vonMathias Schwardt 29.07.2023

Von wegen Kultur

Obskure Musik, B-Movies und der Stand der Kultur: ein Blog von Mathias Schwardt. Foto: Peter Herrmann / unsplash

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So. Wie gestern angekündigt habe ich mir heute (Samstag, 29. Juli 2023) “Barbie” reingepfiffen. Kein Ausfall, kein Kracher. Die entscheidende Frage reicht über den Film hinaus: Was macht Regisseurin Greta Gerwig als nächstes?

Eingehende Kritiken zu “Barbie” gibt es schon zuhauf. Ich will auf was anderes raus. Der Vollständigkeit halber sind hier trotzdem zunächst meine Eindrücke:

Der Film macht Spaß, enthält viele Gags und ist im zweiten Teil unerwartet melancholisch. Aber natürlich auf jene oberflächliche Art, die das Mainstream-Publikum nicht abschreckt. Schauspielerisch ist “Barbie” eine Wucht. Margot Robbie, die viel mehr drauf hat, als nur schön zu sein, strahlt als stereotypische Ur-Puppe wie eine Plastikikone von der Leinwand und trägt die Handlung, als wäre Filmemachen wirklich ein Kinderspiel.

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Der zum Schreien blöd blondierte Ryan Gosling hat als grimassierende und durchtriebene Superlusche Ken sichtlich eine Mordsgaudi und streckt bei jeder sich bietenden Gelegenheit seinen Sixpack in die Kamera. Und dämlich singen kann er auch noch. Sehr schön ist es auch, den zuverlässigen Witzbold Will Ferrell als CEO des realen Spielzeugherstellers Mattel zu erleben. Der zuverlässige Witzbold spielt den ebenso durchschnittlichen wie selbstzufriedenen Manager zurückhaltend und pointiert.

Der Film “Barbie” ist optisch eine Wucht

Auch optisch ist der in der Barbie-Welt vor allem in Pink gehaltene comichafte Film erstklassig. Regisseurin Greta Gerwig hat getan, was sie konnte und musste, um die sündhaft teure Werbekampagne von Mattel bedingt künstlerisch und umso mehr kommerziell zum Erfolg zu führen. Der Film ist schon jetzt der größte Kino-Kassenschlager (Einspielergebnis von knapp 340 Millionen Dollar am Startwochenende), der je von einer Frau gedreht worden ist.

Allerdings fallen die letzten 20 Minuten deutlich ab. Sie sind zu zäh und konzentrieren sich sich auf biederen Grundschul-Feminismus. Und auf schmierige Hollywood-Klischees: Ich bin was wert, du bist was wert, alle sind was wert! Feiern wir das Leben der unbegrenzten Möglichkeiten!

In “Barbie” triumphiert der Kapitalismus

Armut und der Kampf ums nackte Überleben haben in “Barbie” keinen Platz. Für eine Popcorn-Komödie zu deprimierend, das Thema. Vor allem, wenn es wie bei “Barbie” um Konsum geht. Dass der Kapitalismus triumphiert, hat Gerwig, die das Drehbuch gemeinsam mit ihrem Partner, dem Regisseur und Autor Noah Baumbach, schrieb, billigend in Kauf genommen.

Damit sind wir beim Knackpunkt angelangt. Es war ein sehr cleverer Schachzug von Mattel, die Realverfilmung der als kluge Feministin bekannten Gerwig anzuvertrauen. Man kann auch sagen: kaltes Kalkül.

Die Traditionsbarbie – blöd, aber hübsch und mit zimmergroßem Kleiderschrank gesegnet – ist die Inkarnation des Frauenverständnisses von Steinzeitmachos. Gerwig verschafft dem Unternehmen nun Credibility. Was, so die Hoffnung, auch die Puppen und den anderen Plastik-Krimskrams plötzlich hip macht.

“Barbie”: Kritik an Regisseurin Greta Gerwig 

Greta Gerwig dagegen ist nun zwar steinreich, hat aber kräftig an Glaubwürdigkeit eingebüßt. Zumindest hierzulande. In den USA wird die Verbindung von Kunst und Kommerz traditionell entspannter gesehen. Hollywood ist eben eine Geldmaschine.

Es ist legitim, die 39-Jährige, die als Schauspielerin mit gewitzten Independent-Filmen bekannt geworden war und im Anschluss die exzellenten Regiearbeiten “Lady Bird” (2017) und “Little Women” vorlegte, für “Barbie” zu kritisieren. Ich stimme zu, sehe den Blockbuster aber auch als Chance.

Für Gerwig – und mutmaßlich auch Baumbach – stehen die Türen nach dem gewaltigen Erfolg nun weit offen. Wenn sie die immense Aufmerksamkeit nutzen, um bei den nächsten Projekten die Daumenschrauben anzuziehen, also zum Beispiel das Thema Feminismus tiefgründig zu beackern, hat sich “Barbie” im Nachhinein auch künstlerisch gelohnt.

Ich kann mir nicht vorstellen, dass Gerwig fortan nur noch wachsweiche Filme dreht. Dass sie mit wolkenkratzerhohen Erwartungen und damit verbundenem Druck umgehen kann, hat sie ja bewiesen.

Mein Rat also an alle Kritiker:innen: Schreibt diese Frau nicht ab!

 

 

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