vonMathias Schwardt 25.07.2023

Von wegen Kultur

Obskure Musik, B-Movies und der Stand der Kultur: ein Blog von Mathias Schwardt. Foto: Peter Herrmann / unsplash

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Eine Stuttgarter Bio-Eisdiele verlangt für die Kugel 2,40 Euro. Wahnsinn.

Früher hatte man es als Kind beim Stadtspaziergang einfach. Man bettelte ein bisschen bei den Eltern, und – schwupp! – war die Eiswaffel in der Hand. Die Kugel kostete ja nur ein paar Pfennige. Heute dagegen müssen Kinder das Glück haben, in Familien hineingeboren worden zu sein, die sich mal so nebenbei eine Portion Eis leisten können.

Der hohe Preis in Eisdielen ist in weiten Teilen erklärbar

2 Euro aufwärts pro Kugel verlangen gute Eisdielen heute in Großstädten. Natürlich geht es auch um schöne Profite, bei 2,40 Euro tränen die Augen. Dennoch ist der hohe Preis, zumindest in weiten Teilen, erklärbar.

Die Eisqualität hat sich in den vergangenen Jahrzehnten dank gestiegener Ansprüche der Kundschaft deutlich verbessert. Hochwertigere Zutaten kosten mehr Geld, besonders Bioprodukte. Zudem sind die Rohstoffpreise kräftig nach oben geklettert. Hinzu kommen hohe Mieten und Energiekosten. Und die Kugeln sind viel größer als früher.

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Bio-Eisdielen öffnen in Vierteln mit wohlhabendem Klientel

Nur: Diese Erklärungen bringen sozial Benachteiligten nichts. Das hochwertige Eis wird ohne sie geschleckt, weil sie dafür nicht so viel Geld ausgeben können. Insbesondere Bio-Eisdielen sind exklusiv für die wohlhabenderen Schichten da. Deshalb eröffnen die Geschäfte ja auch in Vierteln mit entsprechendem Klientel.

Nun kann es ja die Lösung nicht sein, dass alles beim Alten bleibt. Dass also Menschen mit wenig Geld weiterhin dazu gezwungen sind, das Industrieis aus dem Supermarkt und allerlei anderes ungesundes Zeug zu essen. Nachhaltigkeit entsteht nur, wenn Bio-Produkte allen zugänglich sind.

Gemüsekooperativen integrieren bereits sozial Benachteiligte

Einige Gemüsekooperativen machen es vor, indem sie mit einem Beitragsschlüssel gezielt sozial Benachteiligte berücksichtigen. Kein Mitglied weiß, wie hoch die Beiträge der anderen sind. Doch Wohlhabendere finanzieren ärmere Menschen. Weil Nachhaltigkeit auch Solidarität bedeutet.

Man kann das als idealistische Spinnerei abtun. Oder man schaut, was sich tut und macht mit. Bei der Hilfe für Ukraine-Flüchtlinge beispielsweise zeigen Geschäfte aller Art Engagement. Warum nicht den nächsten Schritt gehen mit einem solidarischen Verkaufskonzept? Wer kann, zahlt mehr, wer nicht, weniger. Ist das naiv, weil wir nun mal im Kapitalismus leben? Und das vorgeschlagene Konzept zur Schummelei einlädt?

Um diese Fragen beantworten zu können, hilft nur eins: ausprobieren.

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kommentare

  • Warum werden die Kostensteigerungen durch die Mindestlohnsteigerung verschwiegen?
    Ich verdiene zwar auch nur den Mindestlohn, aber es gehört zur Wahrheit, dass in der Gastronomie diese gut gemeinten verordneten Wohltaten sich massiver auf die Preise schlagen als beim Preis für einen Porsche. Ist nun mal so.

    • Hallo Herr Kraus, vielen Dank für Ihren Kommentar. Sie haben recht, diesen Aspekt habe ich in meinem Artikel unterschlagen. Natürlich treibt auch der auf 12 Euro erhöhte Mindestlohn die Preise unter anderem in der Gastronomie nach oben. Als verordnete Wohltat sehe ich ihn jedoch nicht, sondern als Selbstverständlichkeit. Wer arbeitet, muss so bezahlt werden, dass sie/er davon leben kann (wo geht das überhaupt mit gerade mal 12 Euro brutto pro Stunde)?
      Aus meiner Sicht sollte es allerdings keinen bundesweit einheitlichen, sondern einen standortbezogenen Mindestlohn geben. Also einen, der an die unterschiedlichen regionalen Lebenshaltungskosten gekoppelt ist. Und damit auch die Situation der Betriebe berücksichtigt. Denn dass, bleiben wir beim Beispiel Gastronomie, ein Restaurantbesuch etwa in Hamburg deutlich mehr kostet als beispielsweise in Thüringen, ist klar.
      Die beste Lösung wäre freilich, es gäbe endlich eine Steuerreform, die Schichten mit geringen und mittleren Einkommen deutlich ent- und Schichten mit höherem und hohem Einkommen entsprechend belastet. Das entspräche dem Solidaritätsprinzip.

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