Todd Haynes Blick auf die wichtigste Band der Welt beginnt weit vor deren Gründung und fasst zunächst vor allem das Umfeld ins Auge, in dem The Velvet Underground gedeihen würden:
Die Kunst- und Off-Szene New Yorks, die künstlerische Avantgarde jeder Façon, die im Big Apple nach dem zweiten Weltkrieg zusammenfand und Kultur neu dachte.
Haynes achtet dabei auch nicht nur auf Warhol, sondern genauso auf die Filmszene um Jonas Mekas und den Sound der Avantgarde von John Cage bis La Monte Young, die vor allem für John Cales Anteil an The Velvet Underground entscheidend waren.
Hier spürt man auch Haynes‘ Bemühen, die Velvets nicht auf „Lou und Kollegen“ zu reduzieren, sondern insbesondere John Cale einen gleichgroßen Anteil an der Band zu geben – was sicherlich auch ganz im Sinne der späteren Jonathan Richman Lyrics ist: „Both guitars got the fuzz tone on / The drummer’s standing upright pounding along / A howl, a tone, a feedback whine / Biker boys meet the college kind / How in the world were they making that sound? / Velvet Underground“.
Dennoch übersieht Haynes nicht, welchen Impact Lou Reed auf die Geschichte der Musik hatte. Reeds unerhörte Lyrics fanden dank John Cale (und Sterling Morrison sowie Maureen Tucker) ihre Entsprechung in einem Sound, der so in der Popkultur bis dahin nicht stattgefunden hatte. Auch wenn The Velvet Underground zu Lebzeiten einen kommerziellen Flop nach dem nächsten lieferten, kann man die Musikgeschichte gern in eine Zeit vor und nach den Velvets teilen.
Kurios an Haynes‘ Velvet Underground – Doku ist dabei die Mischung aus dem schematischen talking heads- Konstrukt (MVP: Jonathan Richman!) und einer Bebilderung durch avantgardistische Kunstfilme aus den 50ern und 60ern.
Warhols „Screen Tests“, Einblicke in seine „Factory“ und die wenige Liveaufnahmen machen „The Velvet Underground“ zu einer Musikdokumentation, die tatsächlich so cool aussieht wie damals die sonnenbebrillte, lederbejackte, schwarzbehoste Band selbst, die eiseskalt in die blumenbunte Hippielandschaft blickte.
o.k., aus musikhistorischer Perspektive ist VU & NICO wohl unerreicht. Ich habe früher oft WHITE LIGHT / WHITE HEAT als Nummer 1 aufgeführt, weil das irgendwie so cool wirkt, muss aber gestehen, diese LP nie genussvoll von vorn bis hinten durchgehört zu haben.