vonMagdalena Schwarzwald 21.12.2021

Wiege, Bahre, Sex

Körper sein und Körper haben. Ein Blog über das Geboren werden, Sex und Sterben.

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Fangen wir heute an bei der Wiege. Die Zeit ist gekommen da wir doch wieder hierzulande zelebrieren – gläubig oder nicht – dass eine Frau irgendwo vor langer, langer Zeit einmal ohne sexuelle oder auch medizinische Zuwendung schwanger wurde. Das Konzept der zu verehrenden heiligen Jungfrau, wie auch das kleine Jesuskind waren geboren. Das Konzept des sozialen Vaters, wenn ein biologischer nicht auffindbar ist, findet meiner Meinung nach in der Geschichte hingegen zu wenig Beachtung. Wir könnten bei „nicht-traditionellen“ Familienmodellen in unserem christlichen Abendland also schon viel weiter sein, hätten wir uns mehr Gedanken über Josefs Rolle gemacht als uns an dem Ideal der unbefleckten und heiligen Jungfrau Maria aufzugeilen. Ich meine es gibt sogar einen Madonna-Whore-Komplex – zuletzt großartig besungen von Alli Neumann übrigens. Aber noch einmal kurz zu Familienmodellen: Wenn Gott doch kein Geschlecht hat, also sich selbst als non-binary definiert, ist dann nicht die allerchristlichste Familienform „nicht-traditionell“? 

Aber aber: Um zurück zur Wiege zu kommen einmal kurz zur Bahre, und eben diesmal ohne Sex, weil ich die Bahre von Jesus meine. In der christlichen Kirche, isst man den LEIB Christi, um eben eins mit diesem zu werden. Verehrung wird Vereinigung. Und ich würde sagen: das ist ein bisschen wie Sex.Was Christen an dieser Stelle in deutscher Sprache nicht sagen ist Körper. Denn in der deutschen Sprache unterscheiden wir zwischen Leib sein und Körper haben. Aber eben vor allem in der deutschen Sprache. Im Englischen zum Beispiel heißt das beides mal einfach Body. Körper sein – Körper haben. Punkt. 

Aber was ist der Unterschied und was hat das Körper sein und Körper haben mit Geburten, Sterben und Sex zu tun?

Leib bzw. Körper haben meint das lebendig Sein, das Gespürte und das Gelebte. Und wenn man ganz genau sein will, kann noch unterschieden werden zwischen gelebter Leib – also Körper als Träger unseres Lebensvollzugs, als Medium. Und erlebter und gespürter Leib, als das allgemeine Befinden, Behagen oder Unbehagen, Zustände wie Hunger, Durst, Resonanzraum für Gefühle. All sowas. Wenn wir also von Leib sein, von Körper sein sprechen, sprechen wir davon dass diesem Körper etwas widerfährt.

Und als Gegensatz dazu: das Körper haben. Wir treten sobald wir unseren Körper haben anstatt dieser zu sein aus einer Unmittelbarkeit, hin zu einer Mittelbarkeit – was wohlgemerkt niemals in dieser trennschärfe der Fall ist. Außer vielleicht in super belastenden Situationen, wenn Menschen ihren Körper „verlassen“ und sich selbst nur noch von außen betrachten um eine Situation zu ertragen oder vielleicht in spacy abgefahrenen Drogen Erfahrungen, bei denen Ähnliches passiert und klar – Meditation soll immer gehen für sowas. Unser Körper als Instrument für etwas, dass wir Ausführen oder Erlernen. Der Körper den wir haben als ein sicht- und greifbares Objekt, den ich benutze und manipuliere, der Dinge lernt, weil er sie beigebracht bekommt. Also wie mein Arm der darauf trainiert wurde und gelernt hat, und das regelmäßig in der dritten Klasse jeden Freitag Nachmittag im Kommunionsvorbereitungskurs, diese Oblate, also den Leib Christi jeden Sonntag Vormittag in meinen Mund zu führen. Und Leute, ich würde sagen so im Nachhinein – da war leibhaftig nichts Heiliges daran – aber gut gelernt. 

Und jetzt von der Wiege über den Sex zur Bahre. Wir kommen auf die Welt im absoluten Körper sein. Wir entwickeln uns zu Menschen die tagtäglich im Wechselspiel zwischen Körper sein und Körper haben stattfinden, leben. Bis wir sterben und am Ende nur noch dieser Körper sind. 

Gerade in der Phase des Lebens, also in der längsten von allen, in der wir uns in ständigem Wechselspiel befinden, macht kann es doch Spaß machen, ab und an zu hinterfrage warum mein Körper gelernt hat als Instrument zu funktionieren wie er es tut und wann wir eigentlich ins Spüren und Erleben kommen. Da brauchen wir nicht einmal mit den großen gesellschaftlichen Themen anfangen, wie zum Beispiel: warum hat mein Körper als Frau* vielleicht andere Verhaltensweisen erlernt, als ein männlicher Körper. Aber fangen wir doch bei Sex an – und zwar dem eigenen. Spüren wir doch mal hin. Oder einfach nur wenn wir in der früh an Heiligabend die Zahnpasta aufschrauben. In diesem Sinne. Ob nun Weihnachten gefeiert wird oder nicht. Ich wünsche wohliges Körper sein und entspanntes Körper haben!

 

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