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Der Bär flattert in östlicher Richtung.
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Am Donnertag brachte uns die Post diese Peperoni, Freunde aus Köln hatten sie auf ihrer Dachterrasse geerntet. Also beschlossen wir, am Wochenende ungarisches Gulasch zu kochen.
Peperoni, Foto: Barbara Kalender
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1986 waren wir wegen einer Recherche zum März-Buch ›Wir hielten die Vernichtung an. Der Kampf gegen die „Endlösung“ 1944‹ von Andreas Biss in Budapest unterwegs.
Unsere Dolmetscherin führte uns zu den Orten, die bei Biss genannt sind. Am Ende der Recherche luden wir sie zum Abendessen in ein Restaurant ein, es liegt über der Stadt neben der Fischerbastei. Als Vorspeise nahmen wir Gänseleber mit Apfelscheiben – eigentlich verboten, musste aber mal sein. Nach dem Gulasch – »Sehr gut, aber wissen Sie, liebe Dame, ich mache ihn noch ein klein wenig besser!« – revanchierte sich die nette Madame Vicenty für die Einladung und schrieb Barbara ihr Rezept auf: 1000 g Rindfleisch, 500 g Kartoffeln, 4 bis 5 Zwiebeln, 4 bis 5 Tomaten, 3 bis 4 gelbe Rüben, 2 bis 3 Petersilienwurzeln, 1/2 Sellerie, 4 Paprika-Peperoni, 2 Eßlöffel Rosenpaprika, Kümmel, Salz und Schmalz. Die Zwiebeln in Schmalz glasig dünsten, dann das Fleisch in Würfel geschnitten dazugeben, anbraten, mit einem Glas Bouillon ablöschen und würzen. Danach das feingehackte Gemüse in den Topf geben – die Kartoffeln kommen erst in der letzten halben Stunde dazu – und alles vier Stunden bei schwacher Hitze schmoren. »Das Wichtigste bei einem guten ungarischen Gulasch ist: den Topf niemals abdecken, die Flüssigkeit ständig reduzieren und immer wieder mit Bouillon auffüllen«, sagte Madame Vicenty zu Barbara und schob ihr den Zettel rüber, »deshalb, meine liebe Dame, ist ein Gulasch nicht nur ein schmackhaftes, sondern auch ein nützliches Gericht. Wenn sich ein Mann von seiner Frau sich Gulasch wünscht, dann weiß er, dass sie das Haus nicht verlassen wird, weil sie jede halbe Stunde Bouillon aufgießen muß. In diesen vier Stunden kann also die Dame keinen Liebhaber empfangen oder keine Schuhchen einkaufen gehen, bittascheeen!«
Eine erstaunliche Stadt dieses Budapest, hier neckische k. u. k. Gulaschscherzchen und »Küß’ die Hand, gnädige Frau«, da blutiger Pfeilkreuzler-Faschismus – noch heute! Diese Nation ist kompliziert, genauso wie ihre Sprache mit den Zungenbrechern, deren stimmhafte und stimmlose s, z oder cz man kaum auseinanderhalten kann. Aber zwei Namen musst du in Ungarn unbedingt auseinanderhalten, nämlich Ferenc Rákóczi – sprich Rakozi –, der Freiheitsheld, den Hector Berlioz in seinem Marsch glorifiziert: »Dreifach glüht des Regenbogens Licht« – gemeint ist die rot-weiß-grüne Flagge –, »kündend jedem Ungarn, dass des Vaterlandes Glanz nicht erloschen ist …«, und Mátyás Rákosi – sprich Ra-koschi –, ein grausamer Stalinist, der bis 1953 das Land regierte, aber bald darauf aus den ungarischen Geschichtsbüchern gestrichen wurde, als habe er nie gelebt.
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Wir wandelten das Spezialrezept der Madame Vicenty etwas ab, mögen die Kartoffeln im Gulasch nicht, weil es für uns sonst zu sämig wird, also lassen wir sie weg. Auch das Schmalz ersetzen wir durch Ölivenöl. Das Gemüse schwankt je nach Saison, dieses Mal haben wir folgende Zutaten verwendet:
Zutaten für ungarisches Gulasch, Foto: Barbara Kalender
1 kg Ringergulasch
Scharlotten, Frühlingszwiebeln, Knoblauch
Getrocknete Tomaten
Paprika
Peperoni
Bleichsellerie
Möhren und Pastinaken
Lorbeerblätter, Majoran
Salz und Pfeffer
Paprikapulver rosenscharf
Rotwein
heiße Fleischbrühe
Besonderer Tipp: Kaltes Wasser oder kalte Brühe macht das Fleisch zäh, wenn man es während des Garens zugießt, daher immer nur heiße Brühe verwenden.
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Da es viel zu schnipseln gibt, man also lange in der Küche stehen wird, sollte man während der Arbeit ungarische Volkslieder hören, zum Beispiel Fonó zenekar: Két gyönyörű népdal Kalotaszegről
[youtube]http://www.youtube.com/watch?v=ykBXNrx9Ob0&feature=related[/youtube]
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Vorbereitung: Schalotten und Knoblauch klein hacken. Vorher beim Knoblauch die Keime entfernen. Die Kerne aus den Peperonis entfernen und ebenso kleinhacken. Danach alle Gemüsezutaten in etwa 2 cm große Stücke schneiden.
Wenn das erledigt ist: Schalotten und Knoblauch in einer Pfanne mit Olivenöl glasig anbraten. Rindfleisch anbraten, Paprikapulver und Peperoni dazugeben, mit heißer Brühe aufgießen, Möhren und Pastinaken dazugeben und etwa eine Stunde garen. Danach das restliche Gemüse unterrühren und etwa 30 Minuten simmern lassen.
Wir haben für unser Gulasch allerdings einen Römertopf verwendet und brauchten deshalb keine Flüssigkeit nachgießen. Im Tontopf zirkuliert bekanntlich die Flüssigkeit. Deshalb hätten wir durchaus, bis das Gulasch fertig war, Schuhchen kaufen können.
Ungarisches Gulasch, dazu gibt es Baguette. Foto: Barbara Kalender
(BK / JS)
Ahh, die Vokabel „abdecken“ hatte ich tatsächlich mißverstanden. Es soll also kein Deckel drauf!
Meine zugegebenermaßen etwas blöde Bemerkung zur möglichen Zähigkeit des Fleisches bezog sich auf den „Ringer“ … also unterstellte indirekt ja schon eine Art von Kannibalismus. Ein Kilo Ringergulasch. Na ja, wenn Vegetarier schon über Fleisch reden oder schreiben…