chile, die hier seit vielen Jahrzehnten residiert, rund 7.000 Studenten anlocken und neben dem Barrio República ein weiteres Hochschulviertel in der Hauptstadt begründen.
Im städtebaulichen Planungsprozess wurde irgendwann beschlossen, direkt gegenüber der Rechtsfakultät ein unterirdisches Parkhaus und obendrauf eine „Plaza Juan Pablo II“ anzulegen. Von einer Statue, geschweige denn von einer im Kim-Jong-Il-Maßstab, war damals zumindest nicht öffentlich die Rede. Laut dem Blog „Plataforma Urbana“ war der superpapa die Idee von Luis Cordero, einem der Gründer der ultrarechten UDI und zurzeit Vizerektor der Universidad San Sebastián. Für die Umsetzung bot sich praktischerweise Corderos Bruder Daniel an, der zumindest handwerklich etwas von Bildhauerei versteht.
Fotos aus der Werkstatt, wo der JPII-Gigant gefertigt wird, lassen ästhetisch das Schlimmste befürchten. Der „Mercurio“ hat namhafte chilenische Architekten befragt, die sich allesamt – abgesehen von Cristián Boza, der das Gebäude der San Sebastián und den Papstplatz entworfen hat – erschüttert vor soviel Kitsch und Maßlosigkeit abwenden. Von links kommt natürlich fundamentalere Kritik an dieser katholischen Landnahme mitten in der Stadt, deren Urheber bislang noch nicht einmal die Genehmigung des Nationalen Denkmalrats eingeholt haben. Auf Facebook hat eine Gruppe, die gegen die Statue protestiert, in wenigen Tagen an die 4.000 Mitglieder vereint – darunter sicherlich viele Jura-Studenten der von Andrés Bello gegründeten Universidad de Chile, einer Hochschule, die sich immer als eine Keimzelle des laizistischen chilenischen Staates verstanden hat.
Die Satirezeitschrift The Clinic bearbeitet das Dilemma auf ihre Art und macht Vorschläge, wie man weiteren großen Persönlichkeiten in Chile huldigen könnte, unter anderem:
– Reiterstandbild von Genreal Pinochet (Höhe 100 Meter) auf dem Mahnmal für den ermordeten UDI-Gründer Jaime Guzmán
– Marmorstatue für Nationaltrainer Marcelo Bielsa (51 Meter) vor dem Nationalstadion
– Sphinx mit den Gesichtszügen von Präsidentin Michelle Bachelet (22 Meter) auf dem Gelände des früheren Edificio Diego Portales
– Freihandelstatue (540 Meter, aus böhmischem Kristall), aufzustellen an der Bucht von Lota (nach dem Niedergang der Kohleförderung eine der ärmsten Regionen Chiles), usw.