vonChristian Ihle 24.04.2008

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

Mehr über diesen Blog

Gerade eben waren Tord Øverland Knudsen (Bass), Dan Haggis (Schlagzeug) und Matthew „Murph“ Murphy (Gesang und Gitarre) von den Wombats auf Tour in Deutschland unterwegs. Ihre Platte „A Guide to Love, Loss and Desperation“ schaffte es auf Platz 11 der britischen Albumcharts. Und irgendwie kriegt man so das Gefühl das es sich hierbei nicht um ein Märchen im Stile der Arctic Monkeys handelt.

Just for the Craic

Craic heißt soviel wie ‘enjoyable time spent with other people, especially when the conversation is entertaining and amusing’. Kann man sich schon vorstellen, dass die Wombats aus Liverpool das ernst meinen. Lieber auf “what scientists believe to be the longest and most excruciating UK tour known to rock” unterwegs, anstatt sich den Kopf drüber zu zerbrechen wie es denn bloß weiter gehen soll mit der Karriere. Platte in Japan raus bringen? Geiler Scheiß, machen wir. Auch wenn sie damals gar keinen wirklichen Plattenvertrag hatten.

Da musste dann doch wohl mal eben die gute Fee der Generation 2.0 einspringen. MySpace macht das schon. Das Indielabel KIDS kontaktierte die Jungs über das eben genannte Internetportal und sagte: Wir geben euch 1000 US Dollar und ihr nehmt ein paar Songs auf, die wir dann in Japan raus bringen. Tatsächlich, so sagt zumindest Bassist Tord, handelte es sich bei „Girls, Boys and Marsupials“ aber nur um eine Sammlung von Demos. Und die Wombats selbst betrachten es auch nicht wirklich als ihr erstes Album. „It was more just something we did for the craic.“, erklärt Tord. Die Wombats sind eben eher auf Craic und nicht so sehr auf Crack.

Where is the Chicken?

Den Konsum chemischer Drogen überlassen die Jungs lieber denen, die es schon perfektioniert haben. Zum Beispiel Herrn Pete Doherty. Die Wombats sind lediglich auf Alkohol unterwegs. Und irgendwann haben sie dann auch mal Pete getroffen. Oder so ähnlich. Dan erklärt den Sachverhalt kurz und knapp: “We never met him. He went past us and asked us whether we got any chicken.” Leuchtet nicht direkt ein, darum hat Tord noch etwas hinzuzufügen: „We met him kind of in New Castle. It was a great gig and he had about 5 securities around him. He was off his face. He was so high on whatever.” Und Murph ebenfalls: “He was on crack, boy!”. Tord: “He was completely off his face and we are ‘oh great gig’ and he slapped my hand and said: ‘Cheers. Cheers, fucker. Where’s the chicken?’ And then he walked into the dressing room, came out with a whole chicken all over his face. That was our meeting with Pete.” Amen.

Trotzdem kann Drummer Dan Mr Doherty ganz gut leiden. Ohne Frage: er ist ein großer Songwriter. Egal ob nun total drauf oder nicht. Schade nur, dass er wohl noch viel bessere Songs schreiben würde, wenn da nur die große Liebe zum Crack nicht wäre. Ziemlich nüchtern ergänzt Dan: “He is better known for being himself than for his music, apart from his fans, obviously. Everyone knows he is a musician, but its more like he is just a face in Hello! magazine. Which is a real shame. I just said that I’m sure he is a really good songwriter, but he is not known for that and that must be such a headfuck for him.”

It’s 8 o’clock and I’m feeling fine/ I’m out on a date tonight

Also nur bedingt Vorbildpotential bei Pete. Schade. Das lässt die Wombats aber auch nicht schneller in einer der Schubladen für junge postbritpoppunk Bands verschwinden. Ja, sie haben Frisuren wie Playmobilfiguren, nur strubbeliger. Ja, sie kommen von der britischen Insel. Ja, sie schreiben Songs über Jungs und Mädchen und gebrochene Herzen („Carrots help us see much better in the dark/ Don’t talk to girls they’ll break your heart“).. Sie haben Teddybären und eine Disko-Glitzer-Lichtshow auf der Bühne, dazu ein Intro von Culture Club (Karma Cameleon!) und erzählen dann erst mal ne Runde wie krass das gestern noch mal mit dem Alkohol war. Passt schon alles irgendwie noch unter den schwarz-gekrempten Indie-Hut.
Auch wenn die drei vor Publikum noch so gern die Bengel auf Klassenfahrt geben, entdeckt man bei Gesprächen fernab der Bühne dann gottlob doch richtige, echte, ja gar erwachsene Musiker!

Music lovers

Beim Arbeiten haben die Wombats darum auch am liebsten Leute um sich, die nicht nur wissen was sie tun, sondern auch warum sie es tun. Nämlich aus Liebe zur Musik. Deswegen führte der Weg vom Indielabel auch zu 14th Floor Records, um mit den gleichen Leuten zusammenarbeiten zu können, die Ihnen damals die Japansache eingebrockt haben. Richtige music lovers statt gieriger Major Heuschrecken in den Augen der Wombats. Ganz ohne große Plattenfirma soll es dann aber auch nicht gehen, denn 14th Floor Records steht wiederum in engem Kontakt zu Warner. Aber sei’s drum.

Die Wombats machen alles richtig. Entscheiden erst mal aus dem Bauch heraus und verkopfen später, wenn Naivität langweilen würde. Außerdem sind sie wahnsinnig lustig und kotzen ständig nach ihren Saufgelagen. Frisch sind sie und unverbraucht, genau wie ihre Musik. Sollte das so bleiben brauchen sie sich wohl auch nie beim DJ in der Indiedisco Joy Division wünschen. Und wenn doch wird eben die Ironie zelebriert. (Helena Friebel)

Programmhinweis in eigener Sache – am nächsten Dienstag, den 6.5., moderiert das Popblog der taz von 17.00h – 18.00h das ByteFM Mixtape beim gleichnamigen Webradio.

Anzeige

Wenn dir der Artikel gefallen hat, dann teile ihn über Facebook oder Twitter. Falls du was zu sagen hast, freuen wir uns über Kommentare

https://blogs.taz.de/popblog/2008/04/24/wombats-interview-we-did-it-just-for-the-craic/

aktuell auf taz.de

kommentare

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert