vonChristian Ihle 30.10.2015

Monarchie & Alltag

Neue Bands und wichtige Filme: „As long as the music’s loud enough, we won’t hear the world falling apart“.

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Es ist ja nun keine neue Nachricht, wenn man die Bedeutung von Sänger Peter Hein für die Fehlfarben herausstellt. Zwar haben die Fehlfarben in ihrer heinlosen Zeit Mitte der 80er durchaus sehr gute Platten wie „33 Tage in Ketten“ veröffentlicht, aber die Texte und seine recht eigene Art Gesang (früher eher schneidiges Skandieren, heute mehr sarkastisches Nölen) heben Fehlfarben immer noch von allen anderen Bands ab.
Das gerade erschienene neue Album „Über…Menschen“ rückt nun Hein noch mehr in den Mittelpunkt als die jüngsten Platten seit der Paukenschlag-Reunion, deren „Club der schönen Mütter“ und das dazugehörige Album „Knietief im Dispo“ nun auch schon wieder 13 Jahre alt sind!

Auf „Über…Menschen“ ist Heins Gesang deutlich nach vorne gemischt und an Altersmilde ist eh‘ nicht zu denken. Neben vielen tollen Songs wie „Der Mann den keiner kennt“ oder „Das Komitee“ ist es vor allem der Doppelschlag „So hatten wir uns das nicht vorgestellt“ und „Der Dinge Stand“ gleich am Plattenbeginn, der die Rückkehr der Fehlfarben unüberhörbar ankündigt.
Das oft missbräuchlich verwendete „Stimme einer Generation“ ergibt diesmal tatsächlich Sinn, spricht Hein hier doch für die Punks aus dem Jahre Null, die Bilderstürmer und Konventionenbrecher, die einst antraten, eine neue Welt zu schaffen – und nun erkennen, wie wenig sich von den Heilsversprechen, die man sich selbst gab, erfüllt werden konnten. Ja, die Welt ist eine andere, aber nicht unbedingt eine bessere geworden:

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Wir sollten es einmal besser haben
Das wollten wir gar nicht, also raus aus dem Laden
Schmissen alles hin, sahen keinen Sinn
Dachten wir kriegen es schon irgendwie hin
Man wollte nicht wie jemand anderer sein
Wollte sich von allem Alten befreien
Und plötzlich, ohne dass man sich versah,
Stand man nackt in der Zukunft die keine war

Passend demnach, dass „So hatten wir uns das nicht vorgestellt“ wie früheste Fehlfarben klingt, also noch an die Zeit vor dem Debütalbum erinnert, als Bläser ein zentrales Element des Fehlfarben-Sounds waren. Dass aber Peter Hein hier nicht zum alten Mann verkommt, der von früher erzählt, liegt am folgenden Komplementärsong „Der Dinge Stand“, in dem er seinen beißenden Spott zwar kübelweise über die Nachfolgegenerationen auskippt, die allein deshalb nicht scheitern können, weil sie es nicht einmal versuchen – „Hör mal ich brech doch keinen Streit vom Zaun / mit Generationen die sich nichts trauen“ – sondern sich selbst als „Rollator Rebell“, „Rocknroll Buchhalter“, „Punk Spießer“ und „bezahlter Rotweingenießer“ in Haftung nimmt.

Mehr als drei Jahrzehnte sind die Fehlfarben und Hein jetzt unterwegs, aber sie sind heute wie damals unverzichtbar.

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