Dritter Oktober. Tag der deutschen Einheit. Seltsam. Kein Herzklopfen, keine Erinnerungsbilder von diesem Oktober, die mich froh machen, mir die Tränen in die Augen treiben, mich überwältigen oder biographisch bewegen. Ja, die Herrschaften haben am Dritten Oktober erstmals die „Fahne der Einheit“ vor dem Reichstag gehisst, verdammt wichtige Reden gehalten und ein mächtiges Feuerwerk abgebrannt, ja doch, das haben sie. Aber sie haben nicht mich gemeint. Auch nicht all die Bürger und Bewegten, die diese Einheit erst möglich machten. Die mit ihrem verrückten Mut aufstanden und sie einfach nicht mehr aushalten wollten: Diese verfluchte Ohnmacht! Aufrechte Menschen haben mich bewegt, Überlebende, die ich in den „Neuen Ländern“ kennenlernte.
Der neunte November hat mich bewegt. Der Tanz auf den Straßen. Nicht die Unterhändler der Einheit. Nicht die Beitrittserklärung der Volkskammer. Nicht der rasche Anschluss der DDR. All das mag ökonomisch notwendig gewesen sein. Doch nur der neunte November (und die darauf folgenden Monate der Anarchie) hat heute noch Herz für mich: Dieser unvergessliche gesamtdeutsche Freudentag mit all seinen Götterfunken. Wir waren verwirrt, erstaunt und glücklich. Alles schien möglich. Freiheit, Demokratie, Selbstbestimmung, auch Zukunft. D i e s e n historischen Moment gilt es zu zelebrieren. Zu erinnern. Und sein Werden hörbar zu machen. Denn nur in ihm scheint all das funkelnd auf, was wir heute verloren glauben. Zeit für eine „Bestandsaufnahme“.