Was macht einen guten Schriftsteller 2018 aus? Es sind nicht die Verkaufszahlen, es ist auch nicht die Menge der Fernsehauftritte oder gar das Gewinnen von Stipendien – alles Dinge, die noch nie Auskunft darüber geben konnten, ob ein Autor respektive ein Buch gut oder schlecht war.
Grundsätzlich gilt die erprobte Faustregel, dass erst nach rund 100 Jahren beurteilt werden kann, ob ein Buch das Prädikat gut oder schlecht verdient. Wieso? Weil ein profundes Buch nicht durch seinen oder des Autors Unterhaltungswert beurteilt werden kann, zumindest nicht nur. Literatur hat eine wichtigere Aufgabe, nämlich der lesenden Gesellschaft (gefühlt 0,1 Prozent) aufzuzeigen, wo das Hemd nicht richtig sitzt, wo sich ein Mohnkorn zwischen den Zähnen festgesetzt hat oder wo die Schminke verschmiert wurde – kurzum, wo nachgebessert werden kann… im übertragenen Sinne, in der Gesellschaft, verstehste?
Wie kann sich ein Schriftsteller anmaßen, solche Dinge zu wissen? Gegenfrage: Wie könnte er es nicht? Die Schriftstellerei ist eine Profession, die Geduld erfordert und ihrem „Produkt“ ausreichend Zeit lässt, damit es reifen kann, bevor es auf die armen, weil aufgrund ihrer Unbedeutsamkeit überforderten Bürger dieser Erde losgelassen wird. Eine Schaffensart, wie sie auf der rasanten 2018er Welt zu kurz kommt, einer Welt, auf der Körper und Geist voneinander getrennt wurden.
Die Aufmerksamkeitsspanne von uns Usern sinkt zusehends, der globale Wohlstand steigt stetig, gleichzeitig haben es Populisten einfacher denn je, mit Angstmacherei Gehör zu finden.
Es ist eine interessante Zeit, in der wir leben, und über die es sich lohnt nachzudenken, für mehr als ein bis drei Minuten.
In den kommenden Jahrzehnten wird sich vieles verändern, und zwar rasant, manches zum Schlechten, manches zum Guten. Der Klimawandel ist im Gange, Umweltkatastrophen in nicht abzuschätzendem Ausmaß werden die Folge sein, aber die Rhetorik der Angst und des Hasses wird nicht lange bestehen bleiben, dafür ist sie zu durchschaubar. Bleibt zu hoffen, dass sie auf ihrem Weg nach unten nicht allzu viel kaputtmacht, denn sie kann nur das.
Die Bewusstmachung dieser Dinge ist Aufgabe profunder Literatur sowie ähnlich reflektierter Unternehmungen. Da sich solche Texte aber nicht besonders gut verkaufen, bevorzugen Verlage flache Liebesgeschichten, spannende Krimis und Biografien von C-Promis, sprich intellektuelle Rotze, die sich verkauft. Im Literatur-Business geht es einzig um die Sichtbarmachung des Zugänglichen. Literaturverlage sind zu reinen Textverlagen mutiert, die zu sehr damit beschäftigt sind, nach ihren Zielgruppen zu jagen, und dabei das einzige vergessen, was wirklich zählt; Texte zu finden, die die Welt bewegen.
Was macht einen Schriftsteller heutzutage also aus? Nun, nichts anderes, als vor 10, 20, 100 oder 1000 Jahren. Er oder sie lässt sich nicht kompromittieren, schreibt auf, was er oder sie beobachtet, er oder sie beobachtet gründlich, ist nicht darauf aus, seine oder ihre Fresse in jede Kamera und in jedes soziale Netzwerk zu schieben, sondern er oder sie möchte täglich schreiben, über das, was schief und gut läuft, ohne den Finger belehrend zu erheben. Er oder sie macht sich seelisch nackt, ohne Rücksicht auf Verluste, und ist unsichtbar, wie ein Geist, denn 2018 wird profunde Literatur ganz klein geschrieben, weil sie reflektiert, und das 21ste Jahrhundert einer kollektiven, kulturellen Verflachung gewidmet wurde – bisher.
In diesem Sinne, Skurr.
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