„It’s the end of the world as we know it.
And I feel fine!“ (R.E.M.)
Die digitale Revolution hat den Zeitungsmarkt überrollt. Widerstand war zwecklos. Trendforscher verkünden seit Jahren laut genug das Ende: Keine Tageszeitung mehr! Demnächst schon! Der irgendwie lesende Nachwuchs hat keinen Bock mehr auf analog: „Digital Natives do it online“.
Die linke Tageszeitung „taz“, die am 17. April 2019 vierzig Jahre alt sein wird, hat schon früh versucht, auf die digitalen Trends zu reagieren, die heute mit immenser Beschleunigung Monat für Monat alte Wahrheiten obsolet werden lassen. Krisengeläut in der ganzen Branche. Blattmacher am Rande des Nervenzusammenbruchs. 2019 wird ein „Schicksalsjahr“, ist vom Verband der Zeitungsverleger zu hören.
Während die einst opferbereiten, schwer engagierten und analogen Gründer der taz (nicht wenige davon gehören zu Heinz Budes postmodernisierten „Ruinenkindern“) nach Jahren des Gründungsfiebers längst in anderen Medien (Spiegel, ZEIT, ARD etc.) eingecheckt haben, zunehmend das Rentenalter erreichen und en passant als Special Offer schnell noch eine „Veteranen-taz“ aufgelegt haben, setzt die aktuelle taz-Generation in Sachen Existenz und Bedrohung auf die seit 1992 ständig wachsende taz-Genossenschaft. Über 18.000 GenossInnen bilden das BackUp der Zeitung. Und haben auch den preisgekrönten Tower in der Friedrichstraße cofinanziert, der von ziemlich begabten Schweizer Architekten entworfen wurde und seit Ende letzten Jahres die neue Zentrale des Projekts ist.
Nach vierzig Jahren ist die taz längst keine simple Zeitung mehr, sondern hat (wie andere Zeitungen auch) jede Menge neue Geschäftsfelder (Reisen, Shop, Café, Kantine, Veranstaltungen, FutureLabs, Fortbildung…) begründet, von denen sie u.a zusätzliche Erträge erhofft. Die alte Zeitung aus Papier hat auch bei der taz keine langfristige Perspektive mehr. Ihr altgedienter und kundiger Geschäftsführer, Karl-Heinz Ruch (der Ende des Jahres die Zeitung verlässt und dem Andreas Marggraf nachfolgen wird), prophezeite bereits im Jahre 2011: „In zehn Jahren gibt’s keine Tageszeitung mehr!“ Weit weniger als 30.000 Abos der täglichen taz-Printausgabe werden derzeit verkauft.
Der Niedergang des Analogen hat, auch bei der taz, eine Menge neuer Entwürfe provoziert: Wochendendabo, Combi-Abo, taz-online, ePaper, App (in Arbeit), „taz-zahl-ich“. Über all dem wölbt sich das „Szenario 2022“, das die taz-Geschäftsführung bei der letzten Genossenschaftsversammlung 2018 vorgelegt hat: Ab dem Jahre 2022 keine täglich(!) gedruckte taz mehr! Druck und Vertrieb rechnen sich nicht mehr. Times are a’changing: Die möglichen Zukünfte der taz brauchen einen komplett neuen Soundtrack, ravende Juniors, neue Beats, junge digitale Wilde und ganz und gar eigensinnige publizistische Perspektiven! Erste musikalische Impressionen hat Matteo Silvestri (alias „Ghostphace“) exklusiv geliefert – er realisierte den Soundtrack (Ambient/Techno) für mein Hörfunkfeature „Update 40.0“.
Ich habe die taz monatelang akustisch gecheckt, den Umzug und den Neubau des „Towers“ begleitet, habe tazlerInnen, GenossInnen, Kundige und Beteiligte nach möglichen Strategien gegen jenen medialen Albtraum gefragt, dessen milliardenschwere Akteure mit Hilfe von scheinbar unkontrollierbaren Monopolen und wild wuchernden Algorithmen den qualifizierten und kritischen Journalismus in die Tonne treten. Und das mit zunehmender Geschwindigkeit: Nicht selten habe ich in all den spannenden und munteren Gesprächen den Satz gehört, dass es die innovativen Anstrengungen der nächsten drei Jahre sein werden, die über Existenz und Zukunft der taz entscheiden. Es wird nicht leicht werden. Aber es wird. Weil alle mit anpacken,…hoffe ich jedenfalls. Stay tuned! („Public Pre-Listening“ des Features am 10. April 2019, 19.00 Uhr in der taz-Kantine)
SWR/WDR
Update 40.0
Die taz im Zeitalter der „digital natives“
Hörfunk-Feature von Detlef Berentzen
Regie: Nikolai von Koslowski
Redaktion: Wolfram Wessels (SWR)/ Leslie Rosin (WDR)
Sendetermine:
Mittwoch, 10. April 2019 ( SWR 2), 22.03 Uhr
Sonntag, 14. April 2019 (WDR 5), 11.04 Uhr
Montag, 15. April 2019 (WDR 5), 20.04 Uhr (Wdh.)
„Dieses nachdenkliche, aber gut gelaunte Feature ist ein rührendes Stück Zeitgeschichte…“ (more info)