vonMarkus Szaszka 18.04.2019

Der Nirgendsmann

Markus "Nirgendsmann" Szaszka - Streuner und Schriftsteller aus Wien - schreibt über die Herausforderungen unserer Zeit und Romane, die zum Nachdenken anregen. Weitere Informationen: www.grossstadtballaden.com

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Dir geht’s mies, ich weiß

Wenn du diesen Text liest, geht es dir höchstwahrscheinlich miserabel. Es kommt dir vielleicht so vor, als hättest du die Kontrolle über dein Innenleben verloren. Du wünschst dir Besserung, aber du kannst dir nicht so recht vorstellen, wie es besser werden soll.
Wenn das der Fall ist, dann fühle ich mit dir. Es ist ein richtig beschissenes Gefühl. Viel wichtiger ist aber, zu verstehen, dass es dir bald wieder gut gehen wird. Das mag momentan nicht besonders realistisch für dich klingen, aber du kannst mir getrost glauben, weil ich selbst durchgemacht habe, was du gerade durchmachst. Falls du gewillt bist, etwas für deine Besserung zu tun, kann ich sie dir sogar versprechen.
Also lass uns nicht lange um den heißen Brei herumreden, sondern kommen wir gleich zum Kern der Angelegenheit, damit du bald wieder ruhig, zufrieden und angstfrei auf einer Parkbank sitzen und Enten auf einem Teich oder den Sonnenuntergang bestaunen kannst, sollte dir so etwas Kitschiges liegen – mir schon.

Akut-Tipp Nr. 1: Falls du derart große Konzentrationsschwierigkeiten haben solltest, dass es dir schwerfällt, diesen Text zu lesen, dann probier Folgendes: Manchen Betroffenen hilft Musik erstaunlich gut, um den Angstkreislauf zu durchbrechen. Versuch’s einfach. Wenn’s klappt, verschaffst du dir eine kurze Verschnaufpause. Wenn nicht, was soll’s – dann hast du nichts verloren. Am besten hörst du ein paar Songs von einem deiner Lieblingsinterpreten, optimalerweise sind es Lieder, die dich emotional positiv beeinflusst haben, etwa an erfreuliche Begebenheiten erinnern oder motivieren, deinen mentalen Arsch hochzubekommen. Und wenn du besonders mutig bist, kannst du währenddessen einen Spaziergang um den Block machen. Bewegung ist ebenfalls ein gutes Erste-Hilfe-Mittel gegen die Angst. 

Dir wird es wieder besser gehen

Du fragst dich vielleicht – beziehungsweise hoffentlich –, wie ich mir so sicher sein kann, dass du dich eines nicht allzu fernen Tages wieder in einer kitschigen Szenerie à la Hollywood wiederfinden könntest. Ganz einfach: Statistisch gesehen ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch.
Eine Studie hat ergeben, dass sich über neunzig Prozent der Angstpatienten, die aktiv etwas gegen ihre Erkrankung tun, nach ein bis fünf Jahren als vollständig oder beinahe vollständig geheilt bezeichnen. Vielen geht es bereits nach einem Jahr deutlich besser als zu Beginn ihrer Erkrankung. Die Krux an der Geschichte: Rund die Hälfte aller Angstpatienten lässt sich weder behandeln noch tut sie selbst etwas, um ihre Ängste und Panikattacken in den Griff zu bekommen. Diese Menschen geben sich auf, und es gelingt ihnen häufig erst nach zehn Jahren und mehr, aus ihrem dunklen Loch herauszuklettern – oder nie.
Die Besserung einer Angststörung kann damit auf eine simple Formel heruntergebrochen werden, die der Komplexität dieser Thematik zwar nicht gerecht wird, dafür den Kern dieses Ratgebers und meines Anliegens an dich verdeutlicht: Arbeitest du an dir und deiner Psyche, wirst du aller Wahrscheinlichkeit nach bald keine Panikattacken mehr haben, tust du es nicht, wirst du wahrscheinlich noch lange leiden.
Eines möchte ich an dieser Stelle gesondert hervorheben, weil realistische Erwartungen eine Voraussetzung sind, damit eine möglichst effiziente Selbsthilfe im Bereich der Angst- und Panikbewältigung geleistet werden kann. Nach Beginn der Eigentherapie dauert es in der Regel ein paar Wochen oder Monate, bis sich eine erste deutliche und nachhaltige Besserung der psychischen Befindlichkeit einstellt. Mit manchen Methoden und Hilfsmitteln können auch sofort, von jetzt auf gleich, gute, bessere und sogar fantastische Momente in deinem Leben erzeugt werden – was wir auch tun werden –, aber eine andauernde Verbesserung erfordert Arbeit und Zeit.
So wenig, wie eine Angststörung von heute auf morgen entsteht, so wenig kann sie in kürzester Zeit wegoperiert oder weggezaubert werden, auch wenn das einige Wunderheiler im Internet versprechen. Du überweist ihnen Geld und sie coachen dir per Skype-Telefonat deine Panik weg … Nein, so geht das – leider – nicht.
In diesem Text werde ich immer wieder Akut-Tipps geben, die sofort helfen können, es aber nicht müssen. Abgesehen von verschreibungspflichtigen Tabletten, denn die helfen auf jeden Fall und sind dementsprechend mit Vorsicht zu genießen, da sie nicht ohne Nebenwirkungen funktionieren und süchtig machen und folglich wieder zu Panikattacken führen können. Aber eins nach dem anderen. Die „Wundertabletten“ werde ich in den Kapiteln V und VI dieses Ratgebers näher behandeln.
Und falls du sofort auf die Akut-Tipps aus bist, was ich schwer annehme, weil ich deine Situation nur zu gut kenne, dann schau sie dir ruhig in Kapitel XIII in gesammelter Form an. Dennoch empfehle ich dir, danach den ganzen Text zu lesen, da die Akut-Tipps keine langfristige Besserung deiner Situation erwirken können, sondern dazu da sind, dir Luft zum Atmen zu verschaffen.
Und jetzt kommen wir schon zu dem, was dir helfen wird, diesen ganzen Mist hinter dir zu lassen: deine Arbeit an dir selbst aka deine Konfrontation mit Situationen, die dir Angst machen. Wenn du aktuell permanent Angst und Panik hast, wirst du dir jeden der für dich wichtigen Lebensbereiche wieder zurückerkämpfen müssen. Das dauert zwar ein bisschen, aber es zahlt sich so was von aus! Wie der große Philosoph Will Smith einst so schön sagte: „The best things in life are on the other side of fear“ – Die besten Dinge im Leben befinden sich auf der anderen Seite der Angst.

Akut-Hinweis Nr. 1: Von einer Panikattacke stirbt man nicht. Es droht dir kein Herzinfarkt, kein Schlaganfall oder Ähnliches. Es kommt dir nur so vor!

Da hätte ich auch selbst draufkommen können, wirst du vielleicht denken. Ja, das glaube ich auch. Und das bist du auch, denn nur, wer sich aufgibt, bleibt zurück, aber du tust schon etwas, damit es dir besser geht, zum Beispiel liest du diesen Text. Wichtig ist nur, zu verstehen, dass du diese „Arbeit an dir selbst“ durchführen musst und sie niemand sonst für dich erledigen kann, nicht der Pillenarzt, kein Therapeut, nicht die Familie, Freunde oder der Partner. Helfen kannst dir nur du!
Das geht langsam oder halbwegs schnell, deprimiert oder halbwegs spaßig. Wenn du Lust hast, machen wir es auf die halbwegs schnelle und spaßige Art…

Mein ganzer Erfahrungsbericht (116 S.) kann unter folgendem Link gelesen werden


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