vonDetlef Georgia Schulze 25.07.2024

Theorie als Praxis

Hier bloggt Detlef Georgia Schulze über theoretische Aspekte des Politischen.

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Am Mittwoch hat das Bundesinnenministerium weitere Vereine verboten – diesmal traf es das islamistische Spektrum. Dazu ebenfalls am Mittwoch ein Funktionär der Linkspartei-Jugendorganisation, SOLID, in NRW bei einem bekannten Kurznachrichtendienst:

„Linke, die sich beim Islamischen Zentrum Hamburg übers Verbot beschweren, bei Compact aber nicht, kann ich nicht ernst nehmen – entweder man ist Meinungsfreiheitsfundamentalist:in oder halt nicht, aber bei Rechtsradikalen nach Herkunft zu differenzieren ist völlig bescheuert“
(https://x.com/_janschiffer/status/1816092749151539513)

Politisches

Politisch würde ich meinerseits die Sache sogar umdrehen und sagen:

  • Medien und auch politische Organisationen (Teile der querdenkerischen ausgenommen) haben in der Regel zumindest einen Minimalanspruch, ihre Überzeugungen auch argumentativ begründen zu können.
  • Religiöse (esoterische QuerdenkerInnen eingeschlossen) ziehen sich dagegen spätestens ab einem bestimmten Punkt der Diskussion darauf zurück, daß sie halt einfach „glauben“.

Insofern streitet auch noch für die verurteilenswertesten politischen Organisationen und Medien – jedenfalls im Grundsatz – die Freiheit von Rede und Gegenrede; das Primat der argumentativen Auseinandersetzung. Allerdings wissen MarxistInnen1 – Lenin hatte es allerdings einen kurzen, schwachen Moment2, in dem er den Deutschen Idealismus als eine der angeblich drei Quellen des Marxismus ausmachte, mal vergessen – und FoucaultianerInnen besser als Liberale,

  • daß sich Habermas‘ zwangloser Zwang des besseren Arguments durchaus nicht immer so leicht durchsetzt;
  • daß, wenn wir uns Diskurse nicht im Philosophie-Himmel von Habermas, sondern in der – von Foucault untersuchten – empirischen Wirklichkeit ansehen, durchaus nicht immer herrschaftsfrei, sondern oft vermachtet sind;

    „Auf der einen Seite steht ein Diskursbegriff, der in den siebziger Jahren von Jürgen Habermas geprägt und seither vor allem deutschen Sprachraum Verbreitung fand. Habermas bezeichnet als Diskurs das rationale, herrschaftsfreie Gespräch zwischen aufgeklärten und gleichberechtigten Subjekten, bei dem allein die besseren Argumente entscheiden und einen Konsens herbeiführen. Damit ist keine Beschreibung empirischer Diskurse gemeint, sondern Habermas formuliert lediglich eine regulative Idee, einen utopischen Horizont, an dem sich konkrete empirische Diskurse orientieren sollen. Habermas geht es um eine Ethik des Diskurses, die zugleich auch eine Ethik der Konsensbildung sein soll.
    Diesem ausdrücklich philosophischen Konzept steht ein zweiter Diskursbegriff gegenüber, der – natürlich mit einer gewissen Vorgeschichte – vor allem von Michel Foucault in den sechziger Jahren geprägt wurde: Als Diskurse werden bei Foucault nicht bloße Texte bezeichnet, die man hermeneutisch ergründe kann, sondern institutionalisierte3 bzw. institutionalisierbare Redeweisen, deren Regel und Funktionsmechanismen gleich ‚positiv‘ [JuristInnen dürfen hier ruhig an ‚Positivismus‘ denken4] zu ermitteln sind. In einem Interview sagte Foucault z.B.: ‚[…]. Es geht um Regeln der Formierung, der Existenz und der Koexistenz, um Systeme und Funktionsweise usw. Und diese Praxis in ihre Konsistenz und beinahe Materialität beschreibe ich.‘“
    (Peter Schötter, Wer hat Angst vor dem ‚linguistic turn‘?, in:

  • daß manchmal auch dem besten Argument mit einem Faustschlag, einer veritablen Straßenschlacht oder einem Sturm auf die Bastille oder das Winterpalais Nachdruck verliehen werden muß, damit es auch nur gehört wird – geschweige denn, sich durchsetzt.

Wirkliche Liberale, AnarchistInnen und MarxistInnen, denen es mit dem Ziel des Absterbens des Staates am Ende der sozialistischen Übergangsgesellschaft zum Kommunismus ernst ist, sind sich dann allerdings wiederum darin einig, daß gewaltsame Diskurse-Eingriffe durch zentralisierte Staatsapparate für die geistigen Freiheiten – und damit für die Möglichkeit historischer Fortschritte – deutlich gefährlicher sind, als zivilgesellschaftlich-dezentrale. Soviel grundsätzlich zur Gefährlichkeit staatlicher Bekämpfung als feindlich angesehener „Ideologie“. Ministerin Faeser ließ gestern deutlicher als vergangene Woche6 bei den COMPACT-/CONSPECT GmbH-Verboten und Minister de Maizière 2017 bei dem linksunten-Verbot7 durchblicken, daß sich das jüngste Verbot vor allem gegen eine (bestimmte) „Ideologie“ richtet (Faeser lt. BMI-Webseite: „Bundesinnenministerin Nancy Faeser führt aus, dass das ‚Islamische Zentrum Hamburg‘ eine islamistische, totalitäre Ideologie in Deutschland propagiere.“).

Das ist das Spezifische der – seit den 1970er Jahren in einige andere Länder (vor allem erst Süd- und dann Osteuropas) exportierten – BRD-Staatsschutzkonzeption: Sie ist nicht okkasionell-notständisch, sondern permanent-ideologisch8. Darin liegt der besondere Illiberalismus der Staatsschutzkonzeption des Grundgesetzes der Bundesrepublik, die wir dem Fehllernen des Parlamentarischen Rat aus der Niederlage der Weimarer DemokratInnen gegen monarchie-nostalgische und nazistische Demokratie-GegnerInnen ‚verdanken‘.

Juristisches

Nun zur juristischen Seite des gestrigen Verbotes. Kurioserweise sind unter Geltung des Grundgesetzes religiöse Spinnereien besser geschützt als politische Überzeugungen und religiöse Vereinigungen besser geschützt als andere Vereine.

Artikel 5 Absatz 1 und 2 Grundgesetz kennen wir inzwischen bereits:

„(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.
(https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html)

Auch Artikel 9 Absatz 1 und 2 Grundgesetz kennen wir inzwischen:

„(1) Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.
(2) Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.
(https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_9.html)

Sehen wir uns nun Artikel 4 Absatz 1 und 2 sowie Artikel 140 Grundgesetz an:

„(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich.
(2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet.“
(https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_4.html)

„Die Bestimmungen der Artikel 136, 137, 138, 139 und 141 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 sind Bestandteil dieses Grundgesetzes.“
(https://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_140.html)

Artikel 137 Absatz 1 und 2 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919 (= Weimarer Reichsverfassung [WRV]) lauten wiederum:

„(2) Die Freiheit der Vereinigung zu Religionsgesellschaften wird gewährleistet. Der Zusammenschluß von Religionsgesellschaften innerhalb des Reichsgebiets unterliegt keinen Beschränkungen.
(3) Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates oder der bürgerlichen Gemeinde.“
(ebd.)

Nach richtigem Verständnis sind die „für alle geltenden Gesetze“ in Artikel 137 das gleiche wie die „allgemeinen Gesetze“ in Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz9: Sie streichen am jeweiligen Grundrecht vorbei.10

Also: Der Glauben als geistiges Phänomen ist frei; und die Gläubigen dürfen sich auch – unbeschrankt – zu „Religionsgesellschaften“ (zum Beispiel: die Katholische Kirche) zusammenschließen.

vorbeistreichen“ heißt allerdings auch: Es gibt ein Innerhalb und ein Außerhalb des Normbereichs eines jeden Grundrechts. Gläubige, die ihre Bibel, ihren Koran, ihre Thora, … als Schlaginstrument (statt zur geistigen Erbauung) benutzen und christlich-fundamentalistische ‚LebensschützerInnen‘, die Abtreibungsklinken gewaltsam angreifen, bewegen sich nicht mehr im Normbereich der Religionsfreiheit (oder überhaupt einer geistigen Freiheit), sondern im Normbereich der – starker beschrankten – allgemeinen Handlungsfreiheit – und, wenn sie bei diesem gemeinsamen Handeln vereinsförmig organisiert sind, nicht mehr im Normbereich des – unbeschrankten – Artikel 140 Grundgesetz / Artikel 137 Absatz 2 Weimarer Reichsverfassung, sondern der beschrankten allgemeinen Vereinigungsfreiheit (Artikel 9 Absatz 1 und 2 Grundgesetz).

Auch dann, wenn gewaltsame Straftaten vereinsförmig begangen werden, bleibt allerdings für Liberale, AnarchistInnen und anti-etatistische KommunistInnen ein Problem: Strafrechtliche Organisationsdelikte und öffentlich-rechtliche Vereinsverbote lassen immer auch die Organisationsmitglieder, die keine Straftaten begehen oder denen jedenfalls keine Straftaten nachgewiesen werden können, mithaften. Die liberale Kritik der 1970er und 80er Jahre an den §§ 129, 129a StGB (Aufweichung des in dubio pro reo-Grundsatzes durch Vorverlagerung des Strafrechts und durch diese Vorverlagerung zugleich Vorverlagerung staatlicher Grundrechtseingriffe in den geistigen Bereich) gilt insofern (es sind Nicht-StraftäterInnen mitbetroffen) mutatis mutandis auch für den öffentlich-rechtlichen Vereinsverbotsgrund „Strafgesetzen zuwiderlaufen“.

Die gestrigen Verbote des Islamischen Zentrums (und seiner „Teilorganisationen“) wurden damit begründet, daß sich das Zentrum „gegen die verfassungsmäßige Ordnung [sowie] gegen den Gedanken der Völkerverständigung [richtet] und […] den Strafgesetzen zuwider“ laufe. Außerdem wird noch behauptet, ohne daß gesagt wird, welche rechtliche Bedeutung dieses Behauptung haben soll: „Zudem laufen der Zweck und die Tätigkeit des IZH völkerrechtlichen Verpflichtungen der Bundesrepublik Deutschland zuwider und fördern Bestrebungen außerhalb des Bundesgebiets, deren Ziele oder Mittel mit den Grundwerten einer die Würde des Menschen achtenden staatlichen Ordnung unvereinbar sind.“ (BAnz AT 24.07.2024 B1)

Um welche Straftaten es sich handeln soll, ergibt sich aber weder aus der Webseite des Innenministeriums (siehe 1 und 2) noch – erwartungsgemäß – aus dem verfügenden Teil der Verbotsverfügung, die im Bundesanzeiger veröffentlicht wurde.

Auf Anfrage teilte mir die Pressestelle des Bundesinnenministeriums mit:

Die festgestellte Unterstützung der ‚Hizb Allah‘ durch das IZH begründet den Verbotsgrund der Strafgesetzwidrigkeit (§ 3 Absatz 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Absatz 2 Alt. 1 GG). Die ‚Hizb Allah‘ ist eine terroristische Vereinigung im Sinne der §§ 129a, 129b StGB, da sie bereits wiederholt Terroranschläge mit zahlreichen Toten verübt hat. Die Unterstützung des IZH für die ‚Hizb Allah‘ läuft den Strafgesetzen zuwider, unabhängig davon, ob sich Funktionäre und Mitglieder des IZH selbst als Mittäter, Anstifter oder Gehilfen bezüglich der Taten der ‚Hizb Allah‘ nach § 20 Absatz 1 Nr. 3 VereinsG strafbar gemacht haben. Die Strafverfolgung von Unterstützungstaten ist grds. Sache der hierfür örtlich zuständigen Länder.
Weitere Informationen finden Sie beispielsweise in den folgenden Fundstellen: BVerwGE 154, 2211 Rn. 43; BVerwG, NVwZ 2013, 87012 Rn. 50; Beschluss vom 19.11.2013 – 6 B 25.1313, juris, Rn. 20, 31; Roth in Schenke/Graulich/Ruthig, Sicherheitsrecht des Bundes, 2. Aufl. 2019, § 3 VereinsG Rn. 14 m.w.N.

Meine Nachfrage:

„worin soll die Unterstützung bestanden haben? Beachten Sie dabei den Unterschied zwischen Unterstützung und dem – seit 2002 (?) – auf Werbung um Mitglieder und UnterstützerInnen beschränkten Werbungstatbestand – und die BGH-Rechtsprechung dazu? Oder klassifizieren Sie Sympathiewerbung als Unterstützung?“

wurde noch nicht beantwortet.

Die Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts in dem – in der Antwort des Ministeriums angeführten – Beschluß vom 19.11.2013 zum Aktenzeichen 6 B 25.13 bei Textziffer 31 (siehe den letzten Aufzählungspunkt in FN 13) deuten – zusammen den vorausgehenden Ausführungen bei Textziffer 30 – darauf hin, daß das Innenministerium hier gerade versucht, einen vereinsrechtlichen Sonder-Begriff von ‚Unterstützung‘ Terroristischer Vereinigung durchzusetzen, dem kein Straftatbestand entspricht!

Ein Verhalten, das keinen Straftatbestand erfüllt, kann aber (auch im Sinne des Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz) nicht strafgesetz-widerläufig sein! Ein Verhalten, das kein Straftatbestand erfüllt, ist strafrechtlich legal.

Daher seien hier abschließend die Ausführungen bei Textziffer 30 und 31 des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom Beschluß vom 19.11.2013 zum Aktenzeichen 6 B zitiert:

„Der Kläger [ein Hells Angels-Verein – also ein Verein nicht nach meinem persönlichen <ich mag keine Motorräder ;-)> und politischen Geschmack] vernachlässigt dabei, dass der Verwaltungsgerichtshof (UA S. 22) festgestellt hat, dass die von dem Kläger organisierten Unterstützungsmaßnahmen für inhaftierte Vereinsmitglieder und der von ihm ins Werk gesetzte planmäßige Besuchsdienst gerade nicht als Akte legitimer Solidarität und damit auch nicht als resozialisierungsgeeignet angesehen werden konnten, sondern wenn nicht darauf angelegt, so doch jedenfalls geeignet waren, den Inhaftierten ein Gefühl bedingungsloser Wertschätzung und Geborgenheit auch nach Begehung schwer wiegender Straftaten zu vermitteln, ihre Loyalität gegenüber dem Kläger während der Inhaftierung und in der Folgezeit zu sichern und die Hemmschwelle für die Begehung künftiger Straftaten zu senken. Diese Feststellung des Verwaltungsgerichtshofs hat der Kläger nicht mit durchgreifenden Verfahrensrügen angegriffen, so dass sie den Senat gemäß § 137 Abs. 2 VwGO bindet. Auf ihrer Grundlage ist die gestellte Frage unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Senats eindeutig zu bejahen und damit nicht mehr klärungsbedürftig.
Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 874 f.) ist der Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG innerhalb des durch seinen Wortlaut gezogenen Rahmens nach seinem gefahrenabwehrrechtlichen Sinn und Zweck auch dann erfüllt, wenn Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden. Im letzteren Fall ist es unerheblich, ob die Straftaten durch Funktionsträger, Mitglieder oder Anhänger der Vereinigung oder durch Dritte begangen werden. Dass Unterstützungshandlungen nach Art der hier von dem Kläger geleisteten eine Hervorrufung, Ermöglichung oder Erleichterung von Straftaten darstellen, hat der Senat an gleicher Stelle ebenfalls bereits entschieden.“

Um es ganz klar zu sagen:

  • „bedingungslose Wertschätzung und Geborgenheit“ in Bezug auf politisch rechte Gefangene und Gefangene aus – dem sich in Form von Zwangsprostitution und Wirtschaftskriminalität betätigenden – ‚Rocker-Milieus‘ ist politisch und ethisch zu verurteilen.
  • Auch gegenüber Linken bin ich mit dem Wort „bedingungslos“ vorsichtig – dafür passieren zu leicht und zu schnell Fehler und sind die Grenzen zwischen „rechts“, „links“ und „Mitte“ zu unscharf.
  • Aber – wie auch immer solidarisch seiende – Unterstützungsarbeit für Strafgefangene aus Terroristischen und/oder Kriminellen Vereinigungen stellt keine Strafgesetz-Widerläufigkeit dar – es sei denn, es würde sich darum handeln, diese bei strafbaren ‚Geschäften‘ (für die Vereinigung) im Knast oder bei einem gewaltsamen Knastausbruch zu unterstützen. (Letztere „sei sei denn“-Einschränkung gilt allerdings unabhängig davon, ob die Gefangenen aus einer Organisation stammen oder unorganisiert sind. Beihilfe zu strafbaren Taten im Knast ist eh strafbar.)

Es folgt nachher noch ein

PS.:

Mir ist gerade noch etwas eingefallen.


1 Louis Althusser, Philosophie und spontane Philosophie der Wissenschaftler, in: ders., Philosophie und spontane Philosophie der Wissenschaftler (Schriften hrsg. von Peter Schöttler und Frieder Otto Wolf Bd. 4), Argument: West-Berlin, 1985, 11 – 150 (110, 111): „Unter dem großen Symbol der ‚Aufklärung‘ […] lebten die Wissenschaftler und Philosophen jener Zeit [des 18. Jahrhunderts] […] zugleich in einer ‚Großen Illusion‘ – derjenigen der historischen Allmacht der Erkenntnis. Darin liegt eine alte Tradition, die weit in die Jahrhunderte zurückreicht und vermutlich auf die Macht zurückgeht, die den Individuen zugeschrieben wurde, die das ‚Wissen‘ besaßen (aber es gibt keine ‚Macht des Wissens‘, die nicht zugleich mit der Macht als solcher verknüpft wäre): […]. Mit ihrer Philosophie der Aufklärung waren die Wissenschaftler und Philosophen des 18. Jahrhunderts – die in ihrem Kampf gegen die Religion Materialisten waren – nichtsdestoweniger Idealisten in ihrer Geschichtsauffassung. Und aus diesem historischen (juristischen, moralischen und politischen) Idealismus leitete sich letztlich ihre idealistische Vorstellung ab, die sie sich von der Allmacht der wissenschaftlichen Wahrheit machten.“
Und was schon für den wissenschaftlichen Bereich gilt (daß sich die Wahrheit durchaus nicht von allein durchsetzt), gilt es recht für den politischen Bereich: ‚Das Richtige‘ setzt sich nicht von allein durch. Die Geschichte ist eine Geschichte von gesellschaftlichen und politischen Kämpfen, wie wir das Kommunistische Manifest auf den Stand eines intersektionalen und nicht-reduktionistischen Materialismus bringen können (Marx und Engels schrieben seinerzeit bekanntlich „von Klassenkämpfen“).

2 „Die Lehre von Marx ist allmächtig, weil sie wahr ist.“ (LW 19, 3 – 9 [9] – Drei Quellen und drei Bestandteile des Marxismus [1913])

3 Bei dem Wort „Institution“ darf an „Macht“ gedacht werden…

4 MarxistInnen besser nicht – da sie zumeist nur sehr klischeehafte Vorstellungen vom „Positivismus“ haben.

5 Vgl. auch: Peter Schöttler, Sozialgeschichtliches Paradigma und historische Diskursanalyse, in: Jürgen Fohrmann / Harro Müller (Hg.), Diskurstheorien und Literaturwissenschaft, Suhrkamp: Frankfurt am Main, 1988, 159 – 199.

6 In der damaligen Pressemitteilung kamen die Wörter „Ideologie“ und „ideologisch“ nicht vor.

7 Auch in der BMI-Pressemitteilung dazu kamen die Wörter „Ideologie“ und „ideologisch“ nicht vor.

8 Friedhelm Hase, „Bonn“ und „Weimar“. Bemerkungen zu der Entwicklung vom „okkasionellen“ zum „ideologischen“ Staatsschutz, in: Dieter Deiseroth / Friedhelm Hase / Karl-Heinz Ladeur (Hg.), Ordnungsmacht? Über das Verhältnis von Legalität, Konsens und Herrschaft, EVA: Frankfurt am Main, 1981, 69 – 84 (69): Das Spezifische und gegenüber ‚Weimar‘ Neue […] besteht darin, daß der westdeutsche Staat, […] von Rechts wegen, die Kompetenz beansprucht, bestimmte politische Richtungen generell politisch zu eliminieren, sie ein für allemal von der Bühne des Politischen zu verbannen. Die politische Repression hat hier die situativen, okkasionellen Momente zurückgedrängt, durch die sie in der Vergangenheit charakterisiert war; sie hat sich von den konkreten Umständen und Risiken konkreter veränderlicher Situationen abgelöst und ist, anders als in den überkommenen Notständen, Ausnahmezuständen und polizeilichen Gefahrensituationen, von bestimmten Gefahren und deren politischer Bewertung weithin unabhängig. Die ‚freiheitliche demokratische Grundordnung‘ legitimiert ihre Repressionen nicht an den Besonderheiten bestimmter Situationen und Zustände,, sondern auf einer allgemeinen ideologischen Ebene.“ (Hv. i.O.)
Insofern ist das heutige „Berlin“ eine Teilmenge von „Bonn“ – und weder „Weimar“ noch das „Berlin“ des Kaiserreichs, das zumindest in dieser Hinsicht liberaler war als „Bonn“ und das heutige „Berlin“: Denn auch die Staatsschutz-Konzeption des Kaiserreichs war (wie auch die Weimars und der klassischen westlichen Demokratien) okkasionell-notständisch – die Sozialistengesetze waren ein zeitlich begrenztes Ausnahmegesetz; kein verfassungsrechtlicher Dauerzustand. (Allerdings war das Kaiserreich insofern dann wiederum nicht liberaler als „Bonn/Berlin“ [und die westlichen Demokratien], als es auf Reichsebene gar keine politischen Freiheitsrechte gab – außer der Freiheit der Wahl an der Urne).

9 Helmut Ridder, Die soziale Ordnung des Grundgesetzes, Westdeutscher Verlag: Opladen, 1975, 77 f.; wieder abgedruckt, in: ders., Gesammelte Schriften hrsg. v. Dieter Deiseroth / Peter Derleder / Christoph Koch / Frank-Walter Steinmeier, Nomos: Baden-Baden, 2010, 7 – 190 (95): „Die Staatsrechtslehre von Weimar […] hat, angerankt an zwei Textstellen der Reichsverfassung, Vorarbeit für die heute mögliche Erkenntnis des ‚Normbereichs‘ der Grundrechte geleistet. Die beiden Ansätze fand sie in Art. 137 Abs. 3 Satz 1 WRV (‚Jede Religionsgesellschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes‘; die Vorschrift ist über Art. 140 GG auch ‚Bestandteil‘ des Grundgesetzes) und Art. 118 Abs. 1 Satz 1 WRV (‚Jeder Deutsche hat das Recht, innerhalb der Schranken der allgemeinen Gesetze seine Meinung durch Wort, Schrift, Druck, Bild oder in sonstiger Weise frei zu äußern), […].“

10 ebd., 78 bzw. 95: „die ‚allgemeinen Gesetze [sind] am ‚Normbereich‘ des Grundrechts, d.h. an der in ihnen erst rechtlich aufgebauten, festgemachten und gesicherten Interessenstruktur (in Art. 5 GG dem ‚Interesse‘ am demokratischen Verlauf des politischen Prozesses), vorbeistreichende Gesetze“ (Hv. i.O.).

11 Dabei handelt es sich um das Urteil vom 07.01.2016 zum Aktenzeichen 1 A 3.15; https://www.bverwg.de/de/070116U1A3.15.0. Bei Textziffer 42 heißt es: „Die Strafgesetzwidrigkeit einer Vereinigung ist auch dann gegeben, wenn deren Mitglieder zwar spontan und aufgrund eines eigenen Entschlusses Straftaten begehen, dabei aber immer wieder geschlossen als Vereinigung auftreten, so dass die Straftaten sich nach außen als Vereinsaktivitäten darstellen, und die Vereinigung diesen Umstand kennt und billigt oder jedenfalls widerspruchslos hinnimmt. Der Vereinigung zurechenbar sind ferner solche strafbaren Verhaltensweisen der Vereinsmitglieder, die die Vereinigung deckt, indem sie ihren Mitgliedern durch eigene Hilfestellung oder Hilfestellung anderer Mitglieder Rückhalt bietet. Eine derartige verbotsrelevante Hilfestellung muss nicht von vornherein auf die Begehung konkreter Straftaten ausgerichtet sein oder auf einem zuvor gefassten Vereinsbeschluss beruhen. Ihr Vorliegen bestimmt sich nicht nach strafrechtlichen Gesichtspunkten der Teilnahme oder Begünstigung, die für eine Vereinigung mangels Straffähigkeit nicht relevant sein können. Es genügt vielmehr, dass vereinsintern den Mitgliedern oder nach außen der Öffentlichkeit, insbesondere den Opfern der Straftaten, gegenüber zum Ausdruck gebracht wird, die Vereinigung gewähre ihren Mitgliedern bei begangenen Straftaten jederzeit den erwarteten Schutz (BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 1988 – 1 A 89.83 – BVerwGE 80, 299 <306 f.>).“

12 Es handelt sich um das Urteil vom 19.12.2012 zum Aktenzeichen 6 A 6.11; https://www.bverwg.de/de/191212U6A6.11.0. Bei Textziffer 50 heißt es dort: „Eine Vereinigung erfüllt diesen Verbotstatbestand [Widerläufigkeit gegen die Strafgesetze] grundsätzlich dann, wenn ihre Mitglieder oder Funktionsträger Straftaten begehen, die der Vereinigung zurechenbar sind und ihren Charakter prägen (hierzu Urteil vom 18. Oktober 1988 – BVerwG 1 A 89.83 – BVerwGE 80, 299 <306 ff.>). Darin erschöpft sich dieser Verbotstatbestand aber nicht. Er verlangt nach seinem Wortlaut nicht, dass Mitglieder oder Funktionsträger der Vereinigung gegen Strafgesetze verstoßen oder ihnen zuwiderhandeln. Er setzt vielmehr in einem darüber hinausweisenden Sinne Zwecke oder Tätigkeiten voraus, die den Strafgesetzen zuwiderlaufen. Den Strafgesetzen zuwiderlaufen Zwecke und Tätigkeiten nicht nur dann, wenn unmittelbar gegen Strafgesetze verstoßen wird, sondern auch dann, wenn Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden.“

13 Den Beschluß gibt es dort: https://www.bverwg.de/de/191113B6B25.13.0.

Dort heißt es

  • bei Textziffer 20 u.a.: „der Sinn und Zweck des Verbotstatbestandes des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG besteht nicht darin, die Verletzung der Strafgesetze durch einzelne Personen zusätzlich vereinsrechtlich zu sanktionieren. Durch ihn soll vielmehr einer besonderen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung begegnet werden, die sich daraus ergibt, dass Straftaten in einem vereinsmäßig organisierten Zusammenhang begangen, hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden (Urteil vom 19. Dezember 2012 – BVerwG 6 A 6.11 – NVwZ 2013, 870 <874>).“

    und

  • bei Textziffer 31: „Nach der Rechtsprechung des Senats (Urteil vom 19. Dezember 2012 a.a.O. S. 874 f.) ist der Verbotstatbestand des § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 VereinsG i.V.m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 1 GG innerhalb des durch seinen Wortlaut gezogenen Rahmens nach seinem gefahrenabwehrrechtlichen Sinn und Zweck auch dann erfüllt, wenn Straftaten hervorgerufen, ermöglicht oder erleichtert werden. Im letzteren Fall ist es unerheblich, ob die Straftaten durch Funktionsträger, Mitglieder oder Anhänger der Vereinigung oder durch Dritte begangen werden. Dass Unterstützungshandlungen nach Art der hier von dem Kläger geleisteten eine Hervorrufung, Ermöglichung oder Erleichterung von Straftaten darstellen, hat der Senat an gleicher Stelle ebenfalls bereits entschieden.“ (Hv. hinzugefügt)

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