„In der Neuverfilmung von „Wir Kinder vom Bahnhof Zoo“ stimmt rein gar nichts. Eine Ära wird zur Freak-Show in Werbeästhetik degradiert, die Produktion erzählt nichts über Jugend und stellt Drogensucht als hippe Party dar. (…)
Eigentlich wünschte ich mir, alle Mitwirkenden würden ihre Klamotte ausziehen und verbrennen, bei diesem Ausstattungs- und Kostümdesaster. Und auch die Gebäude und Räume dieses neon-bunten Fake-Fantasy-Berlins, das wirkt wie der Schauplatz einer Seventies-Themenparty für russische Oligarchenkinder, sollte man gleich mitabreißen. In der ganzen Serie, die wie ein spießiger Abguss der visuell überwältigenden, mackermäßigen Filme von „Drive“- und „Neon Demon“-Regisseur Nicolas Winding Refn rüberkommt, stimmt vorne und hinten nichts.
Ich war ja bereits auf Facebook vorgewarnt worden. Dort hatten Freunde Kommentare hinterlassen wie: „Bibi&Tina-Christiane im Lenny-Kravitz-Musikvideo-Sound, dazu ein ‚Dark‘-Abklatsch-Soundtrack mit den falschen Bowie-Songs braucht leider KEINER. Mensch Christiane, da war ja damals die Mc-Donalds-Werbung noch besser.“ Oder „klamotten, haare, locations, grading – alles #fail“. (…)
Drehbuch und den Regieeinfällen, die die Leute ständig dazu zwingen, übertrieben, superkontrolliert zu spielen, zu grinsen, zu schreien, wie im Kabuki-Theater oder kühl neo-deutsch zu posen wie die Models auf einer Anne-Imhof-Performance. Ich denke, dass Natja Brunckhorst mit ihren Henna-Haaren, Parka und Palästinenser-Feudel einen der besten Looks der Filmgeschichte hatte, dass die Straßenmode, der Junkie-Style (sack-enge Jeans, knappe Cordjacken, Kunstleder, Kamm in der Arschtasche, riesige Umhängetaschen, Kaninchenfelljacke usw.) im Westberlin der späten 1970er unschlagbar ist. Man muss bei solch einer Stilvorlage schon ziemlich behämmert sein, um das zu verhunzen. (…)
um zu erklären, warum ich auf diese Art von „neu gedachten“ Serien und Filmen wirklich eimerweise kotzen möchte, warum ich sie nicht einfach nur für verlogen und lahm halte, sondern für dreist und für ideologische Propaganda, muss ich etwas ausholen. (…) Dass diese Serie stilistisch und dramaturgisch so grottenschlecht ist, kratzt mich nicht wirklich. Es kratzt mich auch nicht, dass sie nicht „authentisch“ oder zeitgetreu ist.
Mich stört, dass die Produzenten, der Regisseur und das Team die ganze Geschichte, diese Ära, die ich als Zuschauer und Akteur miterlebte, lediglich als Folie für eine Art Karneval, Freak-Show oder Diversity-Spektakel sehen – für visuelle Effekte, für pseudo-schockige Szenen, surreale Einfälle. (…)
Diese Christane F.-Welt korrespondiert mit nichts außer dem Selbstverwirklichungswillen ihrer Schöpfer, die fest entschlossen sind, mit allen Mitteln einen internationalen Blockbuster zu fabrizieren. (…) Die Geschichte wird aus einer sicheren Warte von Spießern für Spießer erzählt.“
(Oliver Koerner von Gustorf im Monopol Magazin)
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