vonChristian Ihle 18.10.2011

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Kreisky – Trouble

Vielleicht ist man als Deutscher auf dem österreichischen Auge blind, jedenfalls habe ich Kreisky trotz ihrer schon längeren Karriere erst in diesem Herbst wahrgenommen. Dann aber wie!
Musikalisch sind Kreisky erheblich sperriger als Indierock-Landeskollegen wie Killed By 9 V Batteries oder Naked Lunch und erinnern eher an Kristof Schreufs alte Großtaten zu Brüllen und Kolossale Jugend – Zeiten oder gleich an den bösen Onkel aus Manchester, Mark E. Smith und seinen The Fall. Kreisky räumen zudem mit dem Vorurteil auf, dass der sprichwörtliche österreichische Schmäh lakonisch-melancholische Züge hätte, denn auf diesem Album wird vielmehr mit aller Härte und in alle Richtungen geschmäht. Titel wie „Scheisse, Schauspieler!“ seien als Beweis herangezogen. In diesem Stück findet sich allerdings auch eine der schönsten Stellen der Platte: „Wo Musik ist, lass dich nieder, da ist meistens auch Bier!“. Ok, zugegeben, Lakonie können sie auch.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=m1cNWgCyB5M[/youtube]
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Stars For The Banned – Stars For The Banned

Dieses Album ist eine kleine Sensation. Da werkelt ein junger Wiener alleine vor sich hin, veröffentlicht ohne großes Getöse seine ersten Songs und bringt – ebenfalls recht unbemerkt – im Herbst 2011 sein Debüt-Album auf den Markt, das dermaßen gut ist, dass es verdientermaßen überall besprochen gehörte. Und zwar nicht nur im deutschsprachigen Raum, sondern auch in Pitchforkhausen! Natürlich ist es nicht ganz neu, was Robert Guenther aka Stars For The Banned auf seinem Album präsentiert und, ja, es gab schon Zeiten als Radiohead circa The Bends als Blaupause mehr Hipsterfaktor mitbrachte, aber abgesehen vom Get Well Soon – Debüt vor ein paar Jahren hat das in unserer Gegend kaum einer so gut hingebracht. Noch besser werden Stars For The Banned, wenn sie Radiohead-Terrain verlassen und wie in „Taste“ wie die frühen Beirut klingen. Ein tolles, rundes Album, das mehr Aufmerksamkeit verdient.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=cAiKKhX4KdE[/youtube]
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Ja, Panik – Nevermind

Es besteht die Gefahr, dass wir hier schon wieder Ja-Panik-Wochen im Popblog einleiten, haben wir doch gerade erst ein Portrait zur Tour veröffentlicht und steht noch ein längeres Interview mit Panik-Mastermind Andreas Spechtl an, aber andererseits können wir nicht über Österreich, nicht über den Herbst und schon gar nicht über gute Platten sprechen, ohne die „Nevermind“-EP der Burgenland-Five zu erwähnen, handelt es sich doch beim Titelstück um einen der drei Höhepunkte der besten Platte des Jahres. „Nevermind“ ist das reduzierteste Stück, das Ja, Panik je veröffentlicht haben und auf der Platte ein kurzes Durchatmen vor dem Revolutionssturm, verliert aber auch alleinstehend nichts von seiner Kraft, gerade weil Spechtl in diesem Song seine besten Texte gelingen. Jedes der Bandmitglieder wird mit einer eigenen Strophe bedacht, die den jeweiligen Kampf um den richtigen Platz, um das richtige Selbst behandeln. Am besten sind dabei die beiden letzten Strophen gelungen, die Keyboarder Christian und zuletzt Sänger Andreas Spechtl selbst gewidmet sind und existentialistische Wucht besitzen:

„Und dann wär da auch noch Christian –
soll ich sagen Mr. Bloom?
er ist mehr alleine als einsam,
er braucht die Zeit, um auszuruhen
von den troubles, die ihn beuteln
durch den Tag und durch die Nacht
als folge Form endgültig function
hat er sich zum Loch gemacht.“

bzw.

„Und am Ende bleib ich übrig,
wie sich das so gehört.
Ich lerne langsam sprechen
und dass man sich nicht selbst zerstört.
Doch vielleicht sollt’ ich davon gar nicht lassen,
es hat ja alles keinen Sinn.
Der Hass hat sich schon so tief in mich gefressen,
dass ich ganz verloren bin.“

Auf der zweiten Seite der Vinylscheibe finden sich live aufgenommene Coverversionen von John Cale und Bob Dylan, wobei Cales „Fear Is A Best Man’s Friends“ dermaßen in Richtung Feedback und Kakophonie schliddert, dass die Grenze zur Unanhörbarkeit schon touchiert wird. Seelenbalsam dagegen die Chöre bei „Ring Them Bells“, einem Dylan-Stück von dessen Spätmeisterwerk „Oh Mercy“, die uns aus dem Konzert, aus der Platte hinaus singen.

[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=4o8fXW2vhGY[/youtube]

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