„Wir sind gekommen, um euch zu sagen, dass die Devise Frankreichs gegenüber Ausländern Erniedrigung, Ausbeutung und Abschiebung ist. Jenes Frankreich, das dort gegen uns Krieg führt, unsere Rohstoffe plündert und gemeinsam für und mit unseren korrupten Staaten Entscheidungen trifft. Jenes Frankreich, das hier gegen uns Krieg führt.“ Das ist aus einer Broschüre, die im Pariser Panthéon am Freitag, den 18. Juli, kursierte.
Auf dem »Hügel der heiligen Genoveva« sind französische Aufklärer wie Voltaire und Rosseau oder französische Schriftsteller wie Victor Hugo, Émile Zola und André Malraux begraben. Dort haben sich rund 700 Menschen ohne Aufenthaltsgenehmigung (»Sans-papiers«) gesammelt und die Ruhmeshalle für mehrere Stunden besetzt. Die Polizei ließ unverzüglich die Knüppel über ihre Köpfe fallen, rücksichtslos, und französische Politiker reagierten empört mit Tweets, die „Respekt vor öffentlichen Denkmälern“ forderten. Die Besetzer nennen sich »Gilets noirs« (»Schwarzwesten«) und fordern ihrerseits Respekt vor dem Leben.
Obwohl z.B. 200.000 Wohnungen in Paris leer stünden, zwingt man sie, unter Brücken und auf den Straßen zu leben, während sie in prekären Arbeitsverhältnissen ausgebeutet werden. Das war nicht ihr erster Protest. Am 19. Mai besetzten sie ein Terminal am Flughafen Roissy-Charles de Gaulle, um ein Ende der Abschiebeflüge durch Air France zu verlangen. Am 12. Juni wurde der Hauptsitz von Eliot in Paris besetzt, einem der größten Anbieter von Gemeinschaftsverpflegung, der auch die Abschiebehaftanstalten versorgt und dort die »Sans-papiers« gegen sich selbst arbeiten lässt.
Die »Schwarzwesten« wehren sich gegen das menschenverachtende System der sozialen Klassengewalt, mit der die Bürgerlichen ihr Leben und ihre Heimat zerstören, gegen Rassismus, der eine Strategie des Profits ist, und gegen Kolonialismus, der in neuen Masken Landnahme in und Unterwerfung von nicht-europäischen Völkern fortsetzt. Widerstand ist das Recht der Entrechteten – das ist die Geste der »Sans-papiers«, die hoffentlich auch in Deutschland Mut macht. Denn auch hier müssen Vertriebene in elenden Zuständen überleben, auch hier ist die Klassengewalt gnadenlos und willkürlich. Wenn du nicht hinsiehst, schlägt sie zu – auch dich.