Axiom (Regie: Jöns Jönsson)
Ein faszinierender Film über einen notorischen Lügenbold im Kleid eines typisch deutschen „End20er auf der Suche nach sich selbst“-Genrebeitrags.
Jöns Jönsson inszeniert die Einführung sehr geschickt: mit den anderen Charakteren des Films entdecken wir erst nach und nach, wie weit Julius geht, um seine Lügengebilde aufrecht zu erhalten. Julius macht das ohne Not, sondern aus dem Drang nach Anerkennung und Bewunderung. Er belügt jeden und alle: seine Kollegen, seine Freunde, seine Mitbewohner, seine Familie. Es sind kleine, geschickte Flunkereien und es gibt große, fantastische Lebenslügen – Julius beherrscht jede Spielart des Falschseins und kann anscheinend gar nicht anders, als ständig jedem etwas vorzuspielen.
„Axiom“ ist so herzzerreissend wie spannend inszeniert, denn ständig könnte die eine oder andere Lüge aufgedeckt werden und das Kartenhaus seines falschen Lebens in sich zusammenbrechen. Dass dieser aalglatte, krankhafte Lügner nicht eine reine Hassfigur für den Zuschauer wird, sondern man kaum anders kann, als doch mitzufiebern, ist ein großes Verdienst von sowohl Moritz von Treuenfels in der Hauptrolle als auch der Regie von Jöns Jönsson, der all die Volten nachvollziehbar in seinen Film baut und so trotz dieser reinen Vorspiegelung auf der Oberfläche einen echten emotionalen Kern schafft.
Vielleicht mein liebster Film auf der diesjährigen Berlinale.
Der menschliche Faktor
Gibt es eigentlich einen griffigen Namen für dieses Subgenre der Bourgeoisie-Sezierung unter dem Anstoss eines ungreifbaren äußeren Ereignisses? Wir reden also bei „Der menschliche Faktor“ von einem Verwandten von Hanekes „Caché“, Ruben Östlunds „Force Majeur“ oder Dominik Molls „Lemming“.
Im „Menschlichen Faktor“ ist es ein Einbruch ohne Diebstahl – der stattgefunden hat oder auch nicht – der die fein austarierte Ehe des Pärchens ins Wanken bringt, der sie ihr wohlsituiertes Leben zwischen Agentur, Eigentumswohnung und Familie hinterfragen lässt.
Dank überzeugender Performance von Sabine Timoteo und Mark Waschke (Noah aus „Dark“) bleibt dieser Blick in das Leben zweier Unsympathen mit First-World-Problems griffig genug, um gern bis zum Ende hinzuschauen.
Was genau mir „Der menschliche Faktor“ nun aber sagen will?