Sonne und Beton (2023, Regie: David Wnendt)
im Kino
Ein Jugenddrama in den deutschen Projects, ein in den frühen 2000ern spielender Hip-Hop-Film für das Jetzt, eine Literaturverfilmung, die so dermaßen knallt, wie ich lange keine mehr im deutschen Kino gesehen habe.
Eine simple wie unnötige Konfrontation unter Teenagern im Park vor einem Neuköllner Hochhaus eskaliert in Drogenstreitigkeiten, so großangelegte wie amateurhaft ausgeführte Raubzüge, verzweifelte Hehlernotwendigkeiten, Schulkatastrophen und familiäre Zusammenbrüche.
„Sonne und Beton“ ist grell, direkt und in your face wie die Faust des leicht älteren Drogendealers von nebenan. Ständig edge of your seat. Keine Ruhe, keine Sekunde. Brennt gnadenlos.
Manchmal ist mir David Wnendts ADHS-Regiestyle zwar wirklich zu viel, aber im Gegensatz zu all seinen anderen Filmen gelingt ihm hier eben trotzdem der emotionale Punch und vermeidet er zugleich jegliche Sozialarbeiteranmutung, ohne die deutsche Filme in Berliner Abgehängten-Siedlungen normalerweise nie können.
Das Casting zudem: ideal. Keine bekannten Gesichter, alle wirken geradezu unangehm authentisch und inbesondere mit seinen vier jungen Debütanten im Zentrum ist „Sonne & Beton“ ein Glücksgriff gelungen. Besonders überzeugend Aaron Maldonado-Morales als Sanchez mit einem natürlichen Charisma, das jede Szene gewinnt.
VIEL BESSER als erwartet.
Auf das, was wir lieben (OT: À nos amours / 1983, Regie: Maurice Pialat)
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Very Frankreich: eine 16jährige sucht Ablenkung von ihrer dysfunktionalen Familie in Promiskuität, etliche Nacktszenen der tatsächlich zum Dreh 16 Jahre alten Sandrine Bonnaire inklusive.
Das mal als Caveat vorweggenommen, ist Pialats Spielfilm am ehesten als impressionistische Abhandlung über fehlende emotionale Bindung und die daraus weitergegebenen, emotionalen Verletzungen Dritter zu sehen. Wobei ‚impressionistisch‘ hier mehr die Gefühle des suchenden, oft undurchsichtig wankelmütigen Bonnaire-Charakters meint (die übrigens in ihrem Filmdebüt hier eine sehr starke Performance gibt), denn geschrieen, geschlagen und geschimpft wird im Film eigentlich ständig recht expressionistisch. Das ist manchmal wirklich schwer zu ertragen, gipfelt aber in einer phänomenalen Dinnerszene gegen Ende, die komplett improvisiert gewesen sein soll.
Nothing Personal (2009, Regie: Urszula Antoniak)
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Wortkarger Film über zwei verlorene Seelen, die widerwillig ein Auskommen miteinander finden. Eine namenlose Drifterin beginnt im Garten eines älteren Mannes zu arbeiten, der selbst von Depressionen geplagt ist. Beide wählten ein Leben in Einsamkeit, nun ergänzt sich ihre Leere gegenseitig.
Mir ein wenig zu ruhig und zu wenig erklärend, als dass ich einen Zugang zu den beiden Figuren gefunden hätte. Immer wenn etwas bedrohliches durchschimmert, hat der Film seine stärksten Momente.
Die Mörder sind unter uns (1946, Regie: Wolfgang Staudte)
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Ein Klassiker der frühen Aufarbeitung der Nazi-Verbrechen: bereits 1946 drehte Wolfgang Staudte „Die Mörder sind unter uns“, eine Anklage gegen die Kontinuität in der Gesellschaft und gegen linientreue Nazis, die skrupellos nach Kriegsende in prominente Positionen wechseln.
Das allein macht Staudtes Film – übrigens der erste deutsche Spielfilm nach dem zweiten Weltkrieg – schon wertig genug als Zeitdokument und lässt vielleicht manche Holprigkeit übersehen. Hildegard Knefs Rolle ist nicht sonderlich stark herausgearbeitet & der Gegenspieler des Exnazi-Firmenbosses ist ein von Kriegserinnerungen geplagter Wehrmachtsoldat.
Bemerkenswert allerdings zweierlei: wie Staudte seinen späteren Helden anfangs als unerträglichsten Charakter zeichnet sowie eine Rückblende an ein Kriegsweihnachten, die einem die Kehle zuschnürt.
Elser (2015, Regie: Oliver Hirschbiegel)
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Hirschbiegel entscheidet sich in seiner Verfilmung des Hitler-Attentats durch Georg Elser für die Drama- und nicht die Thriller-Variante.
Gleich zu Beginn sehen wir Einbau der Bombe, Explosion, Festnahme. Die folgenden eineinhalb Stunden speisen sich dann aus Folterungen, Erklärungen – und Rückblenden. In den Flashbacks wird Elsers Leben davor gezeigt, die familiäre Situation, seine Liebschaften und seine Radikalisierung. Hirschbiegel vermeidet dabei eine allzu große Heroisierung und zeigt Elser durchaus mit Schwächen in seinem Privatleben.
Richtig mitreissend wird „Elser“ dadurch aber gerade nicht. Die stärksten Momente hat Burghart Klaußner in einer starken schauspielerischen Performance als Nazi-Offizier, der Elser zum Geständnis bringen soll und durch diese Unterhaltungen erste Zweifel am Regime gewinnt, was sich später in seiner Beteiligung am Stauffenberg-Attentat niederschlagen wird.
Steiner – Das Eiserne Kreuz (1977, Regie: Sam Peckinpah)
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Sam Peckinpahs „Steiner“ ist natürlich ein groß krachender, pathosbeladener und sich in Slow-Motion-Schußszenen gefallender Zweitweltkriegs-Klassiker, der 1977 ein Kinokassenhit in Deutschland war (vierterfolgreichster Film des Jahres* mit 3,6 Millionen Zuschauern).
Bemerkenswert ist die Fokussierung auf deutsche Nazi-Soldaten in dieser Verfilmung durch einen amerikanischen Großregisseur. Verstärkt noch dadurch, dass Drehbuch & Peckinpah den zentralen Film-Konflikt zwischen Unteroffizier Steiner & Hauptmann Stransky nicht etwa zwischen abweichelndem Soldaten und linientreuem Nazi aufbauen, sondern auf eine Working Class (Volk) vs. Establishment (Aristokratie) Zuspitzung zulaufen, bei der beide Seiten Hitler verabscheuen.
„Steiner“ hat seine Längen, ist aber immer dann stark, wenn James Coburn in der Hauptrolle den schützengrabenerfahrenen Querkopf-Kämpfer gibt und auf Maximilian Schells egogetriebenen, Salon-Soldaten stößt.
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* Die Box Office in Deutschland 1977:
1. Bernard und Bianca – Die Mäusepolizei: 9.767.000
2. James Bond 007 – Der Spion, der mich liebte: 5.350.000
3. Zwei außer Rand und Band: 7.200.000
4. Steiner – Das Eiserne Kreuz: 3.600.000
5. Ein irrer Typ: 3.150.000
6. The Rocky Horror Picture Show: 2.750.000
7. Schlappschuss: 2.100.000
8. Verschollen im Bermuda-Dreieck: 1.900.000
9. Der tolle Käfer in der Rallye Monte Carlo: 1.700.000
10. Die Brücke von Arnheim: 1.600.000