Ja, es mag vielleicht gewagt sein, ausgerechnet dieser Tage mit einer – zumindest für den deutschen Markt – revolutionären Idee aufzutreten, die das bandeigene Album finanzieren soll und sich des Aktienmarkt-Vokabulars bedient.
Vor einigen Jahren galt die Kölner Band Angelika Express einmal als Hoffnung für den deutschen Indie-Pop, hatte einige sehr hübsche Teenage Fanclub bis Francois Truffaut zitierende Texte sowie den großen Peter Hein als Gastsänger im Gepäck, doch so richtig durchstarten wollte das Projekt nie. Nach Album Nummer Zwei hieß es 2005 dann „Klappe zu, Angelika tot“ und man dachte, das isses nu’. Aber wie diese rheinischen Frohnaturen nun mal so sind, lassen sie sich den Spaß am Auftreten nicht nehmen. In neuer Besetzung mit altem Mastermind Robert Drakogiannakis wurde 2008 das Projekt unter dem gleichen Namen wiederbelebt. Erst wurden einige Songs über die Homepage verschenkt und Auftritte absolviert bis nun „der Plan“ gereift ist: von der britischen Band Morton Valence wurde die Idee geklaut, sich das Debütalbum von Angelika Express Mk 2 nach dem Shareholder-Prinzip finanzieren zu lassen. Meint: Fans/Interessierte kaufen sich vorab eine „Aktie“ an Angelika Express. Der Erlös wird in die Albumproduktion gesteckt, die Aktieninhaber erhalten nach Erscheinen das Album kostenlos sowie 80% des anfallenden Gewinns durch Album-/Downloadverkäufe.
Maximal 500 Aktien werden ausgegeben, womit AE ein Produktionsetat von 25.000 € zur Verfügung steht. Interessant wird es nun, die Shareholder-Seite zu betrachten: 50 € investiert der geneigte Fan in das Albumprojekt und erhält dafür ein Album sowie die angesprochene Gewinnbeteiligung. Bei einem handelsüblichen Preis von 15 € stehen effektiv 35 € auf dem Spiel, die es zu refinanzieren gilt. Bisher hat Angelika Express noch nicht formuliert, wie sie den Gewinn ausweisen bzw. welche weiteren Kosten den Einnahmen gegenüberstehen – bei 500 Aktionären à 35 € müsste der Gewinn jedenfalls 17.500 € betragen, damit die Anteilseigner in den Plusbereich gelangen. Die interessante Frage, die ohne Kenntnis der Kostenstruktur nicht beantwortet werden kann, wäre natürlich wie viele Platten AE verkaufen müsste, um den Break-Even zu erreichen. Dass es sich dabei auf jeden Fall um eine für heutige Verhältnisse recht ordentliche Menge handeln dürfte, wird klar, wenn man allein nur den Verkaufspreis durch die zu erzielende Summe teilt: selbst wenn keine weiteren Kosten anfallen würden und die 15 € pro Albumverkauf tatsächlich der Gewinn wären (die Angelika-Express-Seite spricht allerdings nicht von 80% der Einnahmen, sondern von 80% des Gewinns), müssen vierstellige Verkaufszahlen zustande kommen. Setzt man „15 € Einnahmen“ = Gewinn an, betrüge die Aktionärseinnahme pro Platte 12 € (= 80%). Um die eingesetzten 17.500 € bei einer Einnahme von 12 € pro Platte zu refinanzieren, benötigte man bereits 1.459 abgesetzte Einheiten.
Dem entgegen steht aber natürlich für 500 Fans der ideelle Mehrwert, eine neue Angelika Express Platte ermöglicht zu haben. Auch wenn wir an einem finanziell glücklichen Ausgang für die „Aktionäre“ zweifeln, applaudieren wir dennoch der cleveren Idee. Man darf gespannt sein, ob und wie sich das Projekt weiter entwickelt. (Christian Ihle)
Angelika Express im Popblog:
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