vonPeter Strack 03.02.2023

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Die Gemeinden im Süden des Indigenen Territoriums und Nationalparks Isiboro Sécure (TIPNIS) spüren den Druck der Kokabauernfamilien, die auf ihr Land vordringen. Die indigenen Gemeinden haben kein Leitungswasser. Die Flüsse und Bäche, aus denen mindestens 15 Dörfer sich bislang versorgt haben, führen immer weniger des kostbaren Nass mit sich. Als Grund dafür nennen die Sprecher*innen der Gemeinden die Abholzungen für den Koka-Anbau in den Quellgebieten.

Um dieser Frage nachzugehen, hat ein Team von Journalist*innen der Zeitschrift La Brava und von Mongabay Latam die Region besucht und dabei auch illegale Kokafelder innerhalb des Naturparks und der indigenen Territorien gefunden. Sie haben latinorama den Beitrag (hier im spanischen Original) freundlicherweise zur Verfügung gestellt. Zu diesem emblematischen Konflikt und anderen gefährdeten Naturschutzgebieten in Bolivien sowie dem Konflikt mit Siedlern, die mit Unterstützung der Regierung auf indigene Territorien vorrücken, hat latinorama mehrfach berichtet.

Von Karen Gil (Revista La Brava/Mongabay Latam)

“Es ist trocken”, sagen die Bewohnerinnen übereinstimmend mit Blick auf den Kanal, über den die Hälfte der Familien der Gemeinde San Antonio de Moleto im Süden des Indigenen Territoriums und Naturpark Isiboro Sécure (TIPNIS) mit Wasser versorgt wird. Vor zwei Jahren habe der vom Gebirge kommende Bach, der den Kanal speist, noch zu den wasserreichsten am Ort gehört. Heute ist er ein Rinnsal.

“Früher trocknete der Bach nie aus. Er war voller Wasser. Deshalb haben sie diesen Kanal angelegt,“ erinnert sich eine Yuracaré-Frau, noch etwas erschöpft von dem mehr als halbstündigen Aufstieg durch den Wald.

Um sie nicht zu gefährden, nennen wir sie Cecilia. Auch zahlreiche weitere Bewohner*innen dieser und anderer Gemeinden haben uns gebeten, ihre wirklichen Namen nicht zu nennen.

Das Rückhaltebecken, in dem sich das Wasser sammelt, das in den Kanal eingespeist wird, wurde im Jahr 2012 auf Initiative eines Pfarrers gebaut, um 15 Familien zu versorgen. Doch seit geraumer Zeit funktioniert das nicht mehr. Ähnlich sieht es bei dem anderen Kanal aus, der die restlichen Familien im Dorf versorgt.

Abgesehen von dem angesammelten Schlamm führt der geringe Wasserstand des Baches dazu, dass der Kanal nicht mehr ausreichend funktioniert. Foto: Marcelo Pérez.

Das Quellgebiet dieser Bäche liegt nur wenige Kilometer entfernt an der Grenze zwischen San Antonio de Moleto und den Kokaanbaugebieten, dem sogenannten Polígono Siete (Vieleck Sieben), in das die Kokabauern in den 1980er Jahren eingedrungen sind. Davor war dieser Teil des Indigenen und Naturschutzgebietes TIPNIS Siedlungsgebiet der Yuraceré und Mojeño Trinitario. Heute gehört das Polígono Siete zwar immer noch offiziell zum TIPNIS, aber es wird nicht mehr von den angestammten indigenen Völkern bewohnt, mit Ausnahme einiger weniger Dörfer wie Santísima Trinidad, die widerstanden und ihre kollektives Territorium und ihre Organisation beibehalten haben.

Die Indigenen sind der Auffassung, dass die systematischen Abholzungen und Brandrodungen für den Kokaanbau in den letzten 30 Jahren dazu geführt haben, dass die Quellen und Bäche austrocknen.

—¿Kann man dorthin kommen?, frage ich.

—Nein. Dort bewegen wir uns nicht mehr, sagt Brígida, eine andere Bewohnerin.

Der Wassermangel ist eines der Probleme, die den Indigenen Sorgen machen. Er betrifft nicht nur San Antonio de Moleto, eine der an den Polígono Siete angrenzenden Gemeinden, sondern die Mehrzahl der 15 Dörfer im Süden des TIPNIS. Fünf dieser Dörfer sind dem Dachverband indigener Gemeinden des TIPNIS angeschlossen. Zehn gehören zum CONISUR, dem „Indigenen Rat des Südens“. Diese Organisation wurde einst gegründet, um die Invasion durch Kokabauern zu stoppen, war aber zeitweise von diesen kontrolliert worden.

Laut Informationen des CONISUR spüren die Gemeinden Carmen, Tres de Mayo, Juan Bautista, San José de Langosta und San Antonio de Moleto den Wassermangel am stärksten.

“¿Wie wird es hier in zehn Jahren sein? Ich habe Angst. Wir müssen eine Lösung für den Wassermangel finden“, beklagt Leonardo Vargas, der Jugendbeauftragte des CONISUR, der uns bei unserem Weg an den Bachläufen begleitet.

Das Team von La Brava und Mongabay Latam ist bei seinem Besuch in den indigenen Gemeinden des TIPNIS auf viel Angst davor gestoßen, darüber zu reden. Dabei geht der Verlust des Waldes in den Quellgebieten, die mehr als 15 Dörfer im Süden des TIPNIS versorgen, immer weiter.

Ungebremste Abholzung

Die Straße, die den Ort Santísima Trinidad von der Zone der Kokabauern trennt, Foto: Marcelo Pérez

Die indigene Gemeinde Santísima Trinidad hat es geschafft, inmitten des Polígono Siete zu überleben. Aber sie ist von vier Siedlungen der Kokabauern umgeben.

Nur ein paar Guardatojos, kleine gelb-schwarze Vögel, fliegen über ihre Gemeindegrenze. Von den Tieren, die man hier sehen könne, kämen sie den Wildarten noch am nächsten, sagt Luisa, eine Mojeña. Denn die anderen hätten sich aufgrund der Abholzungen viel tiefer in den Wald zurückgezogen.

Der Unterschied zwischen der indigenen Gemeinde und den Siedlern ist offensichtlich. Bei den  Kokabauern breiten sich Äcker auf kürzlich vollständig abgeholztem Gelände aus. In Santísima Trinidad gibt es noch mehr Baumbestand. Aber selbst nahe des Bachlaufes innerhalb der Gemeinde Santísima Trinidad gibt es drei beieinander liegende Äcker mit Koka-Pflanzen.

“Das sind die Siedler”, sagt Luisa.

Sie zeigt auf einen entfernt liegenden Zementpfosten, der die Gemeindegrenze markiert. Er wurde im Jahr 2006 aufgestellt, aber vor einigen Wochen von den Siedlern weiter in das Territorium der indigenen Gemeinde hinein versetzt. In anderen Worten. Die Kokabauern haben ihr Gelände noch vergrößert.

Diese Art der Landbesetzung geschieht immer wieder. Alle benachbarten Siedlergemeinden würden derzeit in jeweils kleinen Stücken auf das Gemeindeland von Santísima Trinidad vordringen, sagt ihr Corregidor Francisco Saavedra. Man habe mehrfach versucht, im Dialog Lösungen zu finden, versichert er. Aber das führe nicht immer zu Ergebnissen. Deshalb hätten sie sich an das Nationale Agrarreforminstitut (INRA) gewandt, damit die Gemeindegrenzen klar abgesteckt würden. Doch die Behörde habe nichts für eine Lösung getan. „Es gibt Korruption“, sagt der Corregidor (ein aus der Kolonialzeit stammendes Amt zur Regelung der öffentlichen Ordnung, das in vielen indigenen Gemeinden weitergeführt wurde, Anm. d. Übers.). Die Autorin hat mit einem Brief und Telefonanrufen einen Monat lang versucht, eine Stellungnahme des INRA zu bekommen, aber keine Antwort erhalten.

Auch der wenige Wald, der in Santísima Trinidad geblieben ist, droht zu verschwinden, Foto: Marcelo Pérez

Die Situation in San Antonio de Moleto ist ähnlich. Dort nahm die Kolonisierung 1997 Fahrt auf. In jenem Jahr drangen die Siedler bis zu den Häusern der angestammten Bevölkerung vor und sie gingen weiter bis zu dem Bereich, der als Boca del Rio (Flussmündung) bekannt ist. Nach Beschwerden und dem Einschreiten des Agrarreforminstituts zogen sich die Kokabauern zurück, aber nicht bis hinter die rote Linie, die 1992 mit den Kokabauern als Grenze für neue Siedlungen vereinbart worden war. (Anm. d. Übers.: Bei dem Kompromiss traten die indigenen Gemeinden einen Teil ihrer Territorien an die Kokabauernorganisation ab. Bedingung dafür war deren Zusage, die vereinbarte Rote Linie nicht zu überschreiten.)

Das zeigen die Satelitenbilder von dem Gelände zwischen der roten Linie und der Siedlung, die am nächsten zu San Antonio de Moleto liegt. Die Kokabauern haben indigenes Land besetzt und genau dort wird abgeholzt (hier die Bilder).

Die Satellitenbilder zeigen auch, wie die Entwaldung zwischen 2004 und 2020 zunimmt und sich ab 2013 beschleunigt. Dies vor allem im Polígono Siete, das zwölf Prozent der Fläche des TIPNIS ausmacht. (Hier die Bilder, die die fortschreitende Abholzung im Polígono Siete zeigen). Dort ist der Kokaanbau zwar bis zu einem Cato (1600 Quadratmeter) pro Familie erlaubt. Doch in vielen Fällen wird mehr angebaut. Und vor allem auf indigenem Gemeindegebiet sei das verboten, bekräftigen die Sprecher*innen von CONISUR.

Im jährlichen Bericht des Büros der Vereinten Nationen gegen Drogenhandel und Kriminalität (UNODC) wird der TIPNIS als eines von sechs Naturschutzgebieten Boliviens benannt, in denen Koka produziert wird. 2020 wurden 1.373 Hektar Kokafelder innerhalb des Polígono 7 identifiziert, 27% mehr als im Jahr davor. Davon liegen 27 Hektar innerhalb von indigenen Territorien. Das entspricht einer Fläche von 38 Fußballfeldern.

Luisa, die das Journalismus-Team begleitet hat, während eine Drohne die Abholzungen gefilmt hat sagt: „Es sind verschiedene Felder, die zusammen eine große Fläche ergeben“.

Für diese Reportage wurde der zuständige Nationale Dienst für die Naturschutzgebiete (SERNAP) um Information über das Ausmaß der Abholzung, der Landbesetzungen und den Druck auf den Park gebeten. Die Leitung des SERNAP hat nicht geantwortet. Der Direktor des TIPNIS-Parks seinerseits antwortete auf die Anfrage, er sei gerade auf dem Weg zu einer Inspektion. Später hat er nicht mehr auf Anrufe reagiert.

Ein Mitarbeiter des SERNAP, der anonym bleiben will, informierte uns, dass die Brandrodungen und Abholzungen im Süden des Parks in den letzten Jahren zugenommen hätten. In vielen Fällen seien die Quellgebiete betroffen.

“Jedes Jahr roden sie (die Siedler), und dieses Jahr war die Trockenheit noch stärker zu spüren als in den Vorjahren”, betonte er.

Siedler roden und legen Felder für den Kokaanbau an. Foto: Marcelo Pérez.

Die indigenen Autoritäten sagen, dass die Parkwächter des SERNAP, die für den Schutz der Naturparks verantwortlich sind, nicht genug ausgestattet sind, um den Landbesetzungen und der Entwaldung Einhalt zu gebieten.

Das bestätigt die Bolivianische Vereinigung der Parkwächter*innen und Verantwortlichen für Naturschutz (ABOLAC). Auch die Arbeitsbedingungen seien mangelhaft. Es gebe nicht einmal die nötige Ausstattung um während längerer Patrouillen im Naturschutzgebiet auch übernachten zu können, geschweige denn Fotokameras oder anderes technisches Gerät.

Die Abholzung im Süden des TIPNIS nimmt zu. Foto: Marcelo Pérez.

Deshalb gebe es auch keine aktualisierten Informationen für das ganze Naturschutzgebiet, versichern sie. Der Parkwächter, der nicht namentlich genannt werden will, erklärte uns, dass sie seit 2010 nicht mehr ausreichend ausgestattet werden. Damals haben auch Nicht-Regierungsorganisationen ihre Finanzierung des SERNAP eingestellt.

“Vielleicht geben sie uns ein Motorrad, aber nicht Benzin und Ersatzteile. Es mangelt an Unterstützung durch die Regierung. Als SERNAP haben wir keine eigenen Einnahmequellen,“ versichert er.

Wir sprechen mit Vargas, einer der Indígenas, deren Aufgabe es ist, das Territorium der eigenen Gemeinde zu überwachen. Häufig tun sie das zusammen mit den staatlichen Parkwächtern. Er berichtet uns, dass sie im Oktober letzten Jahres einer Ansiedlung von Kokabauern genau dort entdeckt haben, wo der SERNAP zuvor sein Lager hatte, das zerstört wurde.

Die Indígenas und ihr Überleben

Die Gemeinde San Antonio de Moleto. Foto: Marcelo Pérez.

“Wir alle arbeiten mit der Koka”, räumt Luisa auf ihrem Acker in Santísima Trinidad ein, während sie den Zustand der Yukapflanzen prüft, die sie vor einigen Monaten für den Eigenkonsum angebaut hat. Die Mehrheit der Indigenen ließe sich von den Siedlern für die Kokaernte auf deren Feldern anheuern.

Sie selbst geht mit ihrer ganzen Familie dorthin. Pro Pfund geernteter Kokablätter bekommen sie einen Boliviano und verdienen so zwischen 130 und 150 Bolivianos (umgerechnet zwischen 16 und 19 Euro) für mehr als acht Stunden Arbeit. Nur um Wasser zu trinken, würden sie eine Pause machen. Anders als die Kokabauern und manche Indígenas kaut sie selber keine Koka, um Kraft für die Arbeit zu bekommen. Es ist nicht Teil ihrer Kultur.

Über die Arbeit als Erntehelfer*innen hinaus bauen einige indigene Dorfbewohner auch selbst Koka an, sagt Luisa. Das geschähe aber nur auf kleinen Flächen.

Einer von ihnen ist Benito. Er hatte uns am Vorabend erzählt, dass er wegen Geldmangels selbst Koka angepflanzt und sich auch der Kokabauernorganisation angeschlossen habe, um einen sicheren Absatzmarkt zu haben.

“Wir haben gesehen, dass sie Geld hatten und haben deshalb mit ihren Vertreter*innen geredet, um Mitglied zu werden“, berichtete er.

Luisa räumt ein, dass auch sie vor Jahren selbst Koka angebaut hätte. Heute ziehe sie es aber vor, dies nicht mehr zu tun.

Die Soziologin Sarela Paz erforscht seit Ende der 1980er Jahre die Dynamik der Besiedlung und deren Folgen für den TIPNIS. Sie erklärt, dass die Kokabauerngemeinden aggressiven sozio-kulturellen Druck auf die Indigenen ausübt und zu dem Verschwinden ihrer Kulturen beiträgt.

“Sie dringen nicht nur in ihre Gemeinden ein und besetzen ihr Land, sondern so aggressiv wie die Siedler und Kokabauernorganisationen der indigenen Bevölkerung begegnen, kann das als Ethnozid bezeichnet werden. Die Mojeños und Yuracarés müssen ihre Kulturen aufgeben, wenn sie Kokabauern werden wollen“, bekräftigt Paz.

Kokaproduzent*innen überqueren den Sesejsama-Fluss. Foto: Marcelo Pérez.

Die Agressivität, von der Paz spricht, wird von der Angst der Dorfbewohner*innen gespiegelt, andere als die dominierenden Konzepte von Entwicklung zum Ausdruck zu bringen. Diejenigen aus der indigenen Gemeinde, die versucht hatten, sich gegen den Bau der Überlandstraße mitten durch das Herz des TIPNIS zu widersetzen, haben Drohungen erhalten. Ihre Häuser würden niedergebrannt oder man werde sie vertreiben. In vielen Fällen kam es auch zu physischen Angriffen, insbesondere gegen die Sprecher*innen der Gemeinde. “Es gibt eine dem Widerstand vorgelagerte Strategie,“ sagt Paz. „Diese  Strategie ist, zumindest zu überleben.“

Dort wo es auch Kokainfabriken oder -labore gibt, verschärft sich die Gewalt. In Gemeinden wie Mercedes de Lojojota, Teresa del Isiboro und andere kann man nicht so einfach hinkommen, versichern die lokalen Bewohner*innen.

Kinder beobachten den Sonnenuntergang am Ortsrand von San Antonio de Moleto. Foto: Marcelo Pérez.

Es gibt auch subtile Formen der Gewalt. Ein Bewohner von Santísima Trinidad, den wir Pedro nennen, um ihn nicht zu gefährden, erzählt, dass man noch bis vor zehn Jahren nur in den Siedlergemeinden weiterführende Schulen besuchen konnte. Dort hätten sich die – wie die Mehrheit der Siedler – vor allem Quechua sprechenden Schüler*innen über die Aussprache der Yuracaré und Mojeño lustig gemacht. Ähnlich wie in den indigenen Gemeinden des Polígono Siete passten deshalb viele einheimische Bewohner*innen ihren Lebensstil an den der Siedlerfamilien an. Die Sprachen Mojeño und Yuracaré hört man kaum noch. Nur die Älteren benutzen sie noch regelmäßig.

Ähnlich ist es mit der Kleidung. Als ich Cecilia aus San Antonio de Moleto das erste Mal begegnete, trug sie die für die Quechua aus dem Hochland typischen Röcke. Nur die alten Frauen tragen noch das für ihre Kultur typische Kleid.

Die Überlandstraße schiebt sich langsam aber sicher voran

Foto: Marcelo Pérez

Im Jahr 2012 war die indigene Gemeinde San José de Langosta der am besten erreichbare Ort im südlichen TIPNIS. Er liegt vor San Antonio de Moleto. Um dorthin zu gelangen, benötigte man die Genehmigung der Kokabauern. Man musste einen Fußmarsch von anderthalb Stunden absolvieren und dann mit dem Boot über den San Antonio Fluss setzen. Nach San Antonio de Moleto kam man dann nur noch über den Fluss oder mit einem weiteren Fußmarsch mitten durch den Urwald. Das hat sich geändert. In den letzten Jahren wurde eine Straße eröffnet, die von Ochoa, der letzten Siedlergemeinde des Polígono Siete bis nach San Antonio de Moleto führt.

Lorenzo, ein Mojeño Trinitario aus San Antonio de Moleto, versichert, dass nun beide Seiten der Straßenschneise von Feldern der Siedler gesäumt sind. „Alles wurde aufgeteilt“, sagt er.

Ortseingang von San Antonio. Foto: Marcelo Pérez.

Nicht nur diese Zugang ist neu, auch der in den TIPNIS. Vor zehn Jahren war in der Regenzeit ein Unimog nötig, mit dessen hohen Achsen und großen Rädern man den Isiboro-Fluss durchqueren konnte. Heute führt eine Brücke über diesen Fluss und zwei weitere Brücken wurden auf dem zweiten Bauabschnitt der Überlandstraße von San Ignacio de Moxos nach Villa Tunari errichtet, die mitten durch den TIPNIS führt.

Eine der beiden Brücken von Isinuta, das am Eingang zum TIPNIS liegt. Marcelo Pérez.

Diese Brücken wurden still und heimlich ab 2017 nach der Annullierung des Gesetzes 180 errichtet, das die Unberührbarkeit des TIPNIS garantierte. Und das, obwohl Präsident Morales damals behauptete, die Straßenbaumaßnahmen seien gestoppt.

Pablo aus Santísima Trinidad erklärt, dass der Straßenbau in dem umstrittenen Abschnitt tatsächlich in den letzten Jahren nicht vorangekommen ist, dass es aber an dem vorher bestehenden Weg zwischen Isinuta am Eingang des TIPNIS und der Siedlergemeinde Ichoa ständig Instandhaltungsmaßnahmen mit Gerät der Straßenbaubehörde und des Munizips von Villa Tunari gibt (im Hauptsiedlungsgebiet der Kokabauern in der benachbarten Chapare-Region). “Gestern hat sich eine Maschine auf den Weg gemacht, die Straße zu verbreitern. Sie arbeiten kontinuierlich“, versichert er.

2017 veröffentlichte die Zeitschrift Current Biology die Studie “Nueva ley pone a zona crítica de biodiversidad boliviana en camino a la deforestación” („Ein neues Gesetz bringt eine für die Biodiversität Boliviens wichtige Zone auf den Weg der Abholzung“). Darin wird darauf hingewiesen, dass der TIPNIS zwischen den Jahren 2000 und 2014 durch Abholzung 46.000 Hektar Wald verloren hat, 3.6% der Gesamtfläche des Naturschutzgebietes.

Es wird hervorgehoben, dass es in den tropischen Wäldern die Straßen sind, die das Habitat verändern. Mehr als 58% der abgeholzten Flächen befanden sich auf bis zu 5km Abstand zu den Straßen, die es bis 2014 gab.

Wassermangel

Die Frauen von San Antonio de Moleto schöpfen mit Eimern das wenige Wasser, das ein Rinnsal von Bach am Dorfeingang noch mit sich führt. So versuchen sie den Trinkbedarf der Familie zu decken. Sie sagen jedoch, es würde nicht ausreichen. Um sich und die Wäsche zu waschen, gehen sie zum Moleto-Fluss, der an San Antonio und anderen Dörfern vorbeifließt. Nur wenige der 31 Familien haben Motoren, mit denen sie Wasser aus Tümpeln in ihre Tanks füllen. Doch nichts von alldem im Dorf und in der Umgebung hat Trinkwasserqualität.

Wenige Familien aus San Antonio beziehen ihr Wasser aus Tümpeln. Foto: Marcelo Pérez.

Die anderen Dörfer des Untergemeindeverbandes TIPNIS sind in der gleichen Situation. In Santísima Trinidad gibt es zwar zwei Wassersammelstellen, die zwar nicht die gleichen Probleme wie in San Antonio aufweisen, aber auch jedes Jahr weniger Wasser führen.

“In Santísima war das Wasser früher nicht knapp, erst seit zwei oder drei Jahren. Jedes Jahr wird der Zeitraum länger, in dem es an Wasser mangelt“, berichtet Pablo. In diesem Januar, erzählen Nachbarn, müsste es eigentlich viel regnen. Aber im Vergleich zu früheren Jahren hat auch der Regen abgenommen.

Der Sesejsama-Fluss ist wenige Minuten vom Dorf entfernt. In dieser Jahreszeit führte er gewöhnlich so viel Wasser, dass Fahrzeuge es schwer hatten, ihn zu durchqueren. Doch inzwischen haben die Autos kein Problem mehr damit. Der Sesejsama mündet – so wie zwei weitere Flüsse – zunächst in den Isiboro und dann in den Sécure. Auch dort sei der Wassermangel inzwischen spürbar, erklären die Vertreter*innen der TIPNIS-Gemeinden.

CONISUR berichtet, dass sie die nationale Regierung aufgefordert haben, ihr Versprechen einzuhalten, die Gemeinden mit Trinkwasser zu versorgen. Es gehörte zu den Ankündigungen im Jahr 2012 bei der Befragung, ob die Überlandstraße durch das Herz des TIPNIS gehen solle. Bis heute wurde das Versprechen nicht erfüllt.

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