vonDetlef Georgia Schulze 20.08.2024

Theorie als Praxis

Hier bloggt Detlef Georgia Schulze über theoretische Aspekte des Politischen.

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Das Bundesverwaltungsgericht sagt jetzt in aller Deutlichkeit (was – nebenbei gesagt – meine Rede seit dem 25. August 2017 ist): Medien und MedienherausgberInnen/Verlag sind zweierlei (Zitat unter dem Bild).

„Die Differenzierung zwischen Organisation und Presseerzeugnis bzw. Medium als Anknüpfungspunkt und Objekt staatlicher Maßnahmen entspricht der Abgrenzung zwischen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Vereinsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG) gegenüber der Landesgesetzgebungskompetenz für das Medien- und Presserecht (Art. 70 Abs. 1 GG).“
(https://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/140824B6VR1.24.0.pdf, Textziffer 13; Hv. hinzugefügt)

Das vorstehende Zitat stammt aus dem heute im anonymisierten Wortlaut veröffentlichten Beschluß des Bundesverwaltungsgericht vom Mittwoch der vergangenen Woche (siehe zur damaligen Pressemitteilung des BVerwG: taz-Blogs vom 14.08.2024), mit dem es das Verbot der Compact-Magazin GmbH weitgehend außer Vollzug setzte.

Der Beschluß-Text (unten drunter folgen 21 Anmerkungen)

Seite 1 oben:


Seite 2 (weiße Fläche im oberen Bereich = Anonymisierung):

Der Beschluß als .html-Seite: https://www.bverwg.de/140824B6VR1.24.0 (die .pdf-Datei gibt es bei dem Download-Symbol [Pfeil nach unten – rechts neben dem Beschlußdatum]). Vgl. bereits: taz-Blogs vom 14.08.2024.


Ergänzende Anmerkungen


Gliederung der der Anmerkungen:

1. Leitsatz zu der Entscheidung

2. Die einschränkenden Maßgaben, mit denen die Außervollzugsetzung des Verbots erfolgt

3. Kostenscheidung

4. Wiedergabe der BMI-Verbotsbegründung

5. Antragsbegründung der AntragstellerInnen (Compact-Magazin GmbH etc.)

6. Gliederung des (Restes des) Beschlusses

7. Klare Unterscheidung zwischen Medien und Medien-HerausgeberInnen/Verlagen

8. Bloß untergeordnete Berücksichtigung der Medienfreiheit, extended version

9. War die Compact-Magazin GmbH ein Verein, dessen “Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt”?

10. Bestand die Compact-Magazin GmbH aus einer “Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen” (§ 2 Absatz 1 Vereinsgesetz)?

11. Begriff der “verfassungsmäßige Ordnung” in Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz

12. Die Vereinsverbotsvoraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Gerichtetheit gegen die “verfassungsmäßige Ordnung”

13. Verhältnismäßigkeit / “mildere Mittel”

14. Rechtsprechung als gerichtliche Selbstermächtigungs-Veranstaltung: ‘Wir dürfen werten und müssen nicht quantifizieren.’

15. BVerwG-Referat der BVerfG-Rechtsprechung zur Meinungsäußerungsfreiheit

16. Anhaltspunkte für eine Verletzung der Menschenwürde

17. “kämpferisch-aggressive Haltung”

18. Der Ausgang des Hauptsache-Verfahrens ist ungewiß

19. Abwägung: Vorläufige Fortsetzung versus vorläufige Aussetzung der Vollziehung

20. Zu den Anträgen der Conspect-Film GmbH sowie der AntragstellerInnen, die natürliche Personen sind: Das Leipziger Landdogma bleibt bestehen

21. Kostenentscheidung und Streitwert


1. Leitsatz zu der Entscheidung

a) Dem Beschluß ist folgender Leitsatz vorangestellt: „Ein Vereinsverbot gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG kann als Instrument des ‚präventiven Verfassungsschutzes“ auch gegenüber zum Zweck der Verbreitung von Nachrichten und Meinungsbeiträgen gegründeten Medienorganisationen erlassen werden (wie BVerwG, Urteil vom 29. Januar 2020 – 6 A 1.19 – BVerwGE 167, 293 Rn. 34 ff.).“ (Hyperlink hinzugefügt)

b) Die ältere Entscheidung, auf die verwiesen wird, ist das Urteil zum Verbot des angeblichen „Vereins ‚linksunten.indymedia'“ (siehe zu diesem Urteil: Das Leipziger Landdogma und der wirkliche Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz [de.indymedia vom 30.01.2020]).

c) Dort hieß es bei der genannten Randnummer („Rn.“) bzw. Textziffer 34:

„Ein Vereinsverbot zielt darauf, die mit dem organisatorischen Gefüge der Vereinigung als zweckgerichtetem Zusammenschluss mehrerer Personen einhergehenden Gefahren präventiv zu bekämpfen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR 57/14 – BVerfGE 149, 160 Rn. 104). Das Argument der Klägerin, die eigentliche Zielrichtung der Verbotsbehörde sei die Abschaltung der von der verbotenen Vereinigung betriebenen Internetplattform „linksunten.indymedia.org“ gewesen, führt im Rahmen der Frage der Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes nicht weiter. Denn entscheidend ist, wer hinter einer im Internet benutzten Bezeichnung steht und sich ihrer zur Verfolgung seiner Ziele bedient (vgl. so bereits BVerwG, Urteil vom 14. Mai 2014 – 6 A 3.13 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 26). Zwar wäre ein Vereinigungsverbot mit den Anforderungen des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, wenn es nur das Mittel wäre, Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießen. Der Schutz durch andere Grundrechte darf von einem Vereinigungsverbot nicht unterlaufen werden. Insbesondere darf ein Vereinigungsverbot nicht bewirken, dass auf diesem Wege untersagt wird, was die Freiheitsrechte sonst erlauben. Dieser Frage ist aber nicht auf der Ebene der Anwendbarkeit der vereinsrechtlichen Verbotsnorm, sondern im Rahmen der Prüfung der Verbotsgründe nachzugehen (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12, 1 BvR 670/13, 1 BvR 57/14 – BVerfGE 149, 160 Rn. 93, 113).“

d) Dies kann als „bloß untergeordnete Berücksichtigung von Artikel 5 Absatz 1 und 2 Grundgesetz“ kritisiert werden.

e) Die Alternative besteht darin, in Bezug auf Organisationen, die sich hauptsächlich oder ausschließlich in Form des Verlegens oder Herausgebens von Medien betätigen,

  • die Medienfreiheiten aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 2 Grundgesetz

  • und

  • deren spezifischen Schranken in Artikel 5 Absatz 2 Grundgesetz

  • sowie

  • die Schranken-Schranke des Zensurverbots aus Artikel 5 Absatz 1 Satz 3 Grundgesetz

als die vorrangige lex specialis („lex specialis derogat legi generali“ [Das speziellere Gesetz verdrängt das allgemeinere]) anzusehen, da ihnen die organisations-spezifische Gefährlichkeit (koordinierteres materielles [v.a. physisches] Handeln einer größeren Mitgliederzahl) fehle, sondern sie sich (i.d.R. mit einer kleineren Mitglieder/GesellschafterInnenzahl) ausschließlich oder vor allem im geistigen Bereich, wo der Freiheitsspielraum nach dem Grundgesetz stärker ausgeprägt ist, betätigen; vgl. dazu auch

  • Paula Rhein-Fischer im Verfassungsblog am 19.07.2024 („das Vereinsrecht [wird] bei primär auf das Presseerzeugnis selbst zielenden Verboten vom Presserecht verdrängt. […] dies ist […] Folge der insoweit vorrangigen und eben besonderen Regeln unterliegenden Pressefreiheit, insbesondere der Entscheidung für eine selbstregulative statt einer staatlichen Aufsicht über die Presse.“)

  • und

  • Zitat von Prof. Gusy in der Legal Tribune Online vom 16.07.2024: „sei deshalb besondere Vorsicht geboten, weil die besonderen Schrankenbestimmungen des Art. 5 GG für Publikationsorgane ‚im Vereinsrecht nicht abgebildet werden‘. Das gilt insbesondere für das Erfordernis eines allgemeinen Gesetzes gemäß Art. 5 Abs. 2 GG und die unmissverständliche Wertung des Art. 5 Abs. 1 S. 3 GG: ‚Eine Zensur findet nicht statt.'“].

2. Die einschränkenden Maßgaben, mit denen die Außervollzugsetzung des Verbots erfolgt

a) In der Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts von Mittwoch der vergangenen Woche hieß es: “Dem Antrag der COMPACT-Magazin GmbH, die aufschiebende Wirkung ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesministeriums des Innern und für Heimat (BMI) wiederherzustellen, hat das Bundesverwaltungsgericht heute mit bestimmten Maßgaben stattgegeben.” Zu diesen Maßgaben wurde dort bloß Folgendes erläutert: “Diese dienen vor allem der weiteren Auswertung der beschlagnahmten Beweismittel für das anhängige Hauptsacheverfahren.”

b) Nunmehr heißt es in dem Beschluß-Tenor:

„a) Die Antragsgegnerin [= die Bundesrepublik Deutschland] darf vor der Rückgabe der bei dem Vollzug des Vereinsverbots sichergestellten und beschlagnahmten Beweismittel und Vermögensgegenstände binnen einer Woche ab Zustellung des vollständig abgefassten Beschlusses Kopien von papiergebundenen Unterlagen (Akten, Kontoauszügen etc.) sowie elektronischen Speichermedien (u. a. Computer und Laptops mit internen Festplatten, Notebooks, Tablets sowie externen Festplatten, USB-Sticks, USB-Karten, NAS-Speicher, SD-Karten, Seite 3 von 29 DVDs, CDs) anfertigen sowie Mobiltelefone und SIM-Karten auswerten.
b) Von der Herausgabe der bei dem Vereinsverbot sichergestellten und beschlagnahmten Gegenstände sind Waffen und waffenähnliche Gegenstände ausgenommen.“

c) Der Tenor enthält keine Einschränkung der Maßgaben im Hinblick auf dem presserechtlichen Quellenschutz unterliegendes Material; vielleicht kommt dazu noch etwas in der Begründung, die ich noch nicht gelesen habe. Mal sehen. kam nicht.

3. Kostenentscheidung

Wie das Gericht Sieg und Niederlage in etwa verteilt ansieht, läßt sich an der Kostenentscheidung erkennen:

„Die Gerichtskosten tragen die Antragsgegnerin und die Antragstellerin zu 2 zu je 3/10 sowie die Antragsteller zu 3 bis 10 zu je 1/20.“

Die Antragsgegnerin ist – wie gesagt – die BRD; die Antragstellerin zu 2 dürfte die Conspect-Film-GmbH, die vom BMI als Teilorganisation der Compact-Magazin GmbH (= Antragstellerin 1) klassifiziert wurde, sein; und die Antragsteller zu 3 bis 10 sind natürliche Personen (= Menschen) sein. Der Antragsteller zu 3 (66,67 % der Anteile) sowie der Antragsteller zu 5 (33,33 %) sind Gesellschafter der Compact-Magazin GmbH.

Zu den Eigentumsverhältnissen in Bezug auf die Conspect-Film GmbH heißt es: „Neben der Antragstellerin zu 1 (78,94 %) sind der Antragsteller zu 3 (4,39 %), die Antragstellerin zu 4 (12,28 %) sowie der Antragsteller zu 6 (4,39 %) an der Antragstellerin zu 2 beteiligt.“ (Tz. 2)

Des weiteren heißt es zu den AntragstellerInnen 3 bis 10:

„Der Antragsteller zu 3 ist Geschäftsführer der Antragstellerin zu 1 und zugleich Chefredakteur des ‚COMPACT-Magazin für Souveränität‘, die Antragstellerin zu 4 ist Geschäftsführerin der Antragstellerin zu 2. Der Antragsteller zu 5 ist als Prokurist bei der Antragstellerin zu 1 angestellt. Die Antragsteller zu 6 bis 10 sind als Redakteure bzw. kaufmännische Angestellte bei der Antragstellerin zu 1 beschäftigt.“ (Tz. 3)

Mit anderen Worten: Die AntragstellerInnen hatten deutlich mehr beantragt als sie bekommen haben (weshalb wird – für die natürlichen Personen – in Anmerkung 20 erklärt); die BRD hat – in Kostenanteilen ausgedrückt – nur zu 30 % verloren (Textziffer [Tz.] 1 des Beschlusses).

4. Wiedergabe der BMI-Verbotsbegründung

Die Verbotsbegründung des BMI wird vom BVerwG in Tz. 4 wie folgt wieder gegeben:

„die Vereinigung lehne die verfassungsmäßige Ordnung nach ihren Zwecken und ihrer Tätigkeit ab und weise eine verfassungsfeindliche Grundhaltung auf. Bei der Verwirklichung der verfassungsfeindlichen Ziele nehme der Verein eine aggressiv-kämpferische Haltung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung ein. Die Antragstellerin zu 1 propagiere ein völkisch-nationalistisches Gesellschaftskonzept. Dies spiegele sich in zahlreichen Beiträgen ihrer Printausgaben sowie in den Online-Formaten wider. Zudem bediene sie sich des Narratives des ‚Großen Austauschs‘ bzw. ‚Bevölkerungsaustauschs‘, ‚Volksaustauschs‘ oder der ‚Ersetzungsmigration‘ und präsentiere die ‚Remigration‘ und ‚Re-Tribalisierung‘ als Lösungskonzepte zum Erhalt eines ethnisch homogenen Volkes. In zahlreichen Veröffentlichungen offenbare sich Fremden- und Migrantenfeindlichkeit sowie Antisemitismus.“

Siehe zum Inhalt der BMI-Verbotsbegründung auch die entsprechenden Passagen in den verwaltungsgerichtlichen Durchsuchungsbeschlüsse im “Compact‘-Kontext‘, die von mir am 05.08.2024 veröffentlicht wurden (es folgt dort bei Gelegenheit noch eine weitere Aktualisierung).

5. Antragsbegründung der AntragstellerInnen (Compact-Magazin GmbH etc.)

a) In Textziffer 5 gibt das BVerwG die Antragsbegründung der AntragstellerInnen wie folgt wieder:

„Zur Begründung der Anträge haben sie im Wesentlichen ausgeführt, das Verbot ziele auf ein Totalverbot der publizistischen Verbreitung des monatlichen Magazins und der Medienhäuser der COMPACT-Magazin GmbH sowie der CONSPECT FILM GmbH ab. Es konstruiere dafür ein rechtsextremistisches Netzwerk in Form eines Vereins. Ihre unternehmerische Betätigung genieße den Schutz der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG. Für das Presse- und Medienrecht liege die Gesetzgebungskompetenz bei den Ländern. Das Vereinsgesetz dürfe nicht so ausgelegt und angewendet werden, dass die Gesetzgebungskompetenz der Länder für das inhaltsbezogene Presse- und Medienrecht unterlaufen werde. Auch die fehlende Zitierung von Art. 5 Abs. 1 GG in § 32 VereinsG deute darauf hin, dass eine Einschränkung der Pressefreiheit durch den Vereinsgesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sei. Die Antragstellerinnen zu 1 und 2 seien darüber hinaus keine Vereine i. S. d. § 2 Abs. 1 VereinsG. Jedenfalls sei der Verbotsgrund des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung nicht erfüllt. Das Vereinsverbot sei im Übrigen unverhältnismäßig.“ (Hv. hinzugefügt)

b) Der von mir fett hervorgehobene Satz bedeutet, daß sich die AntragstellerInnen die – von mir als „bloß untergeordneten Berücksichtigung von Artikel 5 Absatz 1 und 2 Grundgesetz“ kritisierte – Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu eigen gemacht hatten und nicht die medienfreundlichere lex specialis-These verfochten haben (lex specialis-These = die Auffassung, daß in Bezug Organisationen, die sich hauptsächlich oder ausschließlich in Form des Verlegens oder Herausgebens von Medien betätigen, Artikel 5 die – verglichen mit Artikel 9 Grundgesetz – speziellere und daher vorrangige Norm sei.)

c) Wie die AntragstellerInnen ihre Auffassung begründet haben, die beiden GmbH seien keine Vereine im Sinne von § 2 Absatz 1 Vereinsgesetz, wird vom BVerwG nicht gesagt. Die genannte Norm lautet jedenfalls:

„Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.“

Unter ‚einer Mehrheit von Personen‘ werden von der überwiegenden juristischen Meinung (Nachweise folgen später) mindestens drei Personen verstanden; die Compact-Magazin GmbH hat aber nur zwei Gesellschafter (siehe oben); die Conspect-Film GmbH hat aber mehr als zwei GesellschafterInnen (siehe ebenfalls oben).

Die Freiwilligkeit des Zusammenschlusses (= der GmbH-Gründungen) dürfte sich nicht ernsthaft bezweifeln lassen; die GmbH existieren auch schon „längere Zeit“, und es deutet auch nichts darauf hin, daß sie eh demnächst von den GesellschafterInnen aufgelöst werden sollten; der „gemeinsamen Zweck“ besteht im Verlegen der Zeitschrift „Compact. Magazin für Souveränität“ und in dem Betreiben des online-Kanals „Compact-TV“. Die Willensbildung der beiden GmbH erfolgt auch „organisiert“, nämlich durch das GmbH-Gesetz und durch die Satzungen der beiden GmbH geregelt.

6. Gliederung des (Restes des) Beschlusses

a) Tz. 10 gibt uns als – Fließtext – die Gliederung von Abschnitt II. 1. a. (Tz. 10 bis 45 bzw. S. 6 bis 25) des Beschlusses.

Abschnitt I. (mit Tz. 1 bis 7) war die Darstellung des Sachverhalts und des Verfahrensganges. Abschnitt II. enthält die Begründung (im engeren Sinne) des Beschlusses.

Abschnitt II. (Tz. 8 bis 59) besteht vor allem aus Abschnitt 1. (zu dem Antrag von Antragstellerin 1) und 2. (zu den Anträgen der anderen AntragstellerInnen).

Abschnitt II. 1. reicht von Tz. 9 bis 50; II. 2. von Tz. 51 – 57 (es folgen dann noch zwei Textziffern). Tz. 8 besteht nur aus zwei Sätzen:

„Die Anträge auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klagen nach § 80 Abs. 5 Satz 1 i. V. m. Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 VwGO haben lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Sie sind statthaft, soweit in Ziffer 9 des Bescheids die sofortige Vollziehung angeordnet ist, und auch im Übrigen zulässig.“

b) Tz. 9 lautet im wesentlichen:

„der in dem Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes allein gebotenen und möglichen summarischen Prüfung die Erfolgsaussichten ihrer Klage gegen die Verbotsverfügung derzeit offen sind (a.). Die sofortige Vollziehung der Verbotsverfügung dennoch aufrechtzuerhalten, wäre mit dem Gebot effektiven Rechtsschutzes nur dann vereinbar, wenn die mit der Anordnung der sofortigen Vollziehung verbundene Rechtsbeeinträchtigung der Antragstellerin zu 1 mit hinreichend gewichtigen Gründen des Allgemeinwohls zu rechtfertigen wäre. Dies ist nicht der Fall (b.).“

Abschnitt II. 1. a. reicht von Tz. 10 bis 45; Abschnitt II. 1. b. von. Tz. 46 bis 50.

c) Hier nun die Gliederung von Abschnitt II. 1. a. (S. 6 bis 25) des Beschlusses – von mir in Aufzählungspunkte zerlegt:

  • Es bestehen keine Bedenken gegen die Anwendbarkeit des Vereinsgesetzes auf die in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung organisierte und als Presse- und Medienunternehmen tätige Antragstellerin zu 1 (aa.).

  • Alles spricht auch dafür, dass die Verbotsverfügung formell rechtmäßig ist (bb.).

  • In materieller Hinsicht bestehen keine Zweifel daran, dass es sich bei der Antragstellerin zu 1 um einen Verein i. S. d. § 2 Abs. 1 VereinsG handelt (cc.),

  • der sich die Aktivitäten seiner Teilorganisation – der Antragstellerin zu 2 – zurechnen lassen muss (dd.).

  • Ob diese Vereinigung aber den – wie alle Gründe des § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG, Art. 9 Abs. 2 GG eng auszulegenden – Verbotsgrund des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung erfüllt, vermag der Senat derzeit nicht abschließend zu beurteilen (ee.).

Abschnitt ee. erstreckt sich von Tz. 12 bis 45 (Seite 12 bis 25) und ist seinerseits noch mal in drei Unterabschnitt (1) (Tz. 25 – 31), (2) (Tz. 32 bis 40), (3) (nur Tz. 41) und (4) (Tz. 42 bis 45) untergliedert.

Textziffer 24 nennt die Themen dieser vier Unterabschnitte:

  • Zweifelhaft erscheint […] zum gegenwärtigen Zeitpunkt, ob die Antragstellerin zu 1 – auch unter Einbeziehung der ihr als Teilorganisation zuzurechnenden Aktivitäten der Antragstellerin zu 2 – den Verbotsgrund des Sichrichtens gegen die verfassungsmäßige Ordnung i. S. d. § 3 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 VereinsG i. V. m. Art. 9 Abs. 2 Alt. 2 GG ((1)) erfüllt.
  • Zwar lassen einzelne Ausführungen in den von der Antragstellerin zu 1 verbreiteten Print- und Online-Publikationen Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde erkennen ((2)).
  • Es spricht auch viel dafür, dass die Antragstellerin zu 1 mit der ihr eigenen Rhetorik in zahlreichen Beiträgen eine kämpferisch-aggressive Haltung gegenüber elementaren Verfassungsgrundsätzen einnimmt ((3)).
  • Zweifel bestehen jedoch, ob angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge in den dem Senat derzeit vorliegenden Ausgaben des COMPACT-Magazins die Art. 1 Abs. 1 GG verletzenden Passagen für die Ausrichtung der Vereinigung insgesamt derart prägend sind, dass das Verbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist ((4)).

d) Hinweis zur juristischen Terminologie für den hiesigen Kontext (aber nicht für alle Kontexte):

  • Die Begriffe „Zulässigkeit“ und „Formelles“ entsprechen einander.

  • Und die Begriffe „Begründetheit“ und „Materielles“ entsprechen einander.

Ersteres sind Dinge wie Form- und Fristgemäßheit sowie Zuständigkeit; zweiteres ist das, worum es der Sache nach geht.

7. Klare Unterscheidung zwischen Medien und Medien-HerausgeberInnen/Verlagen

Wie bereits eingangs betont – das Bundesverwaltungsgericht sagt bei Textziffer 13 in aller Deutlichkeit: Medien und MedienherausgberInnen/Verlag sind zweierlei:

„Die Differenzierung zwischen Organisation und Presseerzeugnis bzw. Medium als Anknüpfungspunkt und Objekt staatlicher Maßnahmen entspricht der Abgrenzung zwischen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Vereinsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG) gegenüber der Landesgesetzgebungskompetenz für das Medien- und Presserecht (Art. 70 Abs. 1 GG).“
(https://www.bverwg.de/entscheidungen/pdf/140824B6VR1.24.0.pdf, Textziffer 13; hinzugefügt)

Ausschnitt aus meinem 2019 an das Bundesinnenministerium gerichteten Antrag das Verbot des angeblichen ‚Vereins ‚linksunten.indymedia“ zurückzunehmen:



8. Bloß untergeordnete Berücksichtigung der Medienfreiheit, extended version

In Gänze lautet Tz. 13 folgendermaßen:

„Auch der Unternehmensgegenstand der Antragstellerin zu 1 hindert nicht die Anwendung vereinsrechtlicher Normen. In der höchstrichterlichen Rechtsprechung ist geklärt, dass ein Vereinsverbot gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 VereinsG als Instrument des „präventiven Verfassungsschutzes“ auch gegenüber zum Zweck der Verbreitung von Nachrichten und Meinungsbeiträgen gegründeten Medienorganisationen erlassen werden kann. Denn Gegenstand eines solchen Verbots, das der präventiven Bekämpfung der mit dem zweckgerichteten Zusammenschluss mehrerer Personen einhergehenden Gefahren dient, ist die hinter dem Medium stehende Organisation, die sich der von ihr verlegten Druckerzeugnisse oder Telemedien zur Verfolgung ihrer Ziele bedient (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 – 6 A 3.13 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 26 und vom 29. Januar 2020 – 6 A 1.19 – BVerwGE 167, 293 Rn. 34 ff.). Die Differenzierung zwischen Organisation und Presseerzeugnis bzw. Medium als Anknüpfungspunkt und Objekt staatlicher Maßnahmen entspricht der Abgrenzung zwischen der konkurrierenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für das Vereinsrecht (Art. 74 Abs. 1 Nr. 3 GG) gegenüber der Landesgesetzgebungskompetenz für das Medien- und Presserecht (Art. 70 Abs. 1 GG). Zwar wäre ein Vereinigungsverbot mit den Anforderungen des Grundgesetzes nicht zu vereinbaren, wenn es nur das Mittel wäre, Meinungsäußerungen oder Publikationen zu untersagen, die für sich genommen den Schutz des Art. 5 Abs. 1 GG genießen. Insbesondere darf ein Vereinigungsverbot nicht bewirken, dass auf diesem Wege untersagt wird, was die Freiheitsrechte sonst erlauben. Dieser Frage ist aber – entgegen der Auffassung der Antragsteller – nicht auf der Ebene der Anwendbarkeit der vereinsrechtlichen Verbotsnorm nachzugehen, sondern im Rahmen der Prüfung der Verbotsgründe (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12 u. a. – BVerfGE 149, 160 Rn. 93, 98 und 113).“

Das ist also noch mal – hier etwas länger als in dem vorangestellt Leitsatz formuliert – die bloß untergeordneten Berücksichtigung von Artikel 5 Absatz 1 und 2 Grundgesetz und die – implizite – Ablehnung der lex specialis-These. Auf die an der diesbezüglichen, bisherigen Rechtsprechung des BVerwG geübten Kritik geht das Gericht nicht ein.

9. War die Compact-Magazin GmbH ein Verein, dessen „Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt“?

Bei Tz. 15 sagt das BVerwG:

„Gemäß § 3 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 VereinsG war das BMI für ihren Erlass zuständig. Hiernach ist das BMI Verbotsbehörde für Vereine und Teilvereine, deren Organisation oder Tätigkeit sich über das Gebiet eines Landes hinaus erstreckt. Zuständigkeitsbegründend ist danach unter anderem bereits, dass die betroffene Vereinigung über das Gebiet eines Bundeslandes hinaus durch nicht ganz unbedeutende Tätigkeiten anhaltend in Erscheinung tritt, wobei es nicht darauf ankommt, ob diese für sich genommen den Verbotstatbestand erfüllen (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. August 2009 – 6 A 3.08 – BVerwGE 134, 275 Rn. 12). Dies ist hier deshalb der Fall, weil sich das monatlich erscheinende Printmagazin ‚COMPACT-Magazin für Souveränität‘ (im Folgenden: COMPACT-Magazin) erkennbar an einen bundesweiten Kundenkreis richtet.“

Dieses Abstellen darauf, wo die RezepientInnen (LeserInnen) der Medien der Verbotsobjekte sitzen und nicht darauf, wo die Vereinsmitglieder sitzen und die Vereinssitzungen stattfinden und wo die Verbotsobjekte ggf. Büros haben, überzeugt mich nicht – und überzeugte mich schon in Bezug auf den angeblichen „Vereins ‚linksunten.indymedia'“ nicht.

10. Bestand die Compact-Magazin GmbH aus einer „Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen“ (§ 2 Absatz 1 Vereinsgesetz)?

a) Zur Frage der Vereinsförmigkeit der Compact-Magazin GmbH und der dafür nötigen Mindestmindergliederzahl führt das BVerwG bei Textziffer 18 den im Vereinsgesetz nicht vorhandenen Terminus „Kern der Vereinigung“ ein und sagt im übrigen:

„Gesellschafter der Antragstellerin zu 1 sind die Antragsteller zu 3 und 5, die sich vor mehr als zehn Jahren in einem konstitutiven Akt zusammengeschlossen haben, um gemeinsam zunächst nur die Zeitschrift COMPACT-Magazin, später auch weitere Publikationen herauszugeben und damit in Zusammenhang stehende Veranstaltungen und Filmproduktionen zu organisieren. Sie bilden einen – für sich genommen schon ausreichenden – Kern der Vereinigung i. S. d. § 2 Abs. 1 VereinsG, für den jedenfalls die gesellschaftsrechtlichen Regelungen des GmbH-Gesetzes eine organisierte Willensbildung vorgeben.“

b) Bei Textziffer 19 heißt es dann:

„An der Herausgabe der zahlreichen Medien, der (Mit-)Organisation von Veranstaltungen sowie der Bereithaltung des umfangreichen Online-Angebots der Vereinigung sind über diese Gesellschafter hinaus weitere Personen beteiligt, u. a. Autoren, Redakteure und kaufmännische Angestellte. Sie haben sich – aufgrund von Arbeitsverträgen, zumindest aber konkludent – mit den beschriebenen Zielen des Zusammenschlusses einverstanden gezeigt und wirken arbeitsteilig zusammen, um das multimediale Produktportfolio aufrechtzuerhalten und die Veranstaltungen durchführen zu können. Ob auch diese Personen – wie die Verbotsverfügung annimmt – als Mitglieder der Vereinigung anzusehen sind, braucht jedenfalls im Eilverfahren nicht abschließend entschieden zu werden.“

Das letztere offen zu lassen ist meines Erachtens – angesichts von nur zwei Gesellschaftern – nicht damit vereinbar, daß sich das BVerwG schon wie folgt festlegt:

„Die Antragstellerin zu 1 war zum Zeitpunkt des Bescheiderlasses ein Verein i. S. d. § 2 Abs. 1 VereinsG.“ (Tz. 17)

11. Begriff der „verfassungsmäßige Ordnung“ in Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz

a) Bei Texziffer 25 sagt das Bundesverwaltungsgericht in Bezug auf den Vereins-Verbotsgrund der Gerichtetheit „gegen die verfassungsmäßige Ordnung“:

„Das Schutzgut der verfassungsmäßigen Ordnung umfasst – wie die freiheitlich demokratische Grundordnung in Art. 18 und Art. 21 Abs. 2 GG – die elementaren Grundsätze der Verfassung, namentlich die Menschenwürde nach Art. 1 Abs. 1 GG, das Demokratieprinzip und den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.“ (Hv. hinzugefügt)

Das ist deshalb wichtig, weil das BMI in der linksunten-Verbotsverfügung ventiliert hatte der Begriff der „verfassungsmäßigen Ordnung“ in Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz sei eventuell kein Synonym zum Begriff der „freiheitlichen demokratischen Grundordnung“ in Artikel 18 und 21, sondern weiter („jedenfalls“). Das BMI schrieb damals auf S. 55 seiner Verfügung, zur „verfas­sungsmäßigen Ordnung“ i.S.d. Art. 9 II GG zählten „jedenfalls die elementaren Ver­fassungsgrundsätze […], die den Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundord­nung ausmachen“ (Hv. hinzugefügt).

Dem scheint das BVerwG jetzt – erfreulicherweise – eine Absage erteilt zu haben (siehe die Hervorhebung in vorstehendem Zitat).

b) Die drei genannten Normen lauten –

Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz: „Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“

Artikel 18 Satz 1 Grundgesetz: „Wer die Freiheit der Meinungsäußerung, insbesondere die Pressefreiheit (Artikel 5 Abs. 1), die Lehrfreiheit (Artikel 5 Abs. 3), die Versammlungsfreiheit (Artikel 8), die Vereinigungsfreiheit (Artikel 9), das Brief-, Post- und Fernmeldegeheimnis (Artikel 10), das Eigentum (Artikel 14) oder das Asylrecht (Artikel 16a) zum Kampfe gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung mißbraucht, verwirkt diese Grundrechte.“

Artikel 21 Absatz 2 Grundgesetz: „Parteien, die nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger darauf ausgehen, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen oder den Bestand der Bundesrepublik Deutschland zu gefährden, sind verfassungswidrig.“

Für die Synonym-These spricht die gleiche Funktion der Begriffe in allen drei Normen: Sie legitimieren außerordentliche (über das normale Maß der Grundrechtseingriffe hinausgehende) Eingriffe in Grundrechte.

c) Jedenfalls ist die Bedeutung des Ausdrucks „verfassungsmäßige Ordnung“ in Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz – aufgrund seines dortigen spezifischen Kontextes – eine andere als an anderen Stelle des Grundgesetzes (nähere Begründung ist weiter unten angedeutet [Vergleich mit Artikel 2 Absatz 1 sowie Artkel 20 Absatz 3 Grundgesetz]).

12. Die Vereinsverbotsvoraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Gerichtetheit gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“

Insgesamt beschäftigt sich Abschnitt II. 1. a. ee) (1) (Tz. 25 bis 31) mit den Vereinsverbotsvoraussetzungen unter dem Gesichtspunkt der Gerichtetheit gegen die „verfassungsmäßige Ordnung“. Es handelt sich also um Rechtsausführungen, die Geltung über den aktuellen Fall hinaus beanspruchen (und unter die dann im folgenden der aktuelle Fall [Sachverhalt] subsumiert wird).

a) Textziffer 26 führt das BVerwG zunächst aus:

„Eine Vereinigung muss sich gegen diese elementaren Grundsätze ‚richten‘. Ihr Verbot ist nicht bereits dann zu rechtfertigen, wenn sie sich kritisch oder ablehnend gegen diese Grundsätze wendet oder für eine andere Ordnung eintritt. Art. 9 Abs. 2 GG ist – auch unter Beachtung von Art. 5 Abs. 1 sowie Art. 3 Abs. 3 Satz 1 GG – kein Weltanschauungs- oder Gesinnungsverbot und zielt weder auf innere Haltungen noch auf bestimmte politische Überzeugungen. Selbst die Verbreitung verfassungsfeindlicher Ideen überschreitet als solche nicht die Grenze der freien politischen Auseinandersetzung. So wie das Grundgesetz die Meinungsfreiheit im Vertrauen auf die Kraft der freien öffentlichen Auseinandersetzung grundsätzlich auch den Feinden der Freiheit garantiert, vertraut es mit der Vereinigungsfreiheit im Grundsatz auf die Kraft des bürgerschaftlichen Engagements im freien und offenen politischen Diskurs.“

Es hätte nahelegen nach diesen Sätze auf die von mir am vergangenen Mittwoch aufgeworfene (und im zweiten Sinne beantwortete) Frage einzugehen:

„ob sich Vereine schon dann gegen die ‚gegen die verfassungsmäßige Ordnung‘ richten, wenn sie selbst etwas menschenunwürdiges über (bestimmte) Menschen sagen und nicht erst, dann, wenn sie an der Menschenwürde-Garantie als Bestandteil der verfassungsmäßigen Ordnung etwas ändern wollen.“

b) Den Gefallen tut mir das Gericht aber nicht. Statt dessen springt es gleich zur Floskel „aggressiv-kämpferische Haltung“, mit der es das Vorstehende, das sich nach eher hohen Hürden für Vereinsverbote anhörte, gleich wieder wegwischt („Schon“):

„Schon wenn die Vereinigung als solche kämpferisch-aggressiv darauf ausgerichtet ist, wesentliche Elemente der verfassungsmäßigen Ordnung zu zerstören, rechtfertigt dies ihr Verbot (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12 u. a. – BVerfGE 149, 160 Rn. 107 ff.; BVerwG, Urteile vom 14. Mai 2014 – 6 A 3.13 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 62 Rn. 34 f. und vom 21. August 2023 – 6 A 3.21 – BVerwGE 180, 1 Rn. 256).“

13. Verhältnismäßigkeit / „mildere Mittel“

Bei Tz. 27 führt das Gericht dann aus:

„Schließlich setzt ein Vereinsverbot, um dem Verhältnismäßigkeitsprinzip zu genügen, voraus, dass die verfassungswidrigen Aktivitäten für die Ausrichtung der Vereinigung derart prägend sind, dass mildere Maßnahmen keinen effektiven Schutz versprechen (BVerwG, Urteile vom 21. August 2023 – 6 A 3.21 – BVerwGE 180, 1 Rn. 121 und vom 19. September 2023 – 6 A 12.21 – juris Rn. 109). Art. 9 Abs. 2 GG steht weniger einschneidenden Eingriffen in die
Grundrechte der Vereinigung als ihrem Verbot nicht entgegen, wie etwa einem Verbot bestimmter Tätigkeiten der Vereinigung und Maßnahmen gegen einzelne Mitglieder. Dazu zählen presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen, unabhängig davon, ob solche Maßnahmen im Vereinsrecht selbst, im sonstigen Sicherheits- und Ordnungsrecht oder auch im Strafrecht verankert sind (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12 u. a. – BVerfGE 149, 160 Rn. 102).“ (Hyperlink hinzugeügt)

An der vom Bundesverwaltungsgericht genannten Stelle führte das Bundesverfassungsgericht aus:

„Für ein Verbot von Vereinigungen gilt wie für jeden anderen Eingriff in Grundrechte einer Vereinigung der im Rechtsstaatsprinzip verankerte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit, der hoheitliches Handeln zugunsten grundrechtlich geschützter Freiheit beschränkt. Das zwingt dazu, gegenüber Vereinigungen das jeweils mildeste gleich wirksame Mittel zu ergreifen, um legitimen Gemeinwohlbelangen Rechnung zu tragen (ähnlich BVerwG, Urteil vom 2. Dezember 1980 – 1 A 3.80 – BVerwGE 61, 218 ; für Ausnahmefälle seit BVerwG, Urteil vom 5. August 2009 – 6 A 3.08 – BVerwGE 134, 275 , Rn. 86 f.; vgl. BVerwG, Urteil vom 16. November 2015 – 1 A 4.15 – BVerwGE 153, 211 , Rn. 48 f. m.w.N.). Art. 9 Abs. 2 GG steht weniger einschneidenden Eingriffen in die Grundrechte der Vereinigung als ihrem Verbot nicht entgegen, wie etwa einem Verbot bestimmter Tätigkeiten der Vereinigung und Maßnahmen gegen einzelne Mitglieder. Zu den in Stellungnahmen zu diesem Verfahren genannten Maßnahmen gehören Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote, Einschränkungen und Verbote von Versammlungen und waffenrechtliche Anordnungen, unabhängig davon, ob solche Maßnahmen im Vereinsrecht selbst, im sonstigen Sicherheits- und Ordnungsrecht oder auch im Strafrecht verankert sind.“ (Hyperlinks hinzugefügt)

14. Rechtsprechung als gerichtliche Selbstermächtigungs-Veranstaltung: ‚Wir dürfen werten und müssen nicht quantifizieren.‘

Sodann heißt es Tz. 27 noch:

„Für die Beurteilung, ob die für die Erfüllung eines Verbotstatbestands herangezogenen Tätigkeiten die Aktivitäten des Vereins prägen, kommt es nicht auf eine quantitative, sondern auf eine wertende Betrachtung an (BVerwG, Urteil vom 21. August 2023 – 6 A 3.21 – BVerwGE 180, 1 Rn. 264). Da Vereinigungen etwaige verfassungsfeindliche Bestrebungen erfahrungsgemäß zu verheimlichen suchen, wird sich der vereinsrechtliche Verbotstatbestand in der Regel nur aus dem Gesamtbild ergeben, das sich aus einzelnen Äußerungen und Verhaltensweisen zusammenfügt. Der Umstand, dass diese Äußerungen und Verhaltensweisen gegebenenfalls einer mehr oder weniger großen Zahl unverfänglicher Sachverhalte scheinbar untergeordnet sind, besagt allein nichts über ihre Aussagekraft (BVerwG, Urteil vom 13. April 1999 – 1 A 3.94 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 30 S. 5).“

Ohne Umschweife ausgedrückt, ist die Botschaft an die Verfahrensbeteiligten und anderen LeserInnen: ‚Erwarten Sie bitte nicht allzu viel intersubjektive Nachvollziehbarkeit von unserer Beurteilung des jeweiligen Sachverhalts: Wir dürfen werten und müssen nicht quantifizieren.‘

Ach, glücklich ist das JuristInnen-Leben im Land des Anti-Positivismus…

15. BVerwG-Referat der BVerfG-Rechtsprechung zur Meinungsäußerungsfreiheit

a) Die Tz. 28 – 31 sind ein BVerwG-Referat der BVerfG-Rechtsprechung zur Meinungsäußerungsfreiheit. Am interessantesten ist diese Stelle (die Antragsgegnerin = Bundesrepublik Deutschland bekommt einen leichten Klaps auf den Kopf [„Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin“]):

„Bei mehrdeutigen Äußerungen haben Behörden und Gerichte sanktionsrechtlich irrelevante Auslegungsvarianten mit nachvollziehbaren und tragfähigen Gründen auszuschließen, bevor sie ihrer Entscheidung eine zur Anwendung sanktionierender Normen führende Deutung zugrunde legen wollen (BVerfG, Beschlüsse vom 19. April 1990 – 1 BvR 40 und 42/86 – BVerfGE 82, 43 vom 9. Oktober 1991 – 1 BvR 1555/88 – BVerfGE 85, 1 , vom 13. Februar
1996 – 1 BvR 262/91 – BVerfGE 94, 1 und vom 25. Oktober 2005 – 1 BvR 1696/98 – BVerfGE 114, 339 ). Entgegen der Annahme der Antragsgegnerin ist diese Interpretationsmaxime bei der Auslegung von Äußerungen auch im
Rahmen der Überprüfung eines gegenüber einem Presse- und Medienunternehmen ausgesprochenen Vereinsverbots zugrunde zu legen. Denn andernfalls könnte – entgegen der verfassungsgerichtlichen Vorgaben (BVerfG, Beschluss vom 13. Juli 2018 – 1 BvR 1474/12 u. a. – BVerfGE 149, 160 Rn. 93, 98 und 113) – der Schutz der Pressefreiheit durch ein Vereinigungsverbot unterlaufen werden.“ (Tz. 31)

b) Insgesamt hören sich diese Ausführungen nun wieder nach eher hohen Hürden für Vereinsverbote gegen Medien-HerausgeberInnen und Verlage an. Aber auch dieses – durchaus übliche – Hin- und Herpendeln der gerichtlichen Argumentation vom einerseits zum andererseits und zurück ist am realistischsten als rhetorisches Mittel zu begreifen, mit dem sich die Gerichte möglichst viel Spielraum für die Entscheidung der einzelnen Fälle offenhalten. Rechtssicherheit / Gesetzesbindung/-unterworfenheit der Justiz (Artikel 20 Absatz 2 sowie Artikel 97 Absatz 1 Grundgesetz), Gleichheit der unterschiedlichen BürgerInnen vor dem Gesetz (Artikel 3 Absatz 1 Grundgesetz) und Unabhängigkeit der Gerichte auch von den Verfahrensbeteiligten (noch einmal Artikel 97 Grundgesetz) = Entscheidung ohne Ansehen der Person – ach, alles nicht so wichtig. „Einzelfallgerechtigkeit“ – unser großes Ding.

16. Anhaltspunkte für eine Verletzung der Menschenwürde

Damit kommen wir nun zu Abschnitt II. 1. a. ee) (2) (Tz.32 bis 40). Diesen leitet das BVerwG wie folgt ein:

„In den von der Antragstellerin zu 1 verbreiteten Print- und Online-Publikationen lassen sich Anhaltspunkte insbesondere für eine Verletzung der Menschenwürde finden.“

Das („Anhaltspunkte“) ist vermutlich noch euphemistisch formuliert, sofern es um die Frage geht, ob sich Compact-AutorInnen diskriminierend (entwürdigend) über AusländerInnen und deutsche StaatsbürgerInnen, die nicht deren völkischem Deutschen-Begriff entsprechen, äußern. Wenig überraschend bleibt aber auch hier die oben – in Bezug auf die Rechtsausführungen des BVerwG schon angesprochene – Leerstelle, daß sich das Gericht nicht sorfältig damit auseinandersetzt,

  • daß zwar einer der drei Vereins-Verbotsgründe ‚Gerichtetheit gegen die verfassungsmäßige Ordnung‘ lautet;

  • daß zwar Artikel Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz sicherlich auch dann zur verfassungsmäßige Ordnung gehört, wenn unter „verfassungsmäßige Ordnung“ in Artikel 9 Absatz 2 Grundgesetz – nicht (wie in Artikel 2 Absatz 1 Grundgsetz) die Gesamtheit der verfassungsgemäßen Rechtsnormen und auch nicht (wie in Artikel 20 Absatz 3 Grundgesetz) „die Verfassung = das Grundgesetz“, sondern ausschließlich die „elementaren Grundsätze der Verfassung“ (= die freiheitliche demokratische Grundordnung) verstanden werden,

aber

  • Artikel 1 Absatz 1 Grundgesetz seinerseits lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlichen Gewalt.“

Daher noch einmal meine Frage von Mittwoch der vergangenen Woche – nun in etwas anderen Worten: Richten sich schon diejenigen gegen die “gegen die verfassungsmäßige Ordnung”, die sich diskriminierend (entwürdigend) über bestimmte Menschen äußern? Oder liegt eine Gerichtetheit gegen die verfassungsmäßige Ordnung erst dann vor, wenn beabsichtigt ist, an der Verpflichtung aller staatlichen Gewalt auf die Menschenwürde etwas zu ändern?

Meine Präferenz für eine Antwort im zweiten Sinne hatte ich am Mittwoch folgendermaßen begründet:

„Diese Frage im ersten Sinne zu beantworten, bedeutet, aus einem Grundrecht von BürgerInnen – und hier sogar: Menschen – (wieder einmal) eine Grundpflicht von natürlichen und juristischen Personen zu machen.
Als das Bundesverfassungsgericht aus Artikel 1 Absatz 1 Satz 1 (‚Die Würde des Menschen ist unantastbar.‘) und Artikel 2 Absatz 2 Satz 1 Grundgesetz (‚Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit.‘) die Pflicht des Staates, Abtreibungen zu bestrafen, ableitete, wurde diese Verdrehung von Grundrechten (gegen den Staat) in eine Grundpflicht von Schwangeren, ihre Schwangerschaft durch Geburt (und nicht Abtreibung) zu beenden, und in eine Pflicht des Staates zu strafen (also in Grundrechte einzugreifen), von Linken und Liberalen noch breit kritisiert.
Nun sind Linke und Liberale heute eh weniger kritisch als sie es in den 1970er Jahren waren und ehemaligen sozialen Bewegungen sind NGO geworden, aber der move aus Grundrechten Grundpflichten zu machen, wird ja nicht deshalb richtig, weil es jetzt nicht Frauen, sondern ein rechtes Scheißblatt betrifft.“

Soviel erst einmal zu Abschnitt II. 1. a. ee) (2) – vielleicht komme ich darauf bei späterer Gelegenheit noch mal zurück und dann auch auf die Frage, ob die Compact-Magazin GmbH nicht auch bei Zugrundlegung der von mir bevorzugten engeren Auslegung des Verbotsgrundes der Gerichtetheit gegen die verfassungsmäßige Ordnung erfüllt.

17. „kämpferisch-aggressive Haltung“

Auch mit dem – eh nur aus einer Textziffer (nämlich 41) bestehenden – Abschnitt II. 1. a. ee) (3) will ich mich im Moment nicht groß aufhalten, da es dort nur um das von mir ohnehin für bloß floskelhaft gehaltene Kriterium der „kämpferisch-aggressive Haltung“ geht. Es meint nämlich nicht Gewalt, sondern – wie das Bundesverwaltungsgericht ausdrücklich sagt – „verbale Militanz“.

Wenn der tatsächliche Zweck der Floskel „kämpferisch-aggressive Haltung“ nicht wäre, die staatliche Verbotspolitik zu legitimieren, sondern zu zügeln, dann müßte die Formel „kämpferisch-aggressive Haltung“ mit dem Konzept der fighting words, das das Kriterium der clear and present danger nicht etwa erweitert, sondern einschränkt, in Verbindung gebracht werden. Beide – die Formel und das Kriterium – hat der US-Supreme Court für seine free speech-Rechtsprechung entwickelt hat:

„Eine ältere Rspr. [des US-Supreme Court] hatte den sog. bad-tendency-test als Schrankenstandard herangezogen: Einschränkbarkeit der Äußerungsfreiheit bereits bei Gefährdungen für rechtlich geschützte Interessen. Demgegenüber war die moderne Rspr. zunächst von der clear and present danger-Theorie geprägt: Einschränkbarkeit der Äußerungsfreiheit nur bei klarer und gegenwärtiger Gefahr der erheblichen Schädigung anderer Rechtsgüter; dies wurde dahingehend konkretisiert, dass außer Beleidigung und Pornographie – ‚Obscenity‘ nur noch sog. ‚fighting words‚ verboten werden durften, von denen unmittelbar gewaltsame Reaktionen zu befürchten waren. Generell ist […] festzuhalten, dass die Meinungsfreiheit [in den USA] nur wenigen immanenten Schranken unterworfen ist, ihr Schutz insbesondere bei ehrverletzenden Äußerungen, aber auch i.F.d. sog. hate speech deutlich weiter reicht, als nach Art. 5 Abs. I, 2 GG.“
(Degenhardt, in: Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Art. 5, 185. Aktualisierung, Juli 2017, Randnummer 9)

„[A]ls nach Art. 5 Abs. I, 2 GG“ meint: Als nach der weiten Auslegung, die das Bundesverfassungsgericht insbesondere der Meinungsäußerungsschranke der „allgemeinen Gesetze“ gibt (siehe kritisch dazu: taz-Blogs vom 08.06.2024).

18. Der Ausgang des Hauptsache-Verfahrens ist ungewiß

Damit kommen wir zu Abschnitt II. 1. a. ee) (4) (Tz. 42 bis 45), den für das Ergebnis der Entscheidung mehr oder minder ausschlaggebenden Abschnitt. Dessen vier Absätze seien daher hier in Gänze zitiert:

„(4) Zweifel bestehen jedoch, ob angesichts der mit Blick auf die Meinungs- und Pressefreiheit in weiten Teilen nicht zu beanstandenden Beiträge in den dem Senat derzeit vorliegenden Ausgaben des COMPACT-Magazins ab dem Jahr 2022 die Art. 1 Abs. 1 GG verletzenden Passagen für die Ausrichtung der Antragstellerin zu 1 insgesamt derart prägend sind, dass das Vereinsverbot unter Verhältnismäßigkeitspunkten gerechtfertigt ist. Entscheidend ist hierbei nicht deren Verhältnis zum Gesamtinhalt einer Ausgabe der Zeitschrift oder einer Sendung. Abzulehnen ist auch der Ansatz der Antragsteller, beanstandete einzelne Äußerungen nach Art und Zahl in Vergleich zur Gesamtzahl der der Vereinigung zuzurechnenden Äußerungen zu setzen. Vielmehr kommt es auf eine Bewertung der gesamten Aktivitäten der Vereinigung an.
Hierbei ergibt schon die wertende Betrachtung des COMPACT-Magazins als dem zentralen Betätigungsfeld der Antragstellerin zu 1 kein eindeutiges Bild. Es ähnelt in seiner Aufmachung und Gestaltung anderen den Printmarkt dominierenden – und hinsichtlich ihrer Verfassungsfeindlichkeit unverdächtigen – Magazinen. Neben einem zentralen Titelthema, das zumeist in der Covergestaltung erkennbar wird, werden weitere aktuell-politische Themen abgehandelt. Die auf dem Cover verwendeten Bilder sind reißerisch gewählt. Hierin – wie die Verbotsverfügung – bereits eine Delegitimierung des demokratischen Systems zu sehen, geht aber im Hinblick auf die grundrechtlich geschützte Meinungs- und Pressefreiheit deutlich zu weit. Diese erlaubt insbesondere auf einem zum Kauf animierenden Cover auch zugespitzte, plakative und polemische Überschriften und Bilder. Seinem Inhalt nach enthält das Monatsmagazin entsprechend seiner Ausrichtung als rechtskonservatives Magazin zwar zahlreiche Beiträge und feste Kolumnen (‚Hartlages BRD-Sprech‘ oder ‚Sellners Revolution‘), in denen sich die aufgezeigten Anhaltspunkte für eine gegen die Menschenwürde verstoßende aggressiv-kämpferische Haltung finden lassen. Eigenständig werden daneben aber auch andere Schwerpunkte gesetzt (‚Dossier‘, ‚Leben‘). In diesem Teil der Ausgaben werden – oftmals feuilletonartig – allgemeingesellschaftliche Themen erörtert. In den genannten Rubriken finden sich Filmkritiken oder Buchbesprechungen, dort werden Personen der Zeitgeschichte porträtiert, sportliche Ereignisse und sogar archäologische Funde vorgestellt. Selbst wenn in solchen Beiträgen gelegentlich ebenfalls rhetorische Formulierungen Eingang finden, die auf den ethnischen Volksbegriff der Vereinigung hindeuten, dürften sie in weiten Teilen nicht zu beanstanden sein.
Die über das Magazin hinausgehenden Print- und Online-Publikationen liegen dem Senat bisher nur vereinzelt bzw. in Auszügen vor. Zu den sonstigen Aktivitäten der Vereinigung – u. a. der (Mit-)Organisation der Veranstaltungen (Konferenzen, Sommerfeste, Spendengala usw.), der Produktpalette und Ausrichtung des Online-Shops, der Ausgestaltung der kostenpflichtigen Clubmitgliedschaft – dürften sich erst aus der Auswertung der bei dem Vollzug des Verbots sichergestellten Asservate weitere Erkenntnisse ergeben. Entgegen der Ansicht der Antragsteller dürfen die Ermittlungen nach § 4 VereinsG auch nach Erlass des Vereinsverbots fortgeführt werden, um weitere Beweismittel im Anfechtungsprozess vorlegen zu können. Denn den Verbotsbehörden sind im Hinblick auf die Besonderheiten der Materie Aufklärungsbefugnisse eingeräumt, die denen der Staatsanwaltschaft ähnlich sind. Der Schwerpunkt der Ermittlungstätigkeit der Verbotsbehörden wird vor dem Erlass der Verbotsverfügung liegen. Unbeschadet der gerichtlichen Aufklärungspflicht nach § 86 Abs. 1 VwGO sind diese aber auch danach zu weiteren Ermittlungen berechtigt (ausführlich BVerwG, Beschluss vom 9. Februar 2001 – 6 B 3.01 – Buchholz 402.45 VereinsG Nr. 33 S. 30 f. m. w. N.). Umstände, die sich aus diesen weiteren Ermittlungen ergeben, können bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Verbotsverfügung herangezogen werden, sofern sie (noch) für den Zeitpunkt ihres Erlasses aussagekräftig sind (stRspr, vgl. nur BVerwG, Urteil vom 21. August 2023 – 6 A 3.21 – BVerwGE 180, 1 Rn. 64 m. w. N.).
Ob die gesamten Aktivitäten der Vereinigung – selbst die in der Verbotsverfügung weiter genannten antisemitischen Äußerungen und die Vernetzung mit dem rechtsextremistischen Spektrum als tragfähig unterstellt und miteinbezogen – von den die Erfüllung des Verbotstatbestandes begründenden Tätigkeiten geprägt ist, so dass sich ihr Verbot als verhältnismäßig erweist, lässt sich mithin derzeit nicht abschließend beurteilen.“

Mir scheint der Senat zweifelt tatsächlich noch und weiß noch nicht, in welche Richtung sich seine Daumen am Ende neigen werden – ich werde jedenfalls weiterhin nicht auf das Hauptsache-Ergebnis wetten. Noch weniger läßt sich sagen, was mit den im Zitat angedeuteten Kriterien das Ergebnis gewesen wäre, wenn das BVerwG eine (vollständige) Sachentscheidung zum linksunten-Verbot getroffen (und nicht nur die Vereinsförmigkeit des BetreiberInnenkreises überprüft) hätte.

19. Abwägung: Vorläufige Fortsetzung versus vorläufige Aussetzung der Vollziehung

Allein mit der Offenheit des Hauptsache-Ergebnis war die Sache aber noch nicht entschieden – was noch (in Bezug auf zu Compact-Magazin GmbH zu entscheiden war) steht in Abschnitt II. 1. b. Die entscheidende Passage (Tz. 47 bis 49) lautet:

„Das Interesse der Antragstellerin zu 1 an der Aussetzung der Vollziehung speist sich vor allem aus ihrer Betätigung als Presse- und Medienunternehmen. Erwiese sich die Verbotsverfügung im Hauptsacheverfahren als rechtswidrig, wäre die Wiederaufnahme des Geschäftsbetriebs außerordentlich erschwert, weil sich die Angestellten, Kunden und die Werbepartner unterdessen anderweitig gebunden haben könnten. Da die sofortige Vollziehung des Vereinsverbots zu der sofortigen Einstellung des gesamten Print- und Onlineangebots führt, das den Schwerpunkt der Tätigkeit der Antragstellerin zu 1 ausmacht, kommt ihr auch im Hinblick auf die Grundrechte der Meinungs- und Pressefreiheit aus Art. 5 Abs. 1 GG ein besonderes Gewicht zu. Dahinter tritt das von der Antragsgegnerin angeführte Interesse der Allgemeinheit an der sofortigen Vollziehung des Verbots der Vereinigung, die einen Verbotsgrund verwirklicht, bei einer Abwägung zurück.
Dem Anliegen der Antragsgegnerin, die Fortsetzung der Tätigkeiten der Vereinigung auf Dauer zu unterbinden, die Anlass der erlassenen Verbotsverfügung sind, sowie Beweismittel und Vermögensgegenstände zu sichern, kann bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache in ausreichendem Maße durch die in der Beschlussformel bezeichneten Maßgaben Rechnung getragen werden. Diese dienen der Sicherung der Beweismittel für das anhängige Hauptsacheverfahren, indem sie der Antragsgegnerin die Fortführung der weiteren Ermittlungen nach § 4 VereinsG ermöglichen. Waffen bzw. waffenähnliche Gegenstände, die ausweislich der Asservatenliste bei dem Vollzug des Vereinsverbots auch sichergestellt und beschlagnahmt worden sind (u. a. eine Machete), sind aus Gründen der Gefahrenabwehr von der Rückgabe ausgenommen. Sollten sich die tatsächlichen Verhältnisse ändern, bleibt es den Beteiligten unbenommen, einen Änderungsantrag nach § 80 Abs. 7 Satz 2 VwGO zu stellen.
Ergänzend hierzu treten presse- und medienrechtliche Maßnahmen, Veranstaltungsverbote, orts- und veranstaltungsbezogene Äußerungsverbote sowie Einschränkungen und Verbote von Versammlungen, unabhängig davon, ob solche Maßnahmen im Vereinsrecht selbst, im sonstigen Sicherheits- und Ordnungsrecht oder auch im Strafrecht verankert sind, die während der Dauer des Hauptsacheverfahrens berechtigten öffentlichen Interessen zur Geltung verhelfen können.“

20. Zu den Anträgen der Conspect-Film GmbH sowie der AntragstellerInnen, die natürliche Personen sind: Das Leipziger Landdogma bleibt bestehen

Der vor allem noch verbleibende Abschnitt II. 2. (Tz. 51 bis 57) ist den Anträgen, die nicht von Compact-Magazin GmbH, sondern von der Conspect-Film GmbH sowie acht natürlichen Personen gestellt wurden, gewidmet. Diese hatten keinen Erfolg.

Außer gegen Tz. 56, wo das BVerwG sein Dogma wiederholt, die Mitglieder eines Vereins könnten durch ein Verbot ihres Vereins nicht in eigenen Rechten verletzt werden, habe ich auf die Schnelle gegen Abschnitt II. 2. nichts einzuwenden. Gegen das Leipziger Landdogma bleibt es bei dem Einwand, daß Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz gerade nicht von einem Recht von Vereinen, zu existieren spricht, sondern von Deutschen (davon gibt es einige Millionen Individuen), denen das Recht gewährt wird, „Vereine und Gesellschaften zu bilden“. In deren (der Individuen!) Recht, den Verein zu bilden wird, – je nach Vorliegen oder Nicht-Vorliegen der Verbotsgründe: rechtmäßig oder rechtswidrig – eingegriffen, wenn ihnen ihr Verein verboten wird.

21. Kostenentscheidung und Streitwert

Die letzten beiden Abschnitte (II. 3. und II.4.) und Textziffern (58 und 59) lauten:

„3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. 1 Satz 1 und 3 sowie § 159 Satz 1 VwGO i. V. m. § 100 Abs. 1 ZPO. Die Kostenverteilung berücksichtigt das Maß des Obsiegens und Unterliegens der Antragsteller sowie deren wertmäßig unterschiedliche Beteiligung an dem Rechtsstreit. Den in Bezug auf das Obsiegen der Antragstellerin zu 1 gemachten Maßgaben kommt insoweit nur eine zu vernachlässigende Bedeutung zu (BVerwG, Beschluss vom 8. Juli 2014 – 6 VR 1.14 – juris Rn. 14).
4. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 53 Abs. 2 Nr. 2 i. V. m. § 52 Abs. 1 GKG i. V. m. den Ziffern 45.1.2 und 45.2 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit. Der sich hiernach ergebende Betrag (1 x 30 000 €
für die Antragstellerin zu 1, 1 x 30 000 € für die Antragstellerin zu 2 und 8 x 5 000 € für die Antragsteller zu 3 bis 10) ist mit Blick auf den vorläufigen Charakter der Entscheidung zu halbieren (entsprechend Ziffer 1.5 Satz 1 des Streitwertkatalogs, vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 10. Januar 2018 – 1 VR 14.17 – juris Rn. 35).“

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