vonDetlef Georgia Schulze 22.01.2023

Theorie als Praxis

Hier bloggt Detlef Georgia Schulze über theoretische Aspekte des Politischen.

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Am Dienstag wurden die Redaktionsräume und die Wohnungen zweier Redaktionsmitglieder des Freiburger Senders „Radio Dreyeckland“ (rdl) durchsucht. Anlaß war, daß im Sommer 2022 in einem Artikel auf der Webseite von Radio Dreyeckland das Archiv der – 2017 vom Bundesinnenministerium als „Verein“ verbotenen internet-Zeitung – linksunten.indymedia verlinkt wurde.

Gegen die Durchsuchung protestierte unter anderem der Bundesverband Freier Radios (BFR) [1]. Dieser wies zur Begründung seines Protestes auf die Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) zu zwei Entscheidungen dieses Gerichts hin, mit denen dieses 2010 u.a. den Beschluß des Amtsgerichts Hamburg für eine Durchsuchung beim Hamburger Freien Sender-Kombinat (FSK) für verfassungswidrig erklärte.

Das Bundesverfassungsgericht zu einer Durchsuchung beim Hamburger Freien Sender-Kombinat (FSK)

Der BFR zitiert folgende Passage aus der Presseerklärung des BVerfG:

„Das Grundrecht der Rundfunkfreiheit schützt in seiner objektiven Bedeutung die institutionelle Eigenständigkeit des Rundfunks von der Beschaffung der Information bis zur Verbreitung der Nachrichten und Meinungen. Von diesem Schutz ist auch die Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit umfasst, die es staatlichen Stellen grundsätzlich verwehrt, sich einen Einblick in die Vorgänge zu verschaffen, die zur Entstehung von Nachrichten oder Beiträgen führen, die […] im Rundfunk gesendet werden. Unter das Redaktionsgeheimnis fallen auch organisationsbezogene Unterlagen, aus denen sich Arbeitsabläufe, Projekte oder die Identität der Mitarbeiter einer Redaktion ergeben. Sowohl die Anordnung der Durchsuchung der Räume […] als auch […] die Mitnahme redaktioneller Unterlagen […], greifen daher in die Rundfunkfreiheit ein. Diese Eingriffe sind verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt.“ (Auslassungen durch BFR)

Dieses Zitat ist allerdings durch die Auslassungen in dem vorletzten Satz ungenau. Dieser Satz lautet nämlich vollständig:

„Sowohl die Anordnung der Durchsuchung der Räume des Beschwerdeführers als auch die fachgerichtlichen Entscheidungen, die die bild- und skizzenhafte Dokumentation der Redaktionsräume und die Mitnahme redaktioneller Unterlagen sowie die Anfertigung von Ablichtungen hiervon als rechtmäßig erachten, greifen daher in die Rundfunkfreiheit ein.“
(https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2011/bvg11-002.html; meine Hv.)

Warum ist der Unterschied wichtig? Weil zwar in der Tat nicht nur die fachgerichtlichen Entscheidungen (zu dem FSK-Fall), sondern generell „die Mitnahme redaktioneller Unterlagen“ einen Eingriff in die Rundfunkfreiheit darstellt. Aber für eine derartige Mitnahme und die anderen genannten Eingriffe gilt nicht generell, daß sie „verfassungsrechtlich nicht gerechtfertigt“ sind.

Vielmehr ist – außerhalb der Fälle des § 97 Absatz 5 Satz 1 Strafprozeßordnung – alles eine Frage der „Abwägung“ und des „Einzelfalls“.

Das Beschlagnahmeverbot gem. § 97 Absatz 5 Satz 1 Strafprozeßordnung

§ 97 Absatz 5 Satz 1 Strafprozeßordnung (StPO) lautet:

„Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Personen reicht, ist die Beschlagnahme von Verkörperungen eines Inhalts (§ 11 Absatz 3 des Strafgesetzbuches), die sich im Gewahrsam dieser Personen oder der Redaktion, des Verlages, der Druckerei oder der Rundfunkanstalt befinden, unzulässig.“

  • Die „in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Personen“ sind solche „die bei der Vorbereitung, Herstellung oder Verbreitung von Druckwerken, Rundfunksendungen, Filmberichten oder der Unterrichtung oder Meinungsbildung dienenden Informations- und Kommunikationsdiensten berufsmäßig mitwirken oder mitgewirkt haben“ (http://www.gesetze-im-internet.de/stpo/__53.html).
  • Die Reichweite [2] des Zeugnisverweigerungsrechts dieser Personen ist in § 53 Abs. 1 Satz 2 und 3 StPO festgelegt.

Diese Reichweite muß hier allerdings nicht genauer diskutiert werden, denn entscheidend ist § 97 Absatz 5 Satz 2 StPO; dieser lautet:

Absatz 2 Satz 2 und § 160a Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend, die Beteiligungsregelung in Absatz 2 Satz 2 jedoch nur dann, wenn die bestimmten Tatsachen einen dringenden Verdacht der Beteiligung begründen; die Beschlagnahme ist jedoch auch in diesen Fällen nur zulässig, wenn sie unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre.“ (Hv. hinzugefügt)

Wichtig ist zunächst einmal der Verweis auf „Absatz 2 Satz 2“ des zitierten § 97 StPO; dieser wiederum lautet:

„Die Beschränkungen der Beschlagnahme gelten nicht, wenn bestimmte Tatsachen den Verdacht begründen, dass die zeugnisverweigerungsberechtigte Person an der Tat […] beteiligt ist, oder wenn es sich um Gegenstände handelt, die durch eine Straftat hervorgebracht oder zur Begehung einer Straftat gebraucht oder bestimmt sind oder die aus einer Straftat herrühren.“

Genau darum handelt es sich aber in dem rdl-Fall, und darum handelte es sich auch in dem FSK-Fall: Die „zeugnisverweigerungsberechtigte[n] Person[en]“ sollen die Tat – im rdl-Fall: die Unterstützung des verbotenen „Vereins“ – begangen haben.

Also bleibt nur die Abwägung vom Endes des § 97 Absatz 5 Satz 2 StPO übrig:

„nur zulässig, wenn unter Berücksichtigung der Grundrechte aus Artikel 5 Abs. 1 Satz 2 des Grundgesetzes nicht außer Verhältnis zur Bedeutung der Sache steht und die Erforschung des Sachverhaltes oder die Ermittlung des Aufenthaltsortes des Täters auf andere Weise aussichtslos oder wesentlich erschwert wäre“.

Daß – außerhalb der Fälle des § 97 Absatz 5 Satz 1 Strafprozeßordnung – alles eine Frage der „Abwägung“ und des „Einzelfalls“ ist, wird auch in der Presseerklärung des Bundesverfassungsgerichts und den zugehörigen Entscheidungen deutlich:

Verhältnismäßigkeit

„Die im Verfahren 1 BvR 1739/04 angegriffenen Entscheidungen zur Anordnung der Durchsuchung lassen eine tragfähige Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der angeordneten Durchsuchung vermissen. Nicht zu beanstanden ist zwar die Annahme, dass ein die Durchsuchungsanordnung hinderndes Beschlagnahmeverbot in den Räumen der Rundfunkanstalt des Beschwerdeführers jedenfalls gemäß § 97 Abs. 5 Satz 2, Abs. 2 Satz 3 StPO entfallen sei, weil einzelne Mitarbeiter der Teilnahme an der Straftat verdächtig seien. Jedoch ist auch dann, wenn im Einzelfall die pressespezifischen Beschlagnahmeverbote der Strafprozessordnung nicht greifen, im Zuge der gebotenen Verhältnismäßigkeitsprüfung den Ausstrahlungswirkungen der Rundfunkfreiheit aus Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG Rechnung zu tragen. Dies verlangt eine tragfähige Gewichtung des sich auf die konkret zu verfolgenden Taten beziehenden Strafverfolgungsinteresses einerseits und der mit der Durchsuchung verbundenen Beeinträchtigungen der Rundfunkfreiheit andererseits.“

Es „ist nicht ersichtlich, ob die Fachgerichte [in dem FSK-Fall …] die erhebliche Beeinträchtigung des von Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG umfassten Schutzes der Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit, die mit einer beschlagnahmeersetzenden Ablichtung von Unterlagen über Arbeitsweise und Mitarbeiter zweier Redaktionsabteilungen eines Rundfunkunternehmens einhergeht, in die Abwägung einbezogen haben.“

„die Fachgerichte [haben] auch hier [bzgl. der Anfertigung von Lichtbildern und Grundflächenskizzen der durchsuchten Räume] bei der Beurteilung der Verhältnismäßigkeit der Ermittlungsmaßnahmen die mit ihr verbundenen Beeinträchtigungen der grundrechtlich geschützten Vertraulichkeit der Redaktionsarbeit nicht in ihre Abwägung eingestellt.“ (alle Hervorhebungen von mir)

Rechtsanwendung im „Einzelfall“

Das Wort „Einzelfall“ findet sich an mehreren Stellen beider Entscheidungen des BVerfG zu dem FSK-Fall –

Zurück zum Ausgangspunkt: Die Durchsuchung bei Radio Dreyeckland am Dienstag, den 17.01.

Im folgenden soll es aber nicht um diese Abwägerei, die jedenfalls nicht der Rechtssicherheit dient [3], gehen. Vielmehr soll es um zwei grundlegende Fragen gehen:

  • Was wurde eigentlich verboten: Eine internet-Zeitung oder ein Verein (oder anderer Personenkreis)?
  • Und gibt es diesen Personenkreis (als Zusammenschluß/Kollektiv) weiterhin, und ist er weiterhin in der vom Staat beanstandeten Weise tätig, und kann er folglich überhaupt noch in strafrechtlich relevanter Weise unterstützt werden?

Der Anlaß der Durchsuchung

Kommen wir damit also zum Ausgangspunkt zurück: Anlaß für die Durchsuchungen am Dienstag bei Radio Dreyeckland (rdl) und zwei Redaktionsmitgliedern war, daß im Sommer 2022 in einem Artikel auf der Webseite von rdl das Archiv der – 2017 vom Bundesinnenministerium als „Verein“ verbotenen – internet-Zeitung linksunten.indymedia verlinkt wurde.

Der Artikel ist weiterhin online und dort heißt es: „Im Internet findet sich http://linksunten.indymedia.org als Archivseite.“ Dieser – rein deskriptive und noch dazu wahre – Satz soll – in Kombination mit der Bebilderung des Artikels die Straftat darstellen:

Was das Amtsgericht Karlsruhe an dem anlaß-gebenden Artikel zu beanstanden hat

„Eine Strafbarkeit des oder der Verantwortlichen des gegenständlichen Artikel gem. § 85 Abs. 1 Nr. 2. Abs. 2 StGB ist […] jedenfalls dann gegeben, wenn diese sich gleichsam ‚als Sprachrohr‘ bzw. ‚verlängerter Arm‘ der mit einem Betätigungsverbot belegten Vereinigung ‚linksunten.indymedia in deren Dienst stellen und diese dadurch unterstützen. Dies ist unter anderem deshalb zu bejahen, weil einerseits bei der Aufmachung des Artikels bereits als zentrale Aussage das bildliche Statement ‚Wir sind alle linksunten‘ gewählt wurde, was von dem angesprochenen Leserkreis zweifelsohne als eine sich die unterstützende Tendenz zu eigen machende Meinungsäußerung der Verfasser verstanden werden muss. Andererseits lassen die Verfasser neben der Wiedergabe der zentralen Vereinstätigkeit durch Verlinkung eines Archivs der gesamten Vereinstätigkeit auch im redaktionellen und journalistischen Zusammenhang deutlich ihre Zielsetzung und Unterstützung der verbotenen Vereinstätigkeit erkennen, da sie in dem verfassten Artikel – insoweit eindeutig fürsprechend – von dem ‚konstruierten‘ Verein ‚Indymedia Linksunten‘ sprechen.“
(AG Karlsruhe, Beschl. v. 13.12.2022 zum Az. 540 Gs 44796/22)

Dazu ist zu sagen:

  • Es ist schon eine Unterstellung des Amtsgerichts von einem „bildliche Statement ‚Wir sind alle linksunten‘“ zu sprechen! Das in Rede stehende Bild ist kein Statement der Redaktion oder des mutmaßlichen Autors [4], sondern das Foto einer Wand (laut Dateinamen: der Adlerstraße 2), die mit dieser Parole besprüht ist.
    Da das Foto unter Creative Commons-Lizenz steht, kann es hier problemlos wiedergegeben werden:


In der Tat sind potentiell alle Medien von dem – im Falle von linksunten zur Anwendung gekommenen – Konstrukt „Medienverbot via Vereinsverbot“ bedroht. (Beschriftung: DGS; Foto: rdl)

  • Die in Rede stehende Parole ist also zunächst einmal die Parole der Person, die sie sprühte. Daß diese Person mit der Person identisch ist, die den Artikel geschrieben hat, behauptet auch das Amtsgericht nicht.
  • Das Foto ist also zunächst einmal nur Berichterstattung über einen Protest gegen das Verbot von linksunten.indymedia. Daß es zulässig ist, über Protestaktionen gegen das Verbot auch bildlich zu berichten, bestreitet auch das Amtsgericht nicht.

Das linksunten-Verbot – eine potentielle Bedrohung für alle Medien

  • Im übrigen wäre durchaus naheliegend, aber auch legal, daß rdl bzw. der/die VerfasserIn sich die Parole im metaphorischen Sinne zu eigen macht (hier kommt es freilich vor allem darauf an, ob er es auch tatsächlich getan hat – darauf deutet eher wenig hin): In der Tat sind potentiell alle Medien von dem – im Falle von linksunten zur Anwendung gekommen – Konstrukt „Medienverbot via Vereinsverbot“ bedroht. Die meisten Medien haben eine Mehrzahl von Redaktionsmitgliedern und/oder HerausgeberInnen und/oder EigentümerInnen (oder falls die Eigentümerin eine Gesellschaft ist: hat die Eigentümerin oft mehrere Mitglieder [AnteilseignerInnen]). Damit kommt die Behauptung der Existenz eines Vereins zumindest in Betracht – und bei kommerziellen Medien mit klarer Entscheidungshierarchie sogar noch eher als bei alternativen mit eher diffus-basisdemokratischen Entscheidungsstrukturen (vielleicht sogar: Konsensprinzip / Vetorecht für jedes einzelne Mitglied – also ohne ‚Unterwerfung‘):

    „Verein im Sinne dieses Gesetzes ist ohne Rücksicht auf die Rechtsform jede Vereinigung, zu der sich eine Mehrheit natürlicher oder juristischer Personen für längere Zeit zu einem gemeinsamen Zweck freiwillig zusammengeschlossen und einer organisierten Willensbildung unterworfen hat.“
    (http://www.gesetze-im-internet.de/vereinsg/__2.html; meine Hv.) [5]

    Der gemeinsame Zweck ist – selbstverständlich –, das jeweilige Medium zu veröffentlichen.

  • Mit einer solchen metaphorischen Verwendung ist freilich nicht gesagt, daß die Person, die sich die Parole in dieser Weise zu eigen macht, tatsächlich zum HerausgeberInnen-Kreis von linksunten.indymedia gehörte oder sich die Inhalte, die bei linksunten.indymedia veröffentlicht wurden, zu eigen macht.
    Vielmehr ist damit nur eine Kritik an dem Verbot formuliert oder auf eine mit dem Verbot verbundene Gefahr hingewiesen. Ein Verbot zu kritisieren – auch dessen Aufhebung zu fordern – ist legal, wie das Bundesverfassungsgericht in Bezug auf PKK-Verbot entschieden hat:

    „Die Gerichte haben die vom Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 27. März 2003 aufgestellten Grundsätze beachtet, dass die Selbstbekenntnisse sich […] als von Verfassungs wegen vor Strafsanktionen geschützte Wahrnehmung des Grundrechts auf Meinungsfreiheit dargestellt hätten, wenn sie sich darauf beschränkt hätten, Freiheit und Selbstbestimmung für das kurdische Volk zu fordern, die Aufhebung des Betätigungsverbots für die PKK zu verlangen und dessen Aufrechterhaltung aufs Schärfste zu missbilligen (vgl. BGH, NJW 2003, S. 2621 <2623>). Das Grundrecht der Meinungsfreiheit schließt das Recht ein, die eigene Meinung möglichst wirksam zur Geltung zu bringen. Die mit einem Eintreten für eine Aufhebung des Verbots verbundenen Solidarisierungseffekte sind, auch dann, wenn damit zugleich eine Sympathie für die verbotene Vereinigung ausgedrückt wird, im Interesse der freien Meinungsäußerung hinzunehmen (vgl. BVerfG, NVwZ 2002, 709 <710>).“
    (BVerfG, Beschl. v. 26.09.2006 zum Az, 1 BvR 605/04; https://www.bundesverfassungsgericht.de/SharedDocs/Entscheidungen/DE/2006/09/rk20060926_1bvr060504.html, Textziffer 56; meine Hv.) [6]

Der HerausgeberInnen-Kreis von linksunten.indymedia hieß nicht genauso, sondern „IMC Linksunten“!

  • Letzteres („ist legal“) gilt auch für die – vom Amtsgericht Karlsruhe beanstandete – Formulierung, „konstruierte[r] Vereins Indymedia Linksunten“ in dem rdl-Artikel. Denn in der Tat ist es zulässig zu bestreiten, daß der HerausgeberInnen-Kreis von linksunten.indymedia tatsächlich alle Tatbestandsmerkmale des vereinsgesetzlichen Vereinsbegriffs erfüllte und deshalb von „konstruiertem Verein“ zu sprechen.
  • Außerdem ist es auch zulässig, auf den Unterschied zwischen
    • dem HerausgeberInnen-Kreis und dessen Namen (der war nämlich nicht „linksunten.indymedia“, sondern „IMC Linksunten“ [7]!)

    und

    • dem Medium und dessen Namen

    hinzuweisen und die Konfundierung beider unter ein- und demselben Namen als „Konstrukt“ zu kritisieren! Ich habe dieses Konstrukt sogar gegenüber dem Bundesinnenministerium [8] mit Namen, Adresse und Unterschrift kritisiert – und dies brachte mir kein Strafverfahren ein.


Der zensierende Staat ist ein Monster [Antrag an das BMI vom 09.08.2019; https://web.archive.org/web/20200320103618/http://links-wieder-oben-auf.net/wp-content/uploads/2020/01/Bf_11_Antrag_ans_BMI__FIN.pdf, S. 11 f.)

Allenfalls Medien-HerausgeberInnen, aber nicht die herausgegebenen Medien selbst können Vereine sein

Allenfalls die HerausgeberInnen-Kreise von Medien können Vereine sein; gegen diese darf im Wege des Artikel 9 Absatz 2 GG vorgegangen werden – wenn dessen Voraussetzungen vorliegen:

„Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen oder die sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten, sind verboten.“
(http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_9.html)

Daß dessen Voraussetzungen im Falle des HerausgeberInnen-Kreises von linksunten vorliegen, ist bisher nur eine Behauptung der Exekutive (Bundesinnenministerium und diverse Staatsanwaltschaften). Das Bundesverwaltungsgericht weigerte sich dagegen, diese Behauptung zu überprüfen: Dieses ist nämlich der Auffassung, gegen Vereinsverbot dürften nur die Vereine selbst, aber nicht deren Mitglieder klagen [9], [10] – Im Falle von linksunten klagten aber nur die natürlichen Personen, denen die Verbotsverfügung zugestellt wurde, aber nicht die HerausgeberInnen-Struktur als Kollektiv (von dem strittig ist, ob es überhaupt vereinsförmig organisiert war).

Für das Medium und dessen Inhalte gelten aber – auch bei Anwendung von Artikel 9 Absatz 2 GG gegen die herausgeberische Struktur – Artikel 5 Absatz 1 und 2 GG [11] – insbesondere das Zensurverbot. Letzteres verbietet alle präventiven Maßnahmen gegen Medien [12] – also auch das Verbot des künftigen Erscheinens; siehe dazu den Artikel:

Warum das Verbot von linksunten.indymedia grundgesetzwidrige Zensur darstellt
https://de.indymedia.org/sites/default/files/2018/10/Unteilbar-Flugi.pdf.

Zu unterscheiden ist also zwischen

  • der Frage, ob gegen bestimmte Artikel bei linksunten.indymedia nach Veröffentlichung hätte repressiv (straf- oder medienrechtlich) vorgegangen werden dürfen

und

  • der anderen Frage, ob es zulässig war (bzw. gewesen wäre; siehe zu diesem Konjunktiv sogleich), das künftige Erscheinen von linksunten.indymedia zu verbieten und auch gegen die Vielzahl von Artikeln vorzugehen, die auch in der Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums nicht beanstandet werden.

Die erste Frage mag vielleicht zu bejahen sein; die zweite Frage ist dagegen eindeutig zu verneinen.

Bundesverwaltungsgericht: Das linksunten-Verbot ist „nicht das Verbot des unter der Internetadresse ‚http://linksunten.indymedia.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals“

In einem Satz seines linksunten-Urteils scheint im übrigen auch das Bundesverwaltungsgericht den Unterschied zwischen Medien und Medien-HerausgeberInnen erkannt zu haben:

„Regelungsgegenstand des Verbotsbescheids ist nicht das Verbot des unter der Internetadresse ‚http://linksunten.indymedia.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals“.
(https://www.bverwg.de/de/290120U6A1.19.0, Textziffer 33)

Wenn „Regelungsgegenstand des Verbotsbescheids […] nicht das Verbot des unter der Internetadresse ‚http://linksunten.indymedia.org‘ betriebenen Veröffentlichungs- und Diskussionsportals“ ist, dann kann doch wohl das Verlinken des Archivs dieser Webseite keine Straftat sein, oder? [13]

Das Vorstehende („keine Straftat“) war im übrigen schon 2020 meine Überzeugung, als ich selbst das Archiv von linksunten nicht nur verlinkte, sondern sogar spiegelte:

https://web.archive.org/web/20200317101152/http://www.links-wieder-oben-auf.net/archiv/index.html

und

darüber die Medienanstalt Berlin-Brandenburg mit einem neun-seitigen Offenen Brief informierte:

trend. onlinezeitung [14] 2/2020
http://trend.infopartisan.net/trd0220/Brief_an_LMA_o_adress_fuer%202-2020.pdf.


Mitteilung an die Landesmedienanstalt Berlin-Brandenburg über meine Spiegelung des Archivs von linksunten.indymedia

Jene Spiegelung brachte mir dann zwar doch ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein – was mir aber erst im April 2022 mitgeteilt wurde und das auch seitdem ist keiner Anklageerhebung führte, obwohl ich auch dem Landeskriminalamt gegenüber (aus Anlaß der Mitteilung) meine ‚Spiegelungs-Tat‘ bekannte…

———

In Teil II dieser Artikel-Serie wird es dann um folgende Frage gehen: Wie soll die Betätigung und der organisatorische Zusammenhalt eines vermeintlichen Verein in strafrechtlich relevanter Weise unterstützt werden können, wenn der vermeintliche Verein, jedenfalls in der Weise, die zur Begründung seines Verbotes herangezogen wurde, gar nicht mehr tätig ist?
(Meine im Herbst abgebrochene Serie zum Thema „geschlechts-spezifische Zeitverwendung“ schaffe ich hoffentlich auch, bei Gelegenheit fortzusetzen.)


Anmerkungen

 

[1] https://www.freie-radios.de/mitteilungen/14589-stellungnahme-zur-hausdurchsuchung-bei-radio-dreyeckland-in-freiburg.

[2] „Soweit das Zeugnisverweigerungsrecht der in § 53 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 genannten Personen reicht“ (meine Hv.).

[3] An dieser Stelle muß – der Übersichtlichkeit halber und aus Längen-Gründen – die Frage ausgespart werden, ob eine Auslegung von Artikel 5 Absatz 1 und 2 Grundgesetz möglich und richtig wäre, die die Presse stärker schützt und zugleich mehr Rechtssicherheit bedeutet.

[4] In dem Beschluß ist sein Name genannt.

[5] In § 17 Vereinsgesetz wird im übrigen ausdrücklich bestimmt, daß die „Vorschriften dieses Gesetzes“ auch „auf Aktiengesellschaften, Kommanditgesellschaften auf Aktien, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, konzessionierte Wirtschaftsvereine nach § 22 des Bürgerlichen Gesetzbuches, Europäische Gesellschaften, Genossenschaften, Europäische Genossenschaften und Versicherungsvereine auf Gegenseitigkeit“ unter anderem dann „anzuwenden [sind], […] wenn sie sich gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder gegen den Gedanken der Völkerverständigung richten“.
Vereinsverbote sind in § 3 des Vereinsgesetzes geregelt (http://www.gesetze-im-internet.de/vereinsg/__3.html).
Es kam auch tatsächlich schon zu mindestens je einem Verbot eines Verlages und einer GmbH; siehe dazu meinen Artikel:

13. Juni 2008: Verbot des kurdisch-dänischen Fernsehsenders Roj TV und seiner Wuppertaler Produktionsfirma V… GmbH. Pressefreiheit in Deutschland: Medienunternehmen sind – verbotsfähige – Vereine :o, in: de.indymedia.org vom 13.06.2019 unter der Adresse https://de.indymedia.org/node/33812.

[6] Was dort zur Strafbarkeit führte, war vielmehr:

„die Gerichte [haben] in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, dass die PKK-Selbsterklärungen den hierdurch gesteckten Rahmen zulässiger solidarischer Sympathiebekundungen zugunsten einer von einem Betätigungsverbot betroffenen Vereinigung verließen, sofern sie als eine Festlegung der Unterzeichner zu deuten waren, das Betätigungsverbot künftig nicht zu beachten und sich von Zuwiderhandlungen selbst durch die Androhung strafrechtlicher Sanktionen nicht abhalten zu lassen. Von der Tatbestandsmäßigkeit einer solchen, im Rahmen einer Massenkampagne abgegebenen Bekundung der Bereitschaft zum Rechtsbruch durften die Gerichte ohne Verkennung der Meinungsfreiheit ausgehen.“ (Textziffer 57)

Konkret ging es dort darum, daß sich die Unterzeichnenden selbst als Mitglieder der PKK bezichtigten. Auch das Bundesverfassungsgericht prüft für den dortigen Fall eine metaphorische Lesart der Selbstbezichtigung nicht. – Eine solche war aber im dortigen Fall (anders als im aktuellen rdl-Fall) auch fernliegend. Denn es ging um folgende Passage in dem Text der Erklärung: „Auf dieser Grundlage erkläre ich als Angehöriger des kurdischen Volkes, dass ich die neue Linie der PKK teile, die seit zwei Jahren ihren politischen Kampf auf legaler Grundlage führt. Weiterhin erkläre ich mich der PKK zugehörig.“ (Textziffer 13 der zitierten BVerfG-Entscheidung)
Mit dieser Formulierung wurde die „neue Linie der PKK“ für richtig erklärt. In diesem Kontext steht der Satz: „Weiterhin erkläre ich mich der PKK zugehörig.“ – Da deutet wenig darauf hin, es werde bloße eine Mit-Betroffenheit von einem gegen andere gerichteten Verbot geltend gemacht.

  • In dem rdl-Artikel wurde dagegen die Linie von linksunten nicht für richtig erklärt;
  • dem Autor des Artikels die Parole auf dem Foto in den Mund zu legen, ist spekulativ.
  • Übrig bleibt bloß der – rein deskriptive und noch dazu wahre – Satz: „Im Internet findet sich http://linksunten.indymedia.org als Archivseite.“ Eine Bewertung (Affirmation oder Mißbilligung) der berichteten Tatsache liegt in dem Satz nicht.

Es ist aber nicht nötig, diese Tatsache zu mißbilligen, um straffrei zu bleiben; vielmehr ist umgekehrt für die Strafbarkeit nötig, daß „die Zielrichtung auf Unterstützung der verbotenen Vereinigung eindeutig erkennbar“ ist, wie auch das Amtsgericht Karlsruhe auf S. 9 seines Beschlusses zu rdl anerkennt. Diese Eindeutigkeit ist in dem rdl-Artikel aber allenfalls in Bezug auf die Mißbilligung des staatlichen Verbotes zu erkennen (was zulässig ist: siehe das BVerfG-Zitat im Haupttext); diese Eindeutigkeit ist aber in Bezug auf eine Identifizierung mit den Zielen und Mitteln des früheren BetreiberInnenkreises von linksunten.indymedia oder gar sämtlichen bei linksunten veröffentlichten Inhalten nicht zu erkennen – geschweige denn „eindeutig erkennbar“.
Das Amtsgericht berücksichtigt in keiner Weise, daß der Konflikt über staatliche Organisations- und Medienverbote kein binärer Konflikt ist: ‚Entweder Du billigst das Verbot oder Du identifizierst Dich mit dem Verbotsobjekt.‘ – Vielmehr ist es auch möglich, z.B. die Voltaire zugeschriebene Haltung einzunehmen: „Ich missbillige, was du sagst, aber würde bis auf den Tod dein Recht verteidigen, es zu sagen.“ – Darüber hinaus gibt es ein ganzes Spektrum von Nuancierungen, mit denen staatlichen Verboten gegenüber getreten werden kann.

[7] https://web.archive.org/web/20200320103618/http://links-wieder-oben-auf.net/wp-content/uploads/2020/01/Bf_11_Antrag_ans_BMI__FIN.pdf. S. 38 f.
Siehe auch

[8] Siehe dazu den Artikel von Alexander Nabert, Plattform oder Zeitung? Seit zwei Jahren ist „linksunten.indymedia“ verboten. Eine ehemalige Autorin hat nun beantragt, das Verbot aufzuheben, in: taz v. 11. 8. 2019; https://taz.de/indymedia-fordert-Pressefreiheit/!5614659.

[9] „Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist zur Anfechtung des Verbots einer Vereinigung regelmäßig nur die verbotene Vereinigung befugt, nicht hingegen ein Mitglied. Die Verbotsverfügung betrifft nicht die individuelle Rechtsstellung natürlicher Personen, sondern die Rechtsstellung der verbotenen Vereinigung als einer Gesamtheit von Personen. Sofern das Vereinsverbot Rechte verletzt, können dies nur Rechte der verbotenen organisierten Personengesamtheit sein. Denn bei einem Vereinsverbot handelt es sich nicht um ein Betätigungsverbot, sondern um ein Organisationsverbot, durch das der Verein aufgelöst und als organisatorische Grundlage und Quelle der gemeinsamen Betätigung beseitigt wird (BVerwG, Urteil vom 25. Januar 1978 – 1 A 3.76 – BVerwGE 55, 175 <181>). Adressat des Verbots ist daher die verbotene Vereinigung.“ (https://www.bverwg.de/de/290120U6A1.19.0, Textziffer 15)
Das ist Quatsch! Denn durch ein Vereinigungs-/Vereinsverbot wird in das Grundrecht aus Artikel 9 Absatz 1 GG eingegriffen. Dieser lautet: „Alle Deutschen haben das Recht, Vereine und Gesellschaften zu bilden.“ In dieses Recht „[a]ller Deutschen“ (also: aller Individuen mit deutscher Staatsangehörigkeit) wird eingegriffen, wenn ein Verein verboten wird. Denn dann dürfen die Mitglieder diesen Verein gerade nicht mehr „bilden“ – das heißt nicht mehr Mitglied sein. Deshalb sind durch das Verbot nicht nur der Verein (als Kollektiv), sondern auch die einzelnen Mitglieder belastet. Sie müssen das Recht haben, sich vor Gericht gegen das Verbot zu wehren – das heißt: die Rechtmäßigkeit des Verbots – des Eingriffs in ihr Recht aus Artikel 9 Absatz 1 GG – zu bestreiten.

[10] Siehe dazu meinen Artikel: Das Leipziger Landdogma und der wirkliche Artikel 9 Absatz 1 Grundgesetz, in: de.indymedia vom 30.01.2020; https://de.indymedia.org/node/62412.

[11] „(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.
(2) Diese Rechte finden ihre Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze, den gesetzlichen Bestimmungen zum Schutze der Jugend und in dem Recht der persönlichen Ehre.“ (http://www.gesetze-im-internet.de/gg/art_5.html)

[12] Nachträgliche Maßnahmen gegen Medien sind dagegen in bestimmten Fällen zulässig.
„es [darf] keine Ausnahme vom Zensurverbot geben, auch nicht durch ‚allgemeine Gesetze’ nach Art. 5 Abs. 2 GG. Die Verfassung kann mit diesem kategorischen Verbot jeder Zensur nur die Vorzensur gemeint haben. Ist das Geisteswerk erst einmal an die Öffentlichkeit gelangt und vermag es Wirkung auszuüben, so gelten die allgemeinen Regeln über die Meinungs- und Pressefreiheit und ihre Schranken, wie sie sich aus Art. 5 Abs. 1 Satz 1 und 2 sowie Abs. 2 GG ergeben.“ (BVerfGE 33, S. 52 – 90 [72]; https://www.servat.unibe.ch/dfr/bv033052.html#072, Textziffer 76)

[13] „Zweifelsohne hat ein […] – mit Vermögensbeschlagnahme verbundenes – Vereinsverbot zur Folge, daß der verbotene Verein rechtlich (und im Falle der erfolgreichen Auflösung: auch faktisch) nicht mehr als Medien-Herausgeber auftreten kann und daß die bisherigen Produktionsmittel des Mediums nicht mehr zu Verfügung stehen. Aber der Wortlaut von Art. 9 II GG und § 3 VereinsG gibt nichts für ein Verbot der – bis dahin vom verbotenen Verein herausgegebenen – Medien her“ (s. meinen Antrag an das BMI: https://web.archive.org/web/20200320103618/http://links-wieder-oben-auf.net/wp-content/uploads/2020/01/Bf_11_Antrag_ans_BMI__FIN.pdf, S. 14 – wird dort auf den folgenden Seiten genauer ausgeführt).

[14] Zur Geschichte dieser online-Zeitung siehe: Peter Nowak, Die Faust zum Abschiedsgruße. Die Online-Zeitung „Trend-Info-Partisan“ versammelte 25 Jahre lang so konträre wie disparate linke Positionen. Nun wird sie eingestellt, in: taz v. 21. 1. 2021; https://taz.de/Linke-Online-Zeitung-wird-eingestellt/!5741976.

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