Man sollte doch denken, dass über 30 Jahre Bühnenerfahrung einen Sänger zur Entertainmentmaschine werden lassen. Doch bei Peter Hein, in seiner Karriere Frontmann von gleich vier deutschen Punk-Institutionen wie Charley’s Girls, Mittagspause, Family 5 und nun wieder Fehlfarben, ist es bei jedem Konzert das Gleiche: er wirkt immer, als kämpfe er mit sich, überhaupt auf der Bühne stehen und ein erwartetes Programm abspulen zu müssen. Zugegeben, es hat sich im Vergleich zu Auftritten in den letzten Jahren etwas normalisiert, aber immer noch scheint sich Hein gegen die Entertainmentmaschinwerdung zu wehren.
Das verstört, beunruhigt. Und verleidet natürlich auch den einfachen Spaß, weil indirekt ja gleich das ganze Konzept des Prinzips Abendunterhaltung via Konzertbesuch in Frage gestellt wird. Doch mit der Zeit legt Hein dann doch seine Berührungsängste ab und der Auftritt entwickelt sich von schwach-verstörend zu ordentlich-abliefernd bis begeisternd-mitreissend in den Zugaben. Dabei absolvieren die Fehlfarben ein erstaunliches Set, das mitnichten nur das sehr gute neue Album abspielt noch dem epochalen Debütalbum „Monarchie & Alltag“ allzu viel Platz einräumt, sondern eine ausgewogene Werkschau selbst ihrer verlorenen Jahre darstellt. Höhepunkt ist wie erwähnt dennoch die Zugaben-Folge mit „Die wilde 13“, das nahtlos in „Nichts erreicht meine Welt“ hineingespielt wird und von dem immer noch atemberaubend guten „Paul Ist Tot“ beschlossen wird.
(christian ihle, fehlfarben in nürnberg, 29.3.2010)
Fehlfarben im Popblog:
* Das Nein als Prinzip: Fehlfarben in concert 2007
* Album des Monats Februar 2010 – Platz 1: „Glücksmaschinen“
* Album des Monats Februar 2009 – Platz 2: „Hier und Jetzt – Live“
* Plattenkritik Handbuch für die Welt
* Die 10 besten Songs 2009
Auf der Bühne:
08.04.10 Leipzig – Werk 2
09.04.10 Berlin – Festsaal Kreuzberg
10.04.10 Düsseldorf – Zakk
Im Netz:
* Indiepedia
* MySpace
Hab den alten Text schon vor dem Konzert gelesen und hatte einen deutlich „misanthropischeren“ Peter Hein erwartet. Nachdem er sich ein paar Mal die Nase gewischt hatte, meinte mein Nachbar „Der ist doch auf Koks!“.
Die Assoziation traf auf die komplette Band zu, bis auf Fenstermacher und Pyrolator. Ich denke, die hatten gestern abend für ihr Image deutlich zu gute Laune. Und zuviel Spaß an dem, was sie taten.
Ich beschwere mich darüber nicht, im Gegenteil. 😉