vonChristian Ihle 25.02.2023

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Roter Himmel (Regie: Christian Petzold)

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Petzolds bester Film seit „Yella“ und „Wolfsburg“!

Der Großmeister der strengen Berliner Schule beginnt „Roter Himmel“ wie eine französische Sommerkomödie. Die Buddies Felix & Leon machen einen Ausflug an die Ostsee, in das Ferienhaus von Felix‘ Eltern, um dort am neuen Buch weiterzuschreiben (Leon) oder ein Portfolio für die UdK (Felix) zusammenzustellen. Doch potzblitz, als sie ankommen, hat sich schon die freigeistige Nadja eingenistet, die als Eisverkäuferin sommerjobt, mit Bademeistern laut die Nächte verbringt und auch sonst für ordentlich Aufregung und Verwirrung vor allem bei Leon, einem Grummelbären vor dem Herrn, sorgt.

Leon (Thomas Schubert) ist die interessanteste Figur: ständig mit irgendetwas unzufrieden, macht es ihn nur noch passiv-aggressiver, dass alle um ihn herum auch noch die Frechheit besitzen, einen guten Tag zu haben und die Sommerfrische an der Ostsee genießen wollen!

Daraus zaubert Petzold richtig lustige Momente der social awkwardness, die umso stärker wirken, weil Nadja (Paula Beer, bezaubernd wie immer) lange durch diesen Film flattert, als könnte nichts ihr Gemüt trüben.

„Roter Himmel“ macht so viel Spaß, dass man gern verdrängt, wie doch von Beginn an immer wieder vom kommenden Unglück im Hintergrund geraunt wird. Die Konzentration auf das eigene Ego verhindert auch bei allen Charakteren, dass sich jemand mit kommenden Katastrophen befassen könnte. Doch Petzold macht daraus keine simple Baum-Umarm-Message, sondern geht tiefer, in das Persönliche: in den Moment, wenn die Gewissenheit über die Wichtigkeit des Selbst durch das Außen erschüttert wird.

„Roter Himmel“ ist zu zwei Dritteln leicht wie eine Sommerbrise und brennt im letzten Drittel wie eine Feuerwalze.

Sisi & Ich (Regie: Frauke Finsterwalder)

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Na, auch kürzlich gedacht „wäre doch mal schön, wenn sich jemand der Sisi-Geschichte in Film & Fernsehen annehmen würde“?
Waren zwei Serien und ein Film noch nicht genug in den letzten beiden Jahren?
Keine Angst, hier kommen Frauke Finsterwalder und Christian Kracht mit einem neuen Take auf die österreichische Kaiserin!

Natürlich sind auch Finsterwalder/Kracht weit entfernt von Romy-Schneider-Kitsch of yesteryear und damit näher an Marie Kreutzers „Corsage“, aber spielen das kindliche Gemüt der Kaiserin noch stärker aus. Sie begegnen der Tatsache, dass Sisi sich als Kaiserin langweilt nicht, indem sie wie Kreutzer vor allem die Langeweile in den Hofritualen zeigen, sondern mit Sprughaftigkeit: gemeinsam mit ihrer Entourage macht Sisi Ausflüge nach Griechenland, England und in die Wüste. Dort werden Hindernisläufe über Blumenkästen veranstaltet, Haschisch geraucht, Lashflashs bekommen oder englischen Jünglingen der Kopf verdreht.

Das hat in „Sisi & Ich“ oft seinen Charme und bietet durch das „Ich“ auch die zusätzliche Perspektive von Sandra Hüllers Charakter, der Sisi in ihrem bipolaren Leben unterstützen soll. Allerdings weiß Finsterwalder nun auch nicht so viel neues zu erzählen, dass die zwei Stunden Spielzeit kurzweilig genug wären und ist „Sisi & ich“ nicht so bissig wie ihr toller Debütfilm „Finsterworld“.

So bleibt wirklich sehr gut aussehendes, auf Film gedrehtes Kino, eine tolle Darstellerriege (v.a. Sandra Hüller & Georg Friedrich) und fantastische Kostüme, die gerade nicht in KuK-Kitsch versinken, sondern eine moderne, aufregend luftige Interpretation dieser Kleidung bieten.

The Siren (Regie: Sepideh Farsi)

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„The Siren“ erzählt aus der Perspektive eines Teenagers vom Ausbruch des Iran-Irak-Kriegs in den frühen 80ern. Während Mutter und kleine Schwester in ein noch nicht angegriffenes Landeseck fliehen, zieht der große Bruder an die Front.

Der vierzehnjährige Omid bleibt zurück, um sich um Opa und die Tiere zu kümmern. Nach und nach lernt er andere Bewohner im belagerten Ort kennen. Gemeinsam bilden sie eine Schicksalsgemeinschaft aus Misfits und Weirdos, die nur zusammen dem Angriff widerstehen können.

„The Siren“ ist mit reduzierten Pinselstrichen in 2D animiert und schafft es gut, die zurückgelassene Gemeinschaft zu entwickeln und die einzelnen Charaktere herauszuarbeiten. Wenn am Ende Omid die gemeinsame Flucht organisiert, steigt die Dramatik und „The Siren“ wird zum Nägelkauer.

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