Nachdem langsam etwas Normalität einkehrt steht auch das Reeperbahnfestival wieder auf dem Programm, das sich zum wichtigsten kontinentaleuropäischen „Showcase-Festival“ gemausert hat und damit zum „South By Southwest“ Deutschlands geworden ist.
Neben den größeren Namen, die viele sowieso bereits auf dem Zettel stehen haben dürften, hier zwölf junge Acts, die mir viel versprechen:
Jealous:
Die Wahlberliner spielen wilden Garagenrock, der von Gun Club ebenso beeinflusst ist wie er den Glam von T.Rex atmet. Waren für mich die beste Neuentdeckung auf dem letzten Synästhesie-Festival.
BSI:
Isländisch-Berliner Gitarrenpop, der an das erste Gurr-Album erinnert und seinen Debütrelease wunderbar mit „Sometimes Depressed, But Always Antifascist“ betitelt hat.
Laura Lee & The Jettes:
A propos Gurr! In Ermangelung eines neuen Gurr-Albums geht der Blick auf die Solowerke der beiden Frontfrauen Laura und Andreya. Während Andreya Casablanca gerade mit den Briten von Public Service Broadcasting Marlene Dietrich gecovert hat („Blue Heaven„), hat Laura Lee eine Zweitband eröffnet, die nach anfänglich rockigeren Orientierung nun stärker in Richtung Pop-Shoegaze geht.
Working Men’s Club:
Die Debüt-Single kam noch aus der „klassischen“ Talking-Heads-via-The-Fall-Post-Punk-Schule, doch in der Zwischenzeit haben die Briten einen ganz eigenen Hybriden aus ihren David Byrne / Mark E Smith – Einflüssen und einen härteren Tanzsound entwickelt, den ich in Ermangelung eines Genres jetzt mal Industrial-Dancefloor nennen möchte.
Thala:
Leicht countryfizierter Dream-Pop wie ihn Mazzy Star einst so schön vorgetragen hat. Das gerade erschienene Debüt ist Album der Woche von Flux bis ByteFM.
Edwin Rosen:
Wer wie ich immer noch den New-Wave-Drangsal vom ersten Album vermisst, darf ein Ohr in Richtung Edwin Rosen drehen, der schön minimalistischen Früh80er Synthie spielt: „Verschwende deine Zeit“ ist der Hit.
Mind Enterprises:
Italo Disco is alive & kicking mit Mind Enterprises. 80er Synthies zwischen The Flirts, Sabrina und Trans-X.
Betterov:
Ein Singer-Songwriter fürs Stadion – in seinen besten Momenten ist das nicht nur groß und schreit nach heftigem Erfolg, sondern auch sehr gut wie bei „Viertel vor Irgendwas“. An anderer Stelle vielleicht etwas zu unheilig dick aufgetragen, aber mal sehen in welche Richtung die weitere Karriere gehen wird.
Francis Of Delirium:
Eine multinationale Band (Luxemburg, Kanada, USA), die besten grungy Indie der 90er spielt wie im mitreissenden „Quit Fucking Around“.
Joachim Franz Büchner Band:
Joachim Franz Büchner ist einer der „Bürgermeister der Nacht“ und veröffentlicht nach deren letztem, ziemlich guten Album „Viel Spaß in der Zukunft!“ von 2019 gerade im Moment sein Solo-Debüt, das sich mehr in Richtung sophisticated pop orientiert.
King Hannah:
Verspulter Liverpooler Auf-den-Boden-starr-oder-in-die-Luft-guck-Rock, der ebenso stark von der Gitarrenarbeit Kurt Viles beeinflusst ist wie von Shoegaze-Sound britischer Prägung.
Hawel/McPhail:
Das neueste Nebenprojekt des vierten Tocotronic Rick McPhail mit dem Tigerbeat-Mann Frehn Hawel ist No-Bullshit-Indierock direkt aus der Garage.
Working Men’s Club widmeten ihr Set dem verstorbenen Cabaret-Voltaire-Gründer Richard H. Kirk, nachdem sie schon zu „Nag Nag Nag“ auf die Bühne kamen. Was angesichts der frontalen Lärmattacke der Band auch sehr passend war.