vonMarkus Szaszka 16.07.2018

Der Nirgendsmann

Markus "Nirgendsmann" Szaszka - Streuner und Schriftsteller aus Wien - schreibt über die Herausforderungen unserer Zeit und Romane, die zum Nachdenken anregen. Weitere Informationen: www.grossstadtballaden.com

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Neulich, ich bin mit dem Zug durch den Süden Indiens gereist, hieß meine letzte Haltestelle Arambol, auch als letztes Hippie-Dorf bekannt. Was ich dort vorfand, verjagte mich in Windeseile.

Aber eins nach dem anderen. Als ich den Mandovi Express nach einer zwölfstündigen Fahrt verließ, fühlte ich mich, als ob ich zu weite gefahren und im Paradies ausgestiegen wäre. Der Grund hierfür war ein süßlicher Geruch, der über der gesamten Region hing und mich vor Verzückung taumeln ließ. Ich weiß nicht genau, was es war – der Bambus, die Kokospalmen, die Gräser, eine Mischung davon, keine Ahnung – aber nie zuvor war ich an einem Ort gewesen, an dem es derart gut gerochen hatte.

Und es gab noch mehr Schönes; dichte Wälder, breite Sandstrände, hohe kraftstrotzende Salzwasserwellen, unzählige Sterne und bei jeder kleinsten Bewegung fluoreszierendes Plankton bei Nacht. Die Bewohner dieses Fleckchens Erde waren äußerst gastfreundlich und fröhlich – alles in allem ein Paradies, würde man meinen…

…wären da nicht diese unangenehmen Neo-Hedo-Hippies. Die ganze Region war verseucht. Wo man nicht hinsah, ach so individuelle Frisuren, ach so ausgefallene Klamotten und, natürlich, ein Meer aus glasigen Augen. Und ich hatte mir Sorgen über Moskitos gemacht – ich Dummerchen.

Wie diese Leute aussahen, ist nicht der springende Punkt, das Problem war, dass sie sich gerne unterhielten. Das zweite Problem war, dass sie nicht fähig waren, sich zu unterhalten. Worüber auch? Der Tagesablauf eines durchschnittlichen Neo-Hedo-Hippies sah so aus: morgens ein bisschen Frisbee spielen am Strand, mittags Moped fahren durch das Dorf, abends im Trommelkreis sitzen, singen und tanzen. Toll… eigentlich… wären sie bloß nicht jede wache Sekunde Weed-, Shroom- oder LSD-high gewesen.

Gegen Drogen habe ich nichts, ganz im Gegenteil, aber permanent? Dementsprechend sahen die Gespräche mit diesen jungen Leuten aus. Es fühlte sich an, als ob ich mit trippenden Zombies diskutiert hätte – wenig ergiebig. Mehr, als Erfahrungsberichte über jüngst erlebte Drogenräusche, kam nicht. Höchstens Sticheleien gegen die „langweilige“ Jugend in den heimischen Ländern, die Studiert und das Leben an sich vorbeiziehen lässt, sowie Lobeshymnen auf sich selbst, weil man besonders „frei“ ist.

Frei? Wirklich? Die meisten dieser Neo-Hedo-Hippies konnten sich, vom Rausch gefangengenommen, nicht einmal umdrehen, wenn sie es wollten.

Ein paar Tage hielt ich es aus, aber als ich mich an einem Abend in einem ihrer Freiluftrestaurants einfand, meine Bestellung erst mehrmals vergessen wurde, mir dann zerkochte Nudeln ohne Soße serviert wurden [sic!], auf einer Leinwand Zeichentrickfilme ohne Sound gezeigt wurden, die trippenden Zombies um mich herum Trommeln und Klangschalen malträtierten und apathisch auf die Leinwand starrten, reichte es.

Ich packte meine Sachen, verabschiedete mich von der herzensguten indischen Familie, bei der ich untergekommen war, und verpisste mich. Während ich auf den Mandovi Express Richtung Mumbai wartete zweifelte ich daran, ob diese Mitglieder meiner Generation tatsächlich frei waren oder, vielleicht, einfach nur Idioten.

Bis bald, euer Nirgendsmann

PS: Über ein paar Hasskommentare würde ich mich – wie immer – sehr freuen.

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