vonChristian Ihle 06.07.2017

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Eines der vielen Talente von Nino Aus Wien sind die treffenden Skizzen der Wiener Subkultur. Das Abhängen, das durch die Stadt schlurfen, das im Cafehaus sitzen, das im Beisl, Heurigen, Schanigarten trinken (oder wie auch immer die Österreicher zu ihren Lokalitäten halt so sagen). Dabei schafft Nino die Gleichzeitigkeit von beschreibender Distanz und sich selbst als zumindest begleitenden Beobachter einzubringen. Paradebeispiele für diese zigarettengeschwängerten Wien-Streifzug-Songs sind „Wiener Melange“ oder die Beschreibung eines Sommertages in „2004“ (beide aus dem „Bäume“-Album von 2014). Auf seinem neuen Album „Wach“ hat Nino Mandl nun wohl den Königssong für dieses Subgenre geschrieben, das präzise und doch poetische Bilder wie „Du sitzt mit dem Buch / Aus lederner Wut / Und hältst dir deine Ängste fest“ zeichnet und so etwas wie eine Zusammenfassung für das ganze Genre liefert: „Du meintest der Lebenssinn / Ist das Überleben und weiterwehen / Ein ewiges, nebeliges Hoch / auf die Boheme“:

Auf Bandcamp

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Du setzt dich in eines hinein
Du trinkst nicht aus Spaß
Es ist alles Arbeit

Man sagt
Du bist öfter hier
In letzter Zeit

Man lässt dich in Ruh
Nur ich schau dir zu
Wie du dir Schnäpse schenken lässt

Du sitzt mit dem Buch
Aus lederner Wut
Und hältst dir deine Ängste fest

Ich weiß wer du bist
Und verflucht
Du sprengst alle Ketten
Du zeichnest mit Blut
Ich hoff zumindest
Manchmal gehts dir gut

Die Tä­to­wie­rung
Auf deiner Brust
Mit Messern aus haltbarer Wucht
Hast du mir gezeigt vor Jahren
Und meintest
Ein Krieg für einen Kuss

Du bildest dir ein
Es ist alles ein Reim
Den du jetzt finden darfst
Das Messer
Am Boden des Herzens
Ist scharf

Wovon ist das Leben
Hast du mich gefragt
Wofür ist der Weg gedacht

Die Stimmen der Eltern
Die Schule der Nacht
Der Preis hat sein Feuer entfacht

Du meintest
Der Lebenssinn
Ist das Überleben
Und weiterwehen
Ein ewiges nebeliges
Hoch auf die Boheme

Nach einer Stunde
Des Ignorierens
Stehst du dann
Plötzlich vor mir sagst
He di kenn i zoist ma a Bier
Na sicher zoi i da a Bier

In deinem Buch sind drinn
Die schönsten Gedichte
Von mindestens Wien

Schad dass dich keiner kennt außer i
Schad dass dich keiner kennt außer i
Und dann noch die Kellner im Kaffee

(Foto von Christoph Hofer)

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