vonChristian Ihle 27.01.2012

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Vielleicht muss man Respekt vor Gottschalk haben, dass er tatsächlich in seinem für einen Berufsjugendlichen beinah biblischen Alter noch einmal etwas Neues versucht (und im Grunde etwas Neues, an dem er – zu späterer Stunde – schon einmal fürchterlich gescheitert ist). Seine tägliche Talkshow (?) auf einem traditionell undankbaren Quotenplatz zu bestreiten und aus dem heimeligen Wettendass-Nest in die rauhe Tageswirklichkeit zu wechseln, das ist fraglos mutig. Deshalb wollen wir auch gar nicht den Quotenmesser heranziehen, um Gottschalk abzuurteilen, aber was beispielsweise die gestrige Sendung geboten hat, war dermaßen unter aller Kanone, dass ein Offener Kanal sich schämen würde, eine so unausgegorene Show auf den Bildschirm zu lassen.





Kardinalfehler der Sendung ist die Idee, sie aus zwei zentralen Elementen zu bestücken, die eben genau nicht Gottschalks Sache sind. Zunächst kommt eine Art Stand-Up-Comedy, die in all ihrer Betulichkeit nicht besser visualisiert werden könnte als dass sie eben im Sitzen stattfindet und, nun ja, einfach pointenfrei ist. Gottschalk liest Schlagzeilen des Tages vor und kommentiert sie mit Worten wie „das verstehe ich nicht, ich hoffe das erklärt uns gleich die Tagesschau“. Was genau soll das Konzept sein? Blinde BILD-Zeitungsleser in den Genuß der News zu bringen?
Wenn dann doch einmal eine Art Scherz auf eine Meldung folgt, dann geht er folgendermaßen: „In Papua-Neuguinea hat es einen Putsch gegeben. Da denkt man sich: Sind die jetzt mit Giftpfeilen unterwegs oder mit Blasrohren?“. Ich habe extra noch einmal nachgesehen: ja, wir haben das Jahr 2012.


Nach der Sit-Down-Comedy zu Beginn lädt sich Gottschalk Gäste ein, in der gestrigen Sendung Kati Witt. Schon in „Wetten Dass“ war es nicht die größte Stärke Gottschalks, Gespräche zu führen und so nimmt es wenig Wunder, dass er auch in „Gottschalk Live“ daran scheitert, mit anderen (statt von sich) zu reden.
Noch schlimmer wird das Witt-Gottschalk-Gespräch aber dadurch, dass Humor (oder Intellekt?) der beiden völlig inkompatibel ist.
Während Gottschalk eine wortspielreiche Schlagzeile aus einem britischen Boulevardblatt mit deutschen Wortspielen anzureichernd versucht, verbessert ihn Witt, dass das eigentlich was ganz anderes meinen würde. Herr, wirf Hirn UND Humor vom Himmel!


Um die Absurdität zu vervollkommnen wird Alice Schwarzer zugeschaltet. Man kann von Frau Schwarzer halten, was man mag, aber ein unterhaltsamer Talkshow-Gast ist sie eigentlich immer. Nur leider kommt sie kaum zu Wort, weil Gottschalk in erster Linie selbst spricht. Als Kati Witt das bizarre Dreier-„Gespräch“ dann noch damit beendet, dass sie den Männern ihre Männlichkeit nicht nehmen will, ist es wahrscheinlich für alle Seiten besser, dass Schwarzer erneut kaum zu Wort kommt, weil Gottschalk weiter redet.


Man kann nur mit Rudi Völler schließen:
Ein Tiefpunkt. Und noch einmal ein Tiefpunkt. Und noch ein niedrigerer Tiefpunkt.
Ich kann diesen Scheißdreck nicht mehr sehen!
Soll er doch Samstag-Abend-Unterhaltung machen und keine Talkshow!
Soll er doch „Wetten dass“ machen!


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=Upce9rLU2Es[/youtube]

P.S.:

Eine schöne Zusammenfassung des Gottschalk’schen Irrlichtern von Extra3 des NDR

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https://blogs.taz.de/popblog/2012/01/27/gottschalk-live-ein-tiefpunkt/

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kommentare

  • Man merkt wie Gottschalk es den Gästen immer Recht machen will, so wie hier seiner Freundin Alice Schwarzer. Diese streitsüchtige Frau gibt den Ton an und er schleimt nur rum. So leitet man keine Talkshow, das ist einfach nur charakterlos.

  • Sie haben ja so Recht! Wer Sendungen im Offenen Kanal kennt, schaltet abends jetzt besser immer dorthin. Mit professioneller konzeptioneller Vorbereitung hätte es was werden können. Aber so?

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