vonChristian Ihle 09.06.2020

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Wie schon in „Good Time“, dem Vorgängerfilm der Safdie Brüder, wird auch in „Uncut Gems“ („Der schwarze Diamant“) der Hektik- und Stressfaktor auf allen Knöpfen hochgedreht: überlappende Schrei-Dialoge, mehr „Fucks“ als in Scarface, ständiges Telefongebimmel, pulsig-knisternder Soundtrack von Daniel Lopatin (Oneohtrix Point Never), Gehetze von einem New York zum nächsten, Adam Sandler auf ADHS.

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Hinzu kommt, dass die Safdies hier ihre Herangehensweise des Quasi-Dokumentarischem im Fiktionalen perfektionieren, ist diese Geschichte um Wettschulden und Rohdiamanten doch so punktgenau in einer echten Bewegung durch eine reale Welt gefilmt, dass sich ein erholsamer Eskapismus dadurch praktisch von selbst ausschließt.

Das ist natürlich anstrengend und ich bin mir auch wirklich nicht sicher, ob für die Erzähung, wie Adam Sandlers Figur im Streben nach dem großen Win einen riesigen Clusterfuck produziert, ernsthaft 130 Minuten nötig gewesen wären.

„Good Time“ ist alles in allem für mich die bessere Variante dieser Ausgangsposition (dort ist praktisch Robert Pattinson in dieser Rolle), da er erstens eine Fallhöhe statt einem gleichmäßigen Upgefucke produziert und Pattinsons Figur in „Good Time“ wenigstens Ansätze zeigt, *warum* er all das macht – Sandlers Figur hier allerdings ein egomanes Arschloch mit 16 Karat plus ist, dessen Motivation sich bestenfalls als filmische Darstellung der Pervertierung des Raubtierkapitalismus in der Mittelklasse lesen lässt.

Trotzdem hat „Uncut Gems“ eine manische Intensität, die manchmal schwer zu ertragen, aber auch nicht zu verneinen ist. Was den Film dann doch das Stückchen besser als „interessant“ macht, ist sein Ende, das so abrupt und überraschend und tragisch ist, dass es mich erwischt hat wie ich das in den 125 Minuten zuvor nicht erwartet hätte.

P.S.: wie man denken konnte, dass „Uncut Gems“ Oscarmaterial wäre, ist mir allerdings schleierhaft. Dagegen war „Parasite“ ein mundgerechtes Academy-Häppchen. Was nicht heißen soll, dass die Performance von Sandler nicht gut wäre: er ist hier abstoßend stark.

P.P.S.: Noch einmal eine gute Gelegenheit auf die Soundtrack-Arbeit von Daniel Lopatin (Oneohtrix Point Never) zu dem Vorgängerfilm der Safdie-Brüder hinzuweisen, der auf einer überraschend zarten Note in dieser Kollaboration mit Iggy Pop endet:

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