vonChristian Ihle 05.03.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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1. Der Film in einem Satz:

Natural Born Killers in der britischen Countryside.



2. Darum geht‘s:

Topf und Deckel: der wegen seiner Rothaarigkeit als Kind gehänselte Chris und die von ihrer Mutter unterdrückte Tina sind ein frisch verliebtes Paar. Mitte 30 und erstmals so richtig in einer Beziehung – das feiert man natürlich mit einem akribisch durchgeplanten Wohnwagenausflug durch das englische Hinterland. Vor allem Chris erweist sich dabei schnell als passiv-aggressiv, wenig später auch als aktiv-aggressiv, wenn Umweltverschmutzer, Ignoranten und Daily-Mail-Leser ihm über den Weg laufen. So pflastert Blut ihren Wohnwagenweg quer durch England. Es trifft selten den Falschen, aber die Allmachtsfantasien des in der Jugend unterdrückten Paares werden von Mord zu Mord größer.

“Sightseers” ist, gelinde gesagt, ein ungewöhnlicher Film. Zwei nun wirklich gänzlich unsympathische Hauptdarsteller und eine doch recht realistische Abbildung eines unerfüllten Lebens bietet weder Identifikations- noch Eskapismuspotential. Dennoch gelingt es Regisseur Ben Wheatley mit seiner britischen White-Trash-Umdefinition von Mickey & Mallory durchaus zu unterhalten – ehrlicherweise sind sein Mörderturteltäubchen auch beileibe keine natural born Killers, sondern mehr von der Gesellschaft gemachte.

Mit “Kill List” hat Ben Wheatley im letzten Jahr einen der erstaunlichsten (und umstrittensten) Horrorfilme der jüngeren Vergangenheit gedreht und es unterstreicht nur seinen Status als talent to watch wie anders “Sightseers” nun im Vergleich zu seinem Vorgängerfilm geworden ist – von den Blutfontänen einmal abgesehen.

So viel Aufsehen wie “Kill List” wird er mit “Sightseers” allerdings nicht erregen, zu (gewollt) unattraktiv ist doch der ganze Film entworfen – auch wenn man überraschenderweise eine hochkarätige deutsche Synchronsprecherbesetzung für diesen kleinen Indiefilm gewinnen konnte: Anke Engelke und – passend – der “Tatortreiniger” Bjarne Mädel vertonen die beiden Hauptdarsteller für das deutsche Publikum!



3. Der beste Moment:

Wenn Wheatley direkt auf den guten alten “Wicker Man” anspielt und eine handvoll naturverbundener Schamanen (meint: Trottel mit Bodypainting und zu vielen Trommeln & Fiedeln) auf einem traurigen Campingplatz im Nirgendwo eine kleine Hühnerherde schlachten lässt.



4. Diese Menschen mögen diesen Film:

Wer eine traurig-realistische Abwandlung von “romantischen Killerpaaren” sehen, dabei aber nicht auf lakonischen Humor verzichten möchte. Einen süßen Hund gibt’s dazu!


Regie: Ben Wheatley
imdb

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