vonChristian Ihle 24.04.2013

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Christopher Owens – Lysandre Akustik Album


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Wer: Der Songwriter der vielleicht besten Band der letzten paar Jahre. Die San-Francisco-Lo-Fi-Rocker Girls hatten uns mit jedem ihrer drei Alben begeistert und so unter anderem Platz 2, Platz 3 und Platz 4 in unseren Albumcharts abgeräumt sowie zwei Songs des Jahres geschrieben.



Bisherige Glanzleistung: Ewiger Höhepunkt dabei „Hellhole Ratrace“, für die Ewigkeit gemachtes Epos in Spiritualized-Höhen:



[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=cdCClWtnwnQ[/youtube]


Jetzt: Girls bestanden aus Christopher Owens (Songwriter & Sänger) und Chet „JR“ White (Produzent & Arrangeur) sowie etlichen, immer wieder wechselnden, zusätzlichen Musikern. Nach einer bitteren Trennung der beiden Girls-Masterminds veröffentlichte Owens Ende letzten Jahres ein heiß erwartetes Soloalbum, das aber ganz drastisch ans Tageslicht brachte, wieviel Einfluß der unscheinbare JR White auf die Musik und den Sound der Girls hatte. Das Owens Debütalbum „Lysandre“ klang überambitioniert und gleichzeitig unsicher, als hätte man einem Kind freien Auslauf in einem Spielzeugladen gegeben – Owens fehlte augenscheinlich JR als Korrektiv. Denn vom minimalistischen Girls-Debüt, das laut sleevenotes überall spontan aufgenommen wurde, zu den ausgefeilt arrangierten Alben zwei & drei gelang JR immer, die manchmal durchaus simplen Songstrukturen von Owens einerseits mit genügend Unterbau zu versehen, sie aber andererseits auch nicht mit überbordend vielen Instrumenten zu erschlagen. Owens ging ohne White aber den entgegengesetzten Weg: auf „Lysandre“ flötet und harft es als gäbe es keinen Morgen mehr! Jeder Song zugekleistert von Instrument um Instrument, eine Art Baroque-Pop, der bei Loves „Forever Changes“ funktioniert haben mag, aber bei diesen, von Owens geschriebenen Songs einfach nicht trägt.

Umso überraschender nun die Kehrtwende, hat Christopher Owens doch sein Debütalbum nur wenige Monate später noch einmal neu aufgenommen und stellt es als kostenlosen Download auf seiner Homepage zur Verfügung – und zwar in einer rein akustischen, reduzierten Variante. Im Vergleich zur Originalversion gewinnt tatsächlich praktisch jeder Song, insbesondere „A Broken Heart“ und „Part Of Me“ zeigen ihre Stärken in diesen reduzierten Folkversionen, leben – von all den Flöten befreit – regelrecht auf, atmen durch, haben Luft. Lediglich die Single des Albums, der straighteste Rocksong „Here We Go Again“ kann in akustischer Version natürlich nicht den Drive seiner voll produzierten Gitarrenvariante entwickeln.

Dennoch: mit Ausnahme des immer noch fremdschamverursachenden, mitleidheischenden „Love Is In The Ear Of The Listener“ zeigt Owens, dass mit ihm als Songwriter im klassischen Singer/Songwriter-Modus immer noch zu rechnen ist, nur benötigt er dringend das früher vorhandene Korrektiv um seine fraglos vorhandenen, immensen Talente zu kanalisieren.


Wertung: 8/10, im Gegensatz zur Originalversion (5/10)


Höhepunkt: „Part Of Me“, wie ein früher Dylan minus Reibeisenstimme.

Legaler Download des ganzen Albums: hier


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French Films – White Orchid





Wer: Eine finnische Indiepop-Band, am Start mit Album Nummer 2.



Bisherige Glanzleistung: „Imaginary Future“, das vor zwei Jahren veröffentlichte, ziemlich tolle Debüt, das vor allem an die Drums erinnerte.




Jetzt: Dass das French Films – Debüt an die Drums angelehnt klang, lag allerdings weniger daran, dass man die „Let’s Go Surfing“ – Boys kopieren wollte, sondern schlicht an den gleichen Vorlieben. Wie die Band aus Florida ist eben das golden age of indie pop, die Mitt-80er, das große Referenzzeitalter. Während Album Nummer Eins aber wie eben bei den Drums vor allem spindeldürr, geradezu skeletar klang und so auch immer wieder von Post-Punk-Wind durchweht wurde, ist auf „Wild Orchid“ viel mehr Soundfläche zu vermelden. Der Indie-Pop-Ansatz der Pastels in den Melodien bleibt, aber statt Post-Punk-Minimalismus trägt man Shoegaze-Kleider! „Wild Orchid“ ist klar besser als das zweite, enttäuschende Drums-Album.


Wertung: 7/10


Höhepunkt: Titellied und Eröffnungssong „Wild Orchid“, in dem sich eigentlich schon das ganze Album ankündigt: schön verwaschener Sound zu Beginn, über den sich sich im Refrain maximale Lalala-Melodien erheben.

Leider nicht im Netz zu finden, deshalb hier als Ersatz „Latter Days“, das allerdings weniger typisch für das Album ist und etwas stärker auf dem Post-Punk-(Pop)-Boden verharrt:


Soundcloud-Link



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Foals – Holy Fire





Wer: Einst während der letzten Zuckungen von New Rave auf die Bildfläche geschlurft, aber damals schon eher dem Math-Rock verbunden als den Glowsticks zugetan. In der Zwischenzeit zu einer der größten Bands Englands mutiert, erstaunlicherweise.



Bisherige Glanzleistung: Auch wenn’s doof klingt: immer noch die frühen, mitreissenden Demos, die allerersten Singles wie „French Open“, bevor alles in einem freudlos durchexerzierten Debütalbum und einem durchbruchverschaffenden, öden zweiten Album endete.



[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=j-wJjdN4pog[/youtube]


Jetzt: Leider noch weiter auf dem bei Album Nummer Zwei eingeschlagenem Weg unterwegs. Foals sind dabei, jene Position zu besetzen, die Radiohead zugunsten Frickelfreakereien freiwillig aufgegeben haben und die Elbow dank ihrer Gemütlichkeit und Bierseligkeit dann auch nicht so recht einnehmen konnten. Das ist alles natürlich sehr kompetent gemacht, auf handwerklicher Ebene nicht im mindesten zu kritisieren, aber mit so einem Drang in Richtung Big Music, Festival-Hauptbühne geschrieben, dass auch jede Spontanität, jede Wildheit zugunsten von kalkulierten „Ausbrüchen“ aufgegeben wurde.



Wertung: 5/10


Höhepunkt: Die erste Single „Inhaler“ ist ein gutes Beispiel für das ganze Album – sicher kein schlechter Song, aber drückt vorhersehbar alle Knöpfchen und wäre in einer gitarrenfreundlicheren Zeit vielleicht auch in Amerika groß geworden, kombiniert man hier doch ultraweiße Funkyness mit ordentlich geplantem Schreiausbruch. Hat hier jemand Nu Metal für Intellektuelle gesagt?


[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=oz8gD4TogKM[/youtube]


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kommentare

  • Was an einem Song wie „French Open“ toll sein soll, erschließt sich mir nicht. Keine wirkliche Melodie, bisschen zerhacktes Geklimper. Was dagegen „Spanisch Sahara“, „Blue Blood“ oder „Total Life Forever“ für Welten aufmachen! Sound- und melodietechnisch. Dass das Ganze dadurch kalkulierbarer wird, kann man als Qualitätsverlust sehen. Aber nur wenn man Unkalkulierbarkeit als besondere Qualität empfindet. Hört man die neueren Foals Alben nicht unter dieser Prämisse, bleibt tolle Musik mit – ja vorsicht – großen Melodien und sehr eigener Atmosphäre. Dass dabei richtig Abendslot Hauptbühne geschielt wird: geschenkt. Warum soll man kleckern, wenn man klotzen kann. Und die Betonung liegt auf können.

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