10. Britney Spears: “Gimme More”
Britney Spears war der wohl einzige Star, der in diesem Jahr noch mehr Platz auf dem Boulevard denn auf Bühnen verbrachte als Pete Doherty. Von der desaströsen MTV-Awards-Performance bis hin zu der eher unseligen Angewohnheit, Unterwäsche für soooo 2007 zu halten, war Britney immer und überall, nur nie da, wo ihre Musik gespielt wurde. Das Comeback war nicht minder bizarr. Das Video zu „Gimme More“ ruft billigste Stripclubs wach (die wir natürlich nur vom Erzählen kennen!) und der White Trash springt einem geradezu entgegen. Umso erstaunlicher, dass der von Früh-80er-Electro beeinflusste Stampfer ein im Grunde guter Song war. Sicher, die schwindelerregenden Pophöhen von „Toxic“ konnte Britney mit „Gimme More“ nicht mehr erklimmen, aber es war ein deutliches Zeichen, dass man sie immer noch nicht abschreiben darf.
Charts: D: 7 / UK: 3
9. Scooter: “Lass uns tanzen”
Scooter. Wie lange diese Band mit dem im Endeffekt einen Song, den sie in ihrer Bandgeschichte geschrieben haben, bereits erfolgreich unterwegs sind, können selbst wir ältere Semester kaum noch nachvollziehen. Mancher hätte bereits von Natur aus so weiße Haare wie Sänger HP, wäre er derart lang in der Knochenmühle Popmusik am Start. Mit dem Text „Lass und tanzen oder ficken oder beides, denn morgen sind wir tot“, der während des Songs auf „tanzen oder ficken, tanzen oder ficken, tanzen oder ficken, tanzen oder ficken“ verkürzt wird, gelingt Scooter das gleiche wie den besten schlechten MTV-Shows: die Einfachheit ist derart entwaffnend und demaskierend, dass die Realität hinter dem kunstvollen Geflecht, das die Popkultur sonst webt, um den Blick auf die Wirklichkeit zu verstellen, ungeschönt zu Tage tritt. Wer ist denn heute die Stimme einer Generation? Conor Oberst? Vergiss es: HP Baxxter.
Charts: D: 19 / UK: –
8. Kanye West: “Stronger”
Hybris ist bei allem Talent unzweifelhaft eine Eigenschaft von Kanye West. Doch am Ende des Tages reicht sein Talent immer wieder aus, selbst auf dem Papier schlechte Ideen tatsächlich mit Style auszuführen. So auch „Stronger“: einen Daft Punk Track in der Geschwindigkeit herunterzuregeln bis die trademark vocoder vocals von Daft Punk klingen, als würde ihnen jeden Moment der Strom abgestellt, und darüber zu rappen – wer hätte gedacht, dass das nicht nur erfolgreich ist, sondern auch einen guten Song ergibt? Aber wie schon bei dem Bluessample von „Gold Digger“ (dem vielleicht besten Hip-Hop-Song der letzten 10 Jahre) zeigt Kanye West eine unwiderstehliche Leichtigkeit, ein Sample aus seinem angestammten Kontext zu reißen und sich zu eigen zu machen.
Charts: D: 17 / UK: 1
7. Gwen Stefani feat. Akon: „Sweet Escape“
Gwen Stefani wirkt ja oft so nervtötend, dass man sie gar nicht mögen möchte. Doch den Sprung aus einer ja durchaus anerkannten Alternative-Rock-Band zur Pop-Göre im überkandidelten White Trash Style (aber eben mit Style!) – wer schafft den schon? Nach dem herausragenden „Hollaback Girl“ und „What You Waiting For“ gelang ihr mit dem schön Mitt80er-Melodielinien nutzenden „Sweet Escape“ bereits der dritte glasklare Pophit. Vielleicht steckt ja doch noch eine Debbie Harry in ihr.
Charts: D: 6 / UK: 2
6. Sean Kingston: “Beautiful Girls”
In gewisser Weise ist Sean Kingstons „Beautiful Girls“ nur ein weiterer Beweis für die Unzerstörbarkeit von Ben E. Kings „Stand By Me”. Kings Klassiker dient als Melodie des Refrains und selbst die unvergessliche rhythmische Pointierung des Originals leiht Kingston von King. Dass der Song trotzdem funktioniert, ist dem wunderbaren Laid-Back-Gefühl zu verdanken. Sinnfreier, uncooler Pop.
Charts: D: 10 / UK: 1
5. Avril Lavigne: „Girlfriend“
“Girlfriend” ist der kleine, einfach gestrickte Bruder von „Hollaback Girl”, die Drums propellern den Song durch seine Drei Minuten 36 Sekunden, die Gitarren erinnern an die verblichenen Blink 182 im Popmodus und der Text ist bubblegum mit albern gestrecktem Fäustchen („I’m your motherfucking princess“). Das Video ist zudem auch noch so bescheuert und in sich unlogisch, als wäre Avril in letzter Minute für diese Rolle gecastet worden, ohne zu bemerken, dass ihr Image ja eigentlich auf der anderen Seite steht: normalerweise spielt sie doch den Pseudo-Misfit, der aber am Ende des Tages cooler ist. „What the hell were you thinking?“ fragt sie so auch völlig zurecht im Song. Kurz gesagt: großer Pop.
Charts: D: 3 / UK: 2
4. The Ting Tings: “That’s Not My Name”
Da wir im letzten Jahr auch schon Mika und Amy Winehouse in die hiesigen Pop-Top-10 schmuggelten, obwohl sie in Deutschland noch keine großen Wellen auslösten, erlauben wir uns gleiches in diesem Jahr mit dem Duo Ting Tings. „That’s Not My Name“ ist zu gut, zu ansteckend, zu unvergesslich für Wochen nach nur einem Hören, als dass man a) diesen Song weglassen möchte und b) glauben kann, dass nicht doch noch eine Plattenfirma 2008 auf die Idee kommt, ihnen die nötige Plattform zu bieten. Katie White singt über einem minimalistischen Beat allseits bekannte Probleme: dieses verdammte Namenerinnern! „They call me ‚hell‘ / They call me ‚Stacey‘ / They call me ‚her‘ / they call me ‚Jane‘ / That’s not my name / That’s not my name / That’s not my name / That’s not my name!” singt Katie (Namen nicht vergessen!) und wir geloben Besserung. Denn Du solltest definitiv nie vergessen, wie ein Mädchen heißt, das Dir „They call me ‚quiet girl‘ / But i’m a riot“ entgegen schreit.
Charts: D: – / UK: –
3. Amy Winehouse: “Back To Black”
Wer sich wundert, warum nicht „Rehab“ an dieser Stelle steht: bereits letztes Jahr in den Top 10 und daher in diesem Jahr nicht in der Auswahl.
Aber auch musikalisch spricht mehr für den Titeltrack des Amy Winehouse Albums als für die allseits bekannte erste Single. Wo „Rehab“ momentan schon etwas zu nah an der Wirklichkeit ist, um im realitätsfernen, reinen Popuniversum voll aufzugehen, liegt „Back To Black“s Qualität insbesondere in der Zeitlosigkeit der Herzschmerzgeschichte, die uns Amy Winehouse vorträgt und die exakt genauso klingen würde, wäre der Song vierzig Jahre alt. Eineinhalb Jahre nach Erscheinen des Albums wächst „Back To Black“ immer weiter, während „Rehab“ sich als guter, wenn auch kurzer Fix erweist.
Unvergessen bleibt auch Amy Winehouse gänzlich bizarrer Auftritt bei den European Music Awards, während dem kaum noch auszumachen war, welche Sprache die gute Amy da eigentlich singt. Dennoch: sie ist das größte Talent der internationalen Popszene.
Charts: D: – / UK: 25
2. Mika: “Grace Kelly”
Letztes Jahr Platz 2, dieses Jahr Platz 2. 2007 hoben wir den damals noch unbekannten Mika dank seines „I Just Died In Your Arms Tonight“ Zitatsongs „Relax, Take It Easy“ bereits auf Rang zwei und sprachen vom „besten Popsong des Jahres, den niemand gehört hat“ und schlossen mit der Vermutung, „2007 sollte Mikas Jahr werden“. Was es auch wurde, ohne Zweifel. Ein überraschend gutes Album und vor allem diese Single: endlich wieder eine Nummer 1 in England (Nummer 4 in Deutschland), die ohne Abstriche Vergnügen bereitete. Intelligenter Pop, der den Mittelfinger dem Business entgegenstreckte, das ihn jahrelang verschmähte und in Schablonen pressen wollte, das von Melodie über Gesang zu Text alles richtig machte. Der beste Song, den Freddie Mercury nie gesungen hat.
Charts: D: 4 / UK: 1
1. Rihanna feat. Jay-Z: „Umbrella”
Wie bereits im letzten Jahr als Gnarls Barkley das Popjahr dominierte, bestand auch dies Mal kein Zweifel über den Popsong des Jahres. Rihannas „Umbrella“ war überall, immer. Der Sommerhit, der Herbsthit. Der Sonnensong, der Regentrack. Ein gleichermaßen geheimnisvolles wie sexy Video, das immer haarscharf am camp vorbeimarschiert, untermauerte die Vorherrschaft auf den wenigen verbliebenen Clipsendern noch.
Das Geheimnis von „Umbrella“ liegt in dem sinnlosen, aber unvergesslichen „ella ella“ des Refrains und jeder Popsong, der einen Jay-Z-Gastauftritt vollkommen überflüssig erscheinen lässt, ist etwas Besonderes.
Charts: D: 1 / UK: 1
Und letztes Jahr?
1. Gnarls Barkley: Crazy
2. Mika: Relax, Take It Easy
3. Justin Timberlake: My Love
4. Amy Winehouse: Rehab
5. Lily Allen: LDN
6. Pet Shop Boys: Minimal
7. Nelly Furtado: Maneater
8. Scissor Sisters: I Don’t Feel Like Dancing
9. Torsun: Ten German Bombers
10. Kelis: Bossy
mit Text? hier
ich weiß nicht, Kate Nash geht völlig an mir vorbei. Lily Allen war witzig und frech, das hatte schon wirklich was. Aber Kate Nash finde ich mehr langweilig. Dass Foundations so erfolgreich war, ist mir ein Rätsel. Nächstes Jahr, fürchte ich, wird es mir mit Adele so gehen.