vonChristian Ihle 19.07.2010

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„People think that we’re strange“ singt Dan Treacy über sich und seine Weggefährten auf dem neuen, xten Album der Television Personalities und keine Frage, ja, die Leute denken tatsächlich, Treacy ist ein komischer Kauz, ein Drogenwrack, dessen Songs schon auf Platte auseinanderfallen, von ihren Livedarbietungen ganz zu schweigen.TVP Memory

Aber wir, die ein Faible, ein Herz, für die Gebrochenen der Popkultur haben, die einem Peter Perrett allen Unsinn verzeihen, weil er „Another Girl Another Planet“ geschrieben hat, die Peter Doherty trotz allem immer noch für den Songwriter seiner Generation halten, die immer wieder den sonderlichen Onkel aus Manchester, Mark E. Smith, ob seiner bizarren Auftritte hochschätzen, wir sehen in Dan Treacy den Übervater all der komischen Käuze, die es – dem Musikgott sei’s gedankt – noch in der glatt gebügelten, durchgestylten Popwelt des Jetzt gibt.

Treacy war schon Außenseiter als er ein großes Ding war. Als er 1978 seltsam verschrobenen Beinah-Akustik-Punk schrieb und dabei die Hipster und Wochenendpunks in „Smashing Time“ oder „Part Time Punks“ verlachte, als alle Nietengürtel dieser Welt nicht härter, nicht mehr punk sein konnten als Treacys brutales, dabei immer skizzenhaftes Sezieren von Szenegewohnheiten. Als ihn der eh nie wirklich große Erfolg verließ, machte Treacy trotzdem weiter. Immer weiter, egal ob Herz gebrochen, im Heroin schwimmend oder im Gefängnis sitzend. Und schuf dabei immer wieder diese Augenblicke der herzergreifenden Gebrochenheit, wenn die Echtheit des Moments dich aus der Vinylrille geradezu anschreit.

Von seiner neuen Band Mike Stone und Texas Bob Juarez vor einigen Jahren wieder halbwegs auf die Beine gestellt, betreibt „A Memory Is Better Than Nothing“ nun von allen jüngeren TVP-Veröffentlichungen am Entschiedensten Werbung für eine Wieder- oder Neuentdeckung des komisches Kauzes der britischen Popkultur. So ausproduziert, fein instrumentiert und schlüssig klangen die Television Personalities seit 20 Jahren nicht mehr!

Dennoch ist das neue TVP-Album natürlich meilenweit davon entfernt, ein glatter, einfacher Genuss zu sein. Ob Treacy im süßlichsten Stück der Platte „She’s My Yoko“ auf Kinderreimebene die Tragik seines ganzes Lebens zusammenfasst (“I’ve been mad and I’ve been bad/ I’ve been glad and I’ve been had/ Well that’s me, that’s just Daniel.”) oder im Song „The Good Anarchist“ mit einer wuchtigen Ehrlichkeit seine Abgefucktheit als Antwortvers zum Verehrungsversuch eines weiblichen Fans singt…

So the good anarchist
He didn’t know right from wrong
All he knew was his beer
His old guitar and songs
And they took him away
Time and time again
So the whole world it knows
He’s gone mentally insane…again..

…die Momente auf dieser Platte, die verstören, sind aller Melodieseligkeit zum Trotz nicht weniger geworden als beim dunklen Meisterwerk „My Dark Places“ vor einigen Jahren.

So gilt mit „A Memory Is Better Than Nothing“ noch mehr als für die meisten Platten der letzten zwei TVP-Dekaden dass nun aber wirklich der Punkt gekommen sein müsste, an dem jeder, dem irgendetwas an Emotion, Echtheit und Erratik liegt, in das Oeuvre Treacys einsteigen sollte. (Christian Ihle)


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[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=LP7zFmHgzyA[/youtube]
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Anhören:
* Walk Towards The Light
* A Memory Is Better Than Nothing
* The Good Anarchist
* My New Tattoo

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=lqxkt-M3f4Y[/youtube]
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Mehr im Popblog:
* Heldenverehrung: MGMT über Television Personalities

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