vonChristian Ihle 22.11.2018

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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„Bowie Horror Picture Show: War gestern in der gelobten LAZARUS-Inszenierung im Deutschen Schauspielhaus und weiß endlich wieder, warum man Theater so zweifelhaft bis scheisse findet.
Zielsicher sucht man sich die schmockigsten Bowie-Songs aus und jubiliert die meisten in voller Länge kaputt. Die Dramaturgie ist eine Frechheit: Auf Sätze folgt ein Song, dann wieder eine Dialogstelle, dann kommt wieder Gesang und die Schauspieler sprechen was, damit dann wieder ein Lied undsoödeundsofort. Die Texte sind unpointiert und leer, die erzählte Geschichte eh sagenhaft unsagenhaft, obwohl es um das gute alte Nicolas Roeg-Märchen geht.
Dazu erinnert die Choreografie lustigerweise an eine der (gar nicht mal so wenigen) schwer unsicheren Stilphasen Bowies, nämlich an die „Glass Spiders-Tour“; ist also die pure Pein. Und die alte Regel, dass man Bildschirme mit modernem zersplitterten Cutup-Polit-Medien-Terror im Theater dann einsetzt, wenn einem nichts mehr einfällt, befolgt der Regisseur Falk Richter auch ganz gern.
Investiert wurde in Kostüme, damit man weiß, dass Bowie ja der war, der sich öfter umgezogen hat. Zudem in ein Bühnenbild, das natürlich die Drehbühne nutzen muss (dafür ist sie ja da) und naheliegend einen Lichtsteg in Form eines Blitzes ins Parkett ragen lässt.
Es ist also alles da, was ein Erfolgsstück ausmacht: Unfassbar viel Geld für unfassbar wenig Ideen, die Strahlkraft eines toten Künstlers, der genau deshalb nicht interessant war, wofür er hier steht (nämlich Mummenschanz und Ungenialität) – und gute Schauspieler, die schauspielermäßig gut singen können.
Ich rate schwer ab.“

(Gereon Klug auf Facebook)

Anmerkung: obiges Foto stammt aus der Düsseldorfer Inszenierung von „Lazarus“, nicht aus der Hamburger.


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kommentare

  • Der Artikel knüpft sehr gut an das Grundproblem der gesamten Bowie-Rezeption an: dass die wenigsten verstehen, was an Bowie gut war.

    Bowie war von 1971 bis 1977 der beste Musiker der Welt, also von HUNKY DORY / THE MAN WHO SOLD THE WORLD bis zu den Kulminationspunkten LOW / HEROES inklusive der Iggy-Pop-LPs THE IDIOT / LUST FOR LIFE.
    Der Rest seines Oeuvres ist, grosso modo, mit Ausnahmen, durchschnittlich bis unsäglich, ebenso wie seine Ausflüge in andere Genres darstellender Kunst, das ganze Gelaber über „Chamäleon der Pop-Musik“ und die gesamte Idolatrie, die da mitschwingt.

    Mit den stattfindenden Hommagen werden aber primär die letztgenannten Sphären bespielt, da kann man sich auch gleich das Udo-Lindenberg-Musical anschauen.

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