Blitz (2024, Regie: Steve McQueen)
im Kino, ab Ende des Monats auf AppleTV
Überraschend konventionelles Zweitweltkriegsdrama von Steve McQueen.
„Blitz“ erzählt die Odysee eines Jungen mit weißen wie schwarzen Wurzeln durch das blitzkrieg-zerbombte London. Auf seinem Weg trifft er die Guten wie die Bösen und sein Eigensinn und Überlebenswille retten ihn aus manch gefährlicher Situation.
McQueen erzählt diese beschwerliche Reise wie in einem 90er-Jahre-Oscar-Drama als Ausstattungsfilm der alten Art. Auf der einen Seite bin ich fast geneigt, diesen Ansatz aufgrund seines heute so seltenen Auftretens schon wieder nostalgisch gut zu finden, muss mich dann aber wieder daran erinnern, dass diese Art Kino schon in den 90ern altbacken gewirkt hatte.
Ein ohne Frage ordentlicher Film, dem bis auf seinen Willen, immer wieder den Alltags-Rassismus der britischen Gesellschaft zu thematisieren, aber auch das Besondere fehlt.
P.S.: überraschend die verhältnismäßig große (und gut gespielte) Nebenrolle von Paul Weller. Habe allerdings den Modfather den ganzen Film hinweg für Jeremy Irons gehalten! (6/10)
Anora (2024, Regie: Sean Baker)
im Kino
Sean Bakers Cannes-Gewinner ist ein wilder Ritt durch eine New Yorker Nacht, der das ziellose Herumstreunern von Jim Jarmusch mit der ADHS-Manie der Safdie-Brüder verheiratet.
Bakers Geschichte um eine junge Sex-Arbeiterin, die von einem russischen Oligarchen-Sohn geangelt wird, ist wild, komisch, heftig – aber auch mit einer rauhen Emotionalität, die man zunächst nicht erwarten würde. Erneut gelingt es Baker, den Abgehängten des Landes eine Stimme und eine Präsenz zu geben, und zu demonstrieren, wie Geld alles und jeden korrumpiert. Doch hebt „Anora“ nie den moralischen Zeigefinger, sondern nimmt die Tatsache des Warencharakters des modernen Lebens zunächst als gegeben hin, um die Rebellion gegen die Umstände zu zeigen – auch wenn es eben „nur“ darum geht, endlich genug Geld für ein besseres Leben zu haben. Für die Systemfrage haben seine Figuren weder die Zeit noch die Muße.
„Anora“ ist einer der mitreissendsten Filme des Jahres. (8/10)
Miller’s Girl (2024, Regie: Jade Halley Bartlett)
auf amazon prime
Die frühen 90er haben angerufen und hätten gern ihren Nymphen-Erotik-Thriller zurück!
Beinahe schon faszinierend, dass jemand tatsächlich 2024 diese Liebes-und Betrugs-Geschichte um eine junge, intelligente Bitch und ihren zutraulichen, aber naiven Lehrer noch ins Kino bringt. Ich sag’s mal so: hätte mit Jade Halley Bartlett nicht eine Frau diesen Film geschrieben und gedreht, ich glaube nicht, dass das noch akzeptiert werden würde.
Aber das ist halt auch kein Freibrief, denn das Drehbuch ist dennoch schwülstig und geradezu lachhaft prätentiös in seiner eigenen literarischen Besoffenheit. Dank der starken Besetzung mit Jenna Ortega als Goth-Poison-Ivy und Martin Freeman als Lehrer, der nicht weiß, wie ihm geschieht, rein auf dem Entertainment-Level zumindest kein langweiliger Film, auch wenn „Miller’s Girl“ zum Schluss schlicht implodiert und einfach endet, ohne Punkt, ohne Idee, ohne Aussage. (5/10)
Watchmen: Chapter I (2024, Regie: Brandon Vietti)
Eine sehr werkgetreue, animierte Version von Alan Moores großem Meisterwerk, das zuletzt vor 15 Jahren von Zack Snyder in einer durchaus umstrittenen, aber letztlich doch mitreissenden Live-Action-Version auf die Leinwand gebracht wurde.
Inhaltlich hält sich Brandon Viettis „Watchmen“ so sehr ans Buch, dass man möglicherweise diskutieren könnte, ob hier für einen Leser überhaupt ein Mehrgewinn enthalten ist, andererseits ist Moores Geschichte so irre gut und vielschichtig, dass man sie gar nicht oft genug sehen/lesen/hören kann.
„Watchmen“ bleibt die Krone der Graphic Novel und Viettis „Chapter 1“ ist eine angenehme Erinnerung an die Größe der Geschichte. (7/10)
The Manson Family (1997, Regie: Jim Van Bebber)
auf plex kostenlos zu sehen
Eben so sehr wie die verstörende Qualität von Jim Van Bebbers Filmen ist ihre Produktionsgeschichte interessant. Sein Debüt „Deadbeat at Dawn“ war ein spät 80er-Revenge/Exploitation-Film, den der 21jährige van Bebber über einen Zeitraum von vier Jahren mit gerade einmal 10.000 Dollar gedreht hat. Sein einzig anderer Langfilm, „The Manson Family“, hatte eine über zehnjährige Entstehungsgeschichte und galt lange als nie fertiggestellt.
Inhaltlich ist „The Manson Family“ im Grunde ein True-Crime-Film über den titelgebenden Kult. Viel Blut, Nacktheit, Drogen und Geschrei inklusive. Vor allem in seiner zweiten Hälfte wird „The Manson Family“ immer verstörender und greift uns Zuschauer direkter an – ich war manchmal an die besten Momente von Rob Zombie mit „The Devil’s Rejects“ erinnert.
Weird und stark, lediglich das Schauspiel der – zumindest ihren leeren imdb-Profilen nach zu urteilenden – Laienschauspielerinnen war manchmal zu kreischig, was aber zugegebenermaßen auch wieder eine gewisse Verstörungsqualität dem Film zuführte.
Ein Film eines echten Horror-Auteurs, der selbst in diesem Misfits-Sammelbecken von einem Genre noch ein Außenseiter bleibt. (8/10)
Black Box (2021, Regie: Yann Gozlan)
zur Leihe
Immer toll, wenn ein aktueller Film das schöne 70ies Genre des Paranoia-Thrillers ausgräbt und handwerklich gut umsetzt.
Auch wenn die Logiklöcher in diesem französischen Film um eine verschwundene Black Box so groß sind, dass ein Flugzeug durchfliegen könnte, funktioniert Exposition und Spannungsaufbau so gut, dass man als Zuschauer gar nicht darüber nachdenken mag.
Kurzweilige zwei Stunden Krimi-Unterhaltung. (6/10)
Der Samurai (2014, Regie: Till Kleinert)
auf plex kostenlos zu sehen
Rätselhafter und durchaus verstörender Horror(?)-Film, der in einem norddeutschen Dorf spielt.
Erst zieht ein Wolf durch die Wälder, dann taucht ein cross-dressender Samurai auf – und die restliche Nachtwache des jungen Polizisten wird zu einem Blutbad bis am Ende nicht nur das Samuraj-Schwert steif ist.
Um wirklich Spannung oder Angst zu erzeugen ignoriert „Der Samurai“ zu sehr die Plot-Ebene, aber atmosphärisch ist das stark gemacht.
Wundert schon, dass Regisseur/Autor Till Kleinert – neben einer Webserie und des Drehbuchs zum Sky-Original „Hausen“ – in den letzten zehn Jahren keinen Film mehr gedreht hat. (5/10)
Ich dachte erst: Hä? Steve McQueen? bis zu einer kurzen Recherche.
Assoziation und Playlist für heute Abend: Prefab Sprout STEVE MCQUEEN. Mit dem genialen Motorrad-Cover. Und „WHEN LOVE BREAKS DOWN“ und so weiter.