vonSchröder & Kalender 20.06.2017

Schröder & Kalender

Seit 2006 bloggen Schröder und Kalender nach dem Motto: Eine Ansicht, die nicht befremdet, ist falsch.

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Der Bär flattert in südöstlicher Richtung.
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Unser Freund Josef Michael Ruhl bescherte uns soeben einen mittelschweren Anflug von Nostalgie. Er lebt in Herbstein, ist im Hauptberuf Architekt, aber auch Aktionskünstler und Sammler. Josef Michael Ruhl ist Planer und ausführender Architekt des neuen Vulkaneum-Museums in Schotten am Hohen Vogelsberg.

In dieser Landschaft wuchs ich (BK) in Stockhausen auf, siehe auf der Wikipedia-Seite das Panzer-Foto.
In Schlechtenwegen, einem Ortsteil von Herbstein, renovierte ich (JS) ein Fachwerkhaus. Hier lebten Barbara und ich von 1981 bis 1989. Im Vogelsberg betrieben wir den zweiten März Verlag, und hier entstand auch der TV-Film ›Die MÄRZ-Akte‹, der mit einem Grimme-Preis ausgezeichnet wurde. In diesem Film spielte der unvergessene Horst Tomayer den Betriebsprüfer und wir das Verlegerpaar, welches sich selbst spielt.

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Erlebnisraum ›Magmakammer‹

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Was hat es mit dem ungewöhnlichen Namen Vulkaneum auf sich? Der Vogelsberg ist die monumentale Ruine eines Vulkans, der im Tertiär die größte zusammenhängende Basaltmasse Europas herausschleuderte. Ursprünglich wird dieser Vulkan eine Höhe von circa 3.500 Metern gehabt haben, vermutlich in der Form des Ätna. Durch den Verwitterungsprozess der Lava flachte die Landschaft ab, die höchste Erhebung ist der Taufstein mit 773 Metern. So entstand eine Landschaft mit sanften Wellen, die sich zu einem Waldgebiet mit 60 Kilometern im Durchmesser entwickelte.

In den Wäldern des Vogelsbergs beginnt der bedeutendste deutsche Barockroman ›Der abenteuerliche Simplicissimus Teutsch‹ des Hans Jakob Christoffel von Grimmelshausen, der in Gelnhausen (am Rande des Vogelsbergs) geboren wurde. Die Brüder Grimm lebten nur ein paar Autominuten von Gelnhausen entfernt in Steinau an der Straße. Sie sammelten im Vogelsberg bei ihren Gewährsleuten viele ihrer Märchen. Kultur kommt oft still daher.
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Kartoffelernte im Vogelsberg, (c) Vulkaneaum, tazblog Schröder und Kalender

Foto: Christof Krackhardt, Fulda

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Das neue Museum in Schotten bündelt in seinen Räumen das zentrale Thema ›Vulkanismus‹ mit den damit verbundenen Naturkräften Wasser und Wald sowie dem kulturellen Leben durch die Zeitläufte. Diese reichen vom Leichenzug des Bonifatius, der von Mainz nach Fulda führte und dabei von Gedern aus den Vogelsberg durchquerte, bis zu den Protesten in den 80er Jahren wegen den rücksichtslosen Wasserentnahmen der Stadt Frankfurt am Main und den Munitionsdepots mit US-Atomsprengköpfen, wovon das Buch ›Cosmic‹ handelt, das ich (JS) zusammen mit Uwe Nettelbeck machte, es erschien 1982 im März Verlag, der damals im Vogelsberg residierte.
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Foto: Christof Krackhardt, Fulda

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So entstand die neue Friedensbewegung: Im Oktober 1980 erschien meine Erzählung ›Die Eingeweide der SPD‹ in der Zeitschrift ›TransAtlantik‹, herausgegeben von Gaston Salvatore und Hans Magnus Enzensberger. Am darauffolgenden Montag brachte die ›taz‹ auf Seite eins den Kasten mit einer Schlagzeile über zwei Spalten: »Atomminendepots an der DDR-Grenze«. Der Text lautete: »Wollen Sie mal ein Atomminendepot sprengen? Fahren Sie in die Grenzgebiete zur DDR. Alle vierzig Kilometer entlang der Grenze hat die NATO Munitionsdepots eingerichtet, die auch Atomwaffen enthalten. In als Wasserwerken getarnten Sprengstoffbunkern lagern zusammen mit konventionellem Sprengstoff hochradioaktive Atomminen, die für die entlang der Grenze ausgehobenen Atomminenschächte bestimmt sind. Nach Auskunft eines dort ansässigen SPD-Funktionärs sind diese Depots völlig unzureichend gesichert: Entlüftungsschächte laden zur Platzierung von Sprengsätzen ein. NATO-Streifen mit Geigerzählern überprüfen hier alle zwei Tage eventuelle radioaktive Abstrahlungen. Kein Wunder: Zwei Kilometer im Umkreis eines ›Wasserwerks‹ war schon mal das Gras verbrannt. ›Die Dinger haben abgestrahlt‹. Einen Auszug aus einer ›Transatlantik‹-Reportage von Jörg Schröder bringen wir auf Seite 9.«
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Foto: Josef Michael Ruhl, Herbstein

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Dies ist der Grund, weshalb die Kuratoren des neuen Museums auch den MÄRZ Verlag in Wort und Bild im Vulkaneum präsentieren. Also, eine Reise nach Schotten lohnt sich! Wir kommen etwas später, wenn die Menschenmassen sich etwas verlaufen haben, denn wir sind gegenwärtig in Klausur mit unserer neuen Folge von ›Schröder erzählt‹ mit dem sprechenden Titel ›Grundlos zufrieden‹.

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Am 01. Juli 2017 eröffnet in Schotten das Vulkaneum.

Öffnungszeiten:
Montag bis Freitag: 9  bis 18 Uhr
Samstag und Sonntag: 10 bis 18 Uhr
Letzter Einlass um 17 Uhr
Schulklassen pro Schüler, inkl. Führung (nur mit Voranmeldung): 4,00 Euro
Erwachsene: 8,00 Euro
Kinder (bis 6 Jahre): frei
Ermäßigter Eintritt: 6,00 Euro
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BK / JS

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https://blogs.taz.de/schroederkalender/2017/06/20/kultur-kommt-oft-still-daher/

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