Wilhelm Röpke war einer der einflussreichsten Intellektuellen der deutschen Nachkriegszeit. Als Berater Ludwig Erhards und Konrad Adenauers war er einer der Architekten des deutschen Wirtschaftswunders und der sozialen Marktwirtschaft. Sein Biograph Samuel Gregg erinnert uns daran, dass Röpke ein buchstäbliches Wunderkind war, der es bereits mit Mitte 20 zur Professur brachte. Er war einer der wenigen öffentlichen Denker seiner Zeit und trug mit vielen Zeitungsartikeln zum gesellschaftlichen Diskurs bei. Als Wirtschaftsphilosoph erforschte er das Zusammenspiel zwischen Wirtschaft Kultur, Religion, Politik und Recht.
Seine Arbeit hatte auch international großen Einfluss. So hat Quinn Slobodians Buch „Globalisten“ Röpkes Beitrag zur heutigen globalen rechtsgestützten Weltwirtschaftsordnung ideengeschichtlich aufgearbeitet. Röpke war einer der wenigen deutschen „Vorzeige-Intellektuellen“ der frühen Nachkriegszeit, da er den Nationalsozialismus so vehement und öffentlich abgelehnt hatte, dass es ihn in der NS Zeit als einen der ersten deutschen Professoren den Lehrstuhl gekostet hat. Kein Wunder also, dass heute Straßen und Schulen nach ihm benannt sind.
Slobodian stellt auch heraus, dass Röpke ein Rassist war. Er verteidigte die Apartheid und bezeichnete südafrikanische Schwarze nicht nur als Menschen einer anderen Rasse sondern einer anderen Zivilisation. Dennoch ist Röpke bis heute nicht diskreditiert, denn sein geistiges Erbe lebt bis heute in der deutschen und globalen Wirtschaftsordnung fort. Anders als bei rassistischen Intellektuellen der NS Zeit, ist eine Kritik Röpkes nicht nur eine Verdammung der Vergangenheit, sondern wirft auch unbequeme Fragen für die heutige Gegenwart auf.
Röpkes internationale Ordnung endete an den Grenzen des euro-atlantischen Raums. Seine Vision der globalen Wirtschaftsordnung war explizit nur auf die Mehrung des Wohlstands weißer Völker ausgerichtet, denn für Schwarze etwa in den USA oder in Südafrika hatte er wenig übrig. Für ihn war Kolonialismus ungerecht, weil sich Kolonialmächte lukrativere Kolonien gesichert hatten als andere. Gleichzeitig argumentierte er, dass Kolonialismus ausschließlich politische Ziele verfolge und nicht der Wohlstandsmehrung der Kolonialstaaten dienlich sei.
„Das Problem der gerechten Verteilung der Rohstoffe ist also kein politisches Problem der internationalen Neuordnung, oder der internationalen Organisation, sondern ein ökonomisches Problem der Neuordnung der Weltwirtschaft, und zwar einer solchen, die allein dieses Namens würdig ist, d.h. der liberalen.“ (Röpke, 1945)
Röpke befürwortete eine radikal liberalisierte und kapitalistisch organisierte Weltwirtschaft. Gleichzeitig sprach er sich gegen Entwicklungshilfen für postkoloniale Staaten aus und stellte ihre Glaubwürdigkeit und damit auch die Vergabe günstiger Kredite an sie in Frage. Er fand, dass postkoloniale Staaten ihre neuerlangte Souveränität ausschließlich im politischen Terrain ausüben sollten, nicht aber im wirtschaftlichen. Im Gegensatz zu ihnen wäre Nachkriegsdeutschland, welches auf Entwicklungshilfen angewiesen war, als Teil der christlich-liberalen Welt technologisch und wirtschaftlich überlegen und damit investitionswürdig. Röpkes Vision von weißer Dominanz erforderte keine Armeen. Er verstand, dass eine herbeigeschworene weiße Kulturgemeinschaft, freier Handel und eingeschränkte postkoloniale wirtschaftliche Souveränität viel effektiver sein könnten und er hat recht behalten.
Lys Kulamadayil (@kulamadayil) ist SNSF Post-Doc an der Universität von Amsterdam und Gastforscherin am Global Governance Centre am Graduate Institute of International and Development Studies in Genf.