vonMarkus Szaszka 27.09.2018

Der Nirgendsmann

Markus "Nirgendsmann" Szaszka - Streuner und Schriftsteller aus Wien - schreibt über die Herausforderungen unserer Zeit und Romane, die zum Nachdenken anregen. Weitere Informationen: www.grossstadtballaden.com

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Neulich, während meines zweiwöchigen Aufenthaltes in St. Petersburg, habe ich mich zunächst richtig wohlgefühlt, habe die Schönheit der Stadt genossen, gut gegessen, mir Kultur reingezogen und so weiter.

Ich wollte ausspannen und hatte 0 Böcke auf politische oder gesellschaftliche Überlegungen über den vermeintlichen Rechtsstaat Russland, aber da man nun mal hin und wieder mit Leuten spricht, konnte ich nicht umhin etwas zu registrieren, das mich nachdenklich machte.

Es waren die jungen Leute dort und die Tatsache, wie offen und fast schon stolz viele von ihnen über ihre tendenziell rechten Ansichten sprachen, Ansichten à la “schwul sein ist krank, Russland den Russen, die Frau muss sich für den Mann schön machen, dafür bezahlt er alles…”

Was diese jungen Menschen dachten, hätte mir in meinen Flitterwochen egal sein können, aber wie sie es ausdrückten, mit welcher Überzeugung und Normalität, erinnerte mich an die eher liberalen, weltoffenen und tendenziell linken Jugendlichen im deutschsprachigen Raum – die gleiche Überzeugtheit. Das verwunderliche war, dass die Jungs und Mädels in St. P. nicht von der Gesellschaft zurückgelassen aussahen, sondern mittendrinnen, Studenten, Unternehmer, etc.

Ich dachte weiter, daran, dass die Prägung der Gesellschaft Mitte des 20sten Jahrhunderts wohl einen Teil zu diesen unterschiedlichen Denkweisen beigetragen hatte und ich fragte mich, ob im Ostblock eine ähnlich große Berührungsangst mit dem Linken wie im deutschsprachigen Raum mit dem Rechten besteht, weil der Kommunismus dort einiges verbockt hat, salopp gesagt, ähnlich wie hier der Faschismus – wobei ich nichts vergleichen möchte, nur verstehen will, wieso es dort so viel weniger schlimm ist nationalistisch zu denken.

Leider konnten ich das nicht gemeinsam mit den besagten russischen Jugendliche diskutieren, weil sie sehr viel Angst davor hatten, nicht einer Meinung mit mir zu sein, und davor, sich deshalb nicht mit mir zu “verstehen”. Gute Laune ging vor. Wenigstens, und das fand ich positiv, konnten wir miteinander reden, zwar nicht direkt oder ehrlich über Politik, aber über andere Dinge, und wir haben einander nicht gehasst, obwohl klar war, dass wir andere politische Ansichten vertraten bzw. diese uns im Kindes- und Jugendlichenalter so vorgelegt (und vorgelebt) wurden. Vielleicht ist ja die gemeinsame Gesprächsbasis, von der man so häufig hört, tatsächlich das Wichtigste – leider geht das nur, wenn man nicht schwul, Ausländer oder anderweitig anders ist.

Ich werd’s nie verstehen.

 

Bis bald, euer Nirgendsmann

PS: Über ein paar Hasskommentare oder Hinweise, dass ich komplett danebenliege, würde ich mich – wie immer – sehr freuen!

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