vonChristian Ihle 15.08.2019

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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“Ein Familie-Clan, der über 1000 Jahre die mitteleuropäische Geschichte mit Kriegen, Vetternwirtschaft und Katastrophen heimgesucht hat, kommt nach den letzten beiden totalen Niederlagen wieder angelaufen und klagt auf die Aushändigung seines kriminell zusammengerafften Reichtums. Sollte es jemals bei den Clans, die sich selbst gerne Adel nennen, so etwas wie Scham, Ehre oder gar Seelenadel gegeben haben, die aktuelle Generation der Hohenzollern ist gänzlich bar davon.

Der brandenburgische Finanzminister Christian Görke hat darum das einzig richtige getan. Er ist in die Vorwärtsverteidigung gegangen und hat den Clan der Hohenzollern verklagt, maßgebliche Helfer für Hitlers Machtergreifung gewesen zu sein. Sollte ihm das Gericht die historisch belegte Mitschuld bestätigen, wäre jede Art der Entschädigung ausgeschlossen.

Dass nun historische Gutachten eingeholt werden, ist verständlich. Das Gutachten, dass der Clan eingeholt hat, birgt eine besondere Pointe. In ihm erklärt ein renommierter Historiker, dass der Hitler-Kollaborateur Wilhelm intellektuell gar nicht in der Lage gewesen sei, politische Sachverhalte zu überblicken. Das schlägt dem Fass nun endgültig den Boden aus. Erst wird die Welt in Schutt und Asche gelegt, dann will man sich bestätigen lassen, dass man zu blöd für den Job war, um sich danach eine riesige Entschädigung zu erquengeln.

Die Pointe von der feudalen Dummheit hat natürlich noch eine ironische Seite. Die Behauptung, jemand sei zu blöd für den Faschismus gewesen, kann nur ein versteckter Hinweis auf die Idiotie des ganzen Verfahrens sein. Denn zu blöd für den Faschismus zu sein, ist qua Faschismus-Definition ausgeschlossen.
(…)
Auf die zentrale Forderung, wieder in Schloss Cecilienhof oder einem anderen repräsentativen Gebäude auf Staatskosten residieren zu können, gäbe es von mir einen praktikablen Gegenvorschlag. Ich plädiere dafür, im neugebauten Berliner Stadtschloss ein bis zwei Zimmer dem Clan-Chef und seiner Familie zu überlassen.

Die völkerkundliche Sammlung, die das Schloss beziehen soll, ist im Moment vor allem mit der Frage beschäftigt, ob Völkerkunde überhaupt noch zeitgemäß ist. Würde man einen deutschen Traditions-Clan dort als lebendiges Exponat ausstellen, hätte man gleich mehrere Probleme gelöst.”

(Bernd Stegemann, Dramaturg des Berliner Ensembles, in Monopol über die Ansprüche der Hohenzollern)

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