vonSchröder & Kalender 05.04.2015

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Die Fahne auf dem Schöneberger Rathaus fehlt immer noch.
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Um es mit Karl Valentin auf den Punkt zu bringen: »Früher war die Zukunft auch besser.« Was wir erleben, ist die neueste Version des Großen Bruders – nicht als Science-Fiction, sondern in Jetztzeit. Deshalb glauben wir Zuckerberg sein Gerede von der Anonymität nicht. Voriges Jahr hatten Doktoranden der Universität Princeton das Netzwerk Facebook als »eine Art digitale Beulenpest« bezeichnet. Sie entwarfen ein makabres epidemiologisches Modell und verglichen den viralen Charakter des Netzwerkes mit der mittelalterlichen Seuche. Diese raffte Abermillionen hin, aber die Menschheit überlebte, so wie sie auch die Datenpest überleben wird. Fragt sich nur in welchem Zustand – vielleicht als digital verwanzte Zombies?

Facebook

Die meisten Menschen tragen ja inzwischen Smartphones mit sich herum, das sind die besten Wanzen, die man sich denken kann, und Facebook benutzt sie als Medium. Die Dinger funktionieren unter bestimmten Bedingungen selbst dann, wenn sie ausgeschaltet sind, aber meistens sind die Apparate der Smartphone-Junkies ohnehin eingeschaltet. Nun ist es eine unbestrittene Tatsache, dass sowohl Googles Open-Source-Betriebssystem Android als auch Apples iOS sehr unsichere Systeme sind. Die Informationen, welche Apps liefern, nutzen natürlich nicht nur die Werbebranche, sondern auch die Geheimdienste aller Nationen – illegal versteht sich, sonst wären es ja keine Geheimdienste. Stichwort: Angela Merkels Telefonate wurden abgehört. Die NSA-Affäre hat gezeigt, dass die Daten sämtlicher Konzerne, also Facebook, Google, Twitter etc. abgeschöpft wurden.

Neben der offiziellen Ausforschung gibt es heute auch private Spionagesoftware mit lyrischen Namen wie FlexiSpy, Spector Soft, mSpy, SpyBubble – das ist kein Brausepulver – und viele andere. So wird die Software StealthGenie ohne Wissen des Anwenders auf ein Smartphone installiert, der geniale Spion kann dann SMS und E-Mails lesen, WhatsApp-Chats verfolgen sowie auf Fotos, Videos, Termine und Adressbuch zugreifen. Die Käufer solcher Spionagesoftware wissen immer, wo sich die Zielperson gegenwärtig aufhält. Dies alles ist natürlich illegal, wird aber weltweit zigtausendmal verkauft und genutzt. Wir erwähnen es nur, um zu zeigen, was alles möglich ist in dieser besten aller Welten und erst recht natürlich nach irischem Recht im ›legalen‹ Facebook-Targeting.

Facebook forscht seine internationalen Nutzer für extensive Werbung aus, um das globale Marktgeschehen und den internationalen Konsum zu beherrschen. Auch die NSA-Planer denken international, ihnen geht es nicht nur um Terroristenabwehr, sondern um eine digitale Strategie der Erfassung von Identitäten. Beide Interessenlagen passen also perfekt zusammen. Facebook arbeitet an seinem Archiv mittels Profilen von Online-Aktivitäten, an einem monströsen Konzept des digitalen Kapitalismus. Fingerabdruck, Gesichtserkennung und Herzschlagsensoren haben wir schon; am Screening von Emotionen und der Semantik von Gefühlen wird fieberhaft gearbeitet. Eric Schmidt, der CEO von Google, brachte es zynisch auf den Punkt, als er neulich erklärte: »Wir wissen schon heute, was die Menschen morgen tun werden.«

Um diese Ziele noch zu optimieren, will man bei Facebook hoch hinaus. Im Wettbewerb mit Google arbeitet das Netzwerk jetzt auch an Eroberungsplänen im Weltraum. Beide Konzerne planen den Globus mittels Sende- und Beobachtungsstationen zu bestreichen und zu kontrollieren. Mit bigottem Augenaufschlag erklären die konkurrierenden großen Brüder, dass sie ihre Mitglieder und Nutzer lediglich informieren möchten zu Lande, zu Wasser und aus der Luft.

(wird morgen fortgesetzt)
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(BK / JS)

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