Da die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU), es offenbar nicht für nötig hält, Anfragen von Bürger/innen sachgerecht zu beantworten, machte die drogenpolitische Sprecherin vom Bündnis 90 / Die Grünen von ihrem Recht als Abgeordnete Gebrauch und reichte die Anfrage schriftlich ein. In der Folge wurde ein Schreiben der Drogenbeauftragten an die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion zum Pro und Contra einer Cannabislegalisierung bekannt. Das Schreiben ist auf der Website von Frag den Staat veröffentlicht worden.
Die schlimmsten Fehler im Schreiben
Was ist Cannabis?
Daniela Ludwig schreibt:
„Cannabis wird aus der Hanfpflanze gewonnen. Dabei handelt es sich entweder um die getrockneten Blüten und Blätter (Marihuana) oder das aus der Pflanze gewonnene Harz (Haschisch).“
Die Erklärung von Daniela Ludwig ist falsch. Cannabis wird nicht aus der Hanfpflanze gewonnen, sondern „Cannabis“ ist der wissenschaftliche Name der Pflanzengattung Hanf. So kann man es dem Artikel zu Hanf in der Wikipedia entnehmen, dass Hanf (Cannabis) eine Pflanzengattung innerhalb der Familie der Hanfgewächse (Cannabaceae) ist. Hanf zählt zu den ältesten Nutzpflanzen der Erde.
Ist der Konsum von Cannabis tödlich?
Daniela Ludwig schreibt:
„Die akuten Effekte von Cannabis sind vorübergehend und bei ansonsten Gesunden nicht lebensbedrohlich. Eine Überdosis von Cannabis führt nicht zum Tod. Anders verhält es sich beim Gebrauch von synthetischen Cannabinoiden. Aufgrund ihrer chemischen Zusammensetzung ist ihre Wirkung stärker. International wurden bislang 32 Todesfälle im Zusammenhang mit künstlichen Cannabinoiden registriert.“
Die Angabe von Daniela Ludwig zu den Todesfällen im Zusammenhang mit künstlichen Cannabinoiden ist falsch und in die Irre führend. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit künstlichen Cannabinoiden ist weit über das Hundertfache größer als von der Drogenbeauftragten angegeben. Die Hanfpflanzen (Cannabis) enthalten nur natürliche Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC), Cannabidiol (CBD) und Cannabinol (CBN) und die synthetischen Cannabinoide sind künstlich hergestellte Substanzen. Zudem gibt es noch vom menschlichen Körper selbst produzierte Cannabinoide (Endocannabinoide) wie z.B. das Anandamid.
Im Europäischen Drogenbericht 2019 der Europäischen Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht (EMCDDA) kann man auf Seite 83 (PDF S. 85) lesen:
„Auch in der Türkei stieg die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit synthetischen Cannabinoiden stark an: von 137 im Jahr 2015 auf 563 im Jahr 2017. Synthetische Cannabinoide wurden in 60 % aller drogenbedingten Todesfälle in diesem Land nachgewiesen. Bei den meisten dieser Fälle handelte es sich um junge Männer zwischen 20 und 30 Jahren.“
In England beispielsweise gibt das Amt für Statistik unter dem Titel „Todesfälle im Zusammenhang mit Drogenvergiftungen durch ausgewählte Substanzen” (Deaths related to drug poisoning by selected substances) bekannt, dass im Jahr 2018 genau 60 Personen aufgrund des Konsums von synthetischen Cannabinoiden verstorben sind, in den Jahren davor waren es 24 (2017) und 27 (2016).
Wie man dem Artikel „Fallbericht: Synthetische Cannabinoid-Todesfälle bei Gefangenen im Bundesstaat Florida“ (Case Report: Synthetic Cannabinoid Deaths in State of Florida Prisoners) von Jessica A Hvozdovich et.al. im Journal of Analytical Toxicology starben in Gefängnisse in Florida zwischen März 2017 und November 2018 insgesamt 54 Gefangene aufgrund tödlicher Überdosierung mit synthetischen Cannabinoiden. Beim Forensic Toxicology Laboratory der Universität von Florida wurden synthetische Cannabinoide im Blut und Urin der Verstorbenen nachgewiesen, unter anderem die Cannabinoide 5F-ADB, FUB-AMB, 5F-AMB, MDMB-FUBINACA und AB-CHMINACA.
Katie Doyle berichtete am 10. September 2019 unter dem Titel „Synthetisches Cannabis: Mehr als 70 Todesfälle in zwei Jahren wurden der Droge zugeschrieben“ (Synthetic cannabis: More than 70 deaths in two years blamed on the drug), dass innerhalb von zwei Jahren mehr als 70 Todesfälle aufgrund des Konsums von synthetischen Cannabinoiden in Neuseeland registriert wurden.
Mit etwas Recherche im Internet könnte die Liste hier fast endlos verlängert werden.
Bewusste Irreführung oder nur Unfähigkeit
Als die synthetischen Cannabinoide noch nicht im Betäubungsmittelgesetz (BtMG) gelistet waren, wurden sie als sogenannte „legal highs“ angepriesen und konsumiert. Sie dienten als Ersatzstoffe für Cannabisprodukte, deren Erwerb und Besitz verboten war. Ihre Popularität erlangten die synthetischen Cannabinoide aufgrund der Bestimmungen des BtMG. Die Popularität erlangten die synthetischen Cannabinoide also aufgrund der Verbotspolitik. Sie ist eine Folge der Prohibition. Hier kann man sich des Verdachts nicht erwehren, dass Daniela Ludwig mit der viel zu tief angegebenen Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Gebrauch von synthetischen Cannabinoiden deren Gefährlichkeit herunter spielen wollte, damit die negativen respektive tödlichen Folgen der prohibitiven Politik nicht so sehr ins Zentrum der Aufmerksamkeit rückt.
Pro und Contra Legalisierung
Daniela Ludwig schreibt:
„Pro: Tabak und Alkohol sind viel gefährlicher als Cannabis und auch erlaubt.
Contra: Tabak und Alkohol sind gesundheitsschädlich und der Konsum kann tödlich sein. Die Gefährlichkeit von Alkohol und Tabak macht Cannabis nicht automatisch ungefährlich: 2010 waren 23.349 Patienten wegen Cannabis in stationärer bzw. ambulanter Behandlung, 2018 waren es 31.912 Personen. Keine andere illegale Droge sorgt für vergleichbar viele Behandlungsfälle.“
Die Feststellung von Daniela Ludwig ist hier aus zwei Gründen irreführend. Der Satz „Keine andere illegale Droge sorgt für vergleichbar viele Behandlungsfälle.“ ist deshalb irreführend, weil in den Angaben zu den Zahlen der Behandlungsfälle betreffend Opiate und Opioide die Substitutionsbehandlungen nicht mit eingerechnet werden. So steht im Drogen- und Suchtbericht 2019 auf Seite 90:
„Opioide stehen an dritter Stelle der Substanzen, wegen derer sich Menschen mit Suchterkrankungen in Behandlung begeben. 2017 wurden 20.090 Behandlungsfälle in ambulanten und 1.500 Behandlungsfälle in stationären Einrichtungen gezählt.“
Die Personen, die sich in einer Substitutionsbehandlung befinden, sind hier nicht einbezogen – und das sind weit mehr. So steht im Drogen- und Suchtbericht auf Seite 91:
„Die Anzahl der gemeldeten Substitutionspatienten ist in den ersten Jahren der Meldepflicht kontinuierlich angestiegen; von 46.000 im Jahr 2002 auf 77.400 Substituierte im Jahr 2010. Seitdem ist die Anzahl weitgehend gleichbleibend und lag am 1. Juli 2018 bei 79.400 Substituierten.“
Diese Trickserei bei den statistischen Angaben dient wohl nur dazu, eine hohe Gefährlichkeit von Cannabis zu suggerieren. Und was die Zahl der „Patienten wegen Cannabis“ anbelangt, so sind in dieser Zahl nicht nur die Patienten wegen des Konsums von Cannabis enthalten, sondern auch die Patienten die wegen des Konsums von synthetischen Cannabinoiden, die behandelt werden. Zur Erinnerung: Cannabis enthält nur natürliche Cannabinoide wie Tetrahydrocannabinol (THC), Cannabidiol (CBD) und Cannabinol (CBN). Korrekt müsste im Drogen- und Suchtbericht wie auch im Schreiben von Daniela Ludwig „Patienten wegen des Konsums von Cannabinoiden“ an Stelle von „Patienten wegen des Konsums von Cannabis“ stehen.
Hierzu schreibt Michael Knodt:
„Der „Global Drug Survey“ warnte bereits 2016, dass künstliche Cannabinoide 30-mal häufiger für gesundheitliche Komplikationen verantwortlich seien als echtes Cannabis. Für Deutschland gibt es solche Daten nicht, denn statistisch werden solche Vergiftungen nach dem von der WHO definierten ICD-10-Code als Störung F12 „Psychische und Verhaltensstörungen durch Cannabinoide“ erfasst. Einen Code für „Psychische und Verhaltensstörungen durch künstliche Cannabinoide“ gibt es noch nicht. Im Umkehrschluss heißt das, dass die Folgeschäden dieser Designerdrogen statistisch als Folgeschäden des Cannabiskonsums gelten.“
Aufruf an die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion
Die drei Beispiele hier aus dem Schreiben von der Drogenbeauftragten der Bundesregierung, Daniela Ludwig, an die Mitglieder der CDU/CSU-Bundestagsfraktion offenbaren und veranschaulichen deutlich, dass Daniela Ludwig nicht gewillt oder nicht in der Lage ist, sachlich und korrekt über die Situation betreffend Drogenkonsum und Folgeschäden zu berichten. Durch ihre falsche und manipulativen Angaben gefährdet sie nicht nur die Gesundheit vieler Menschen in Deutschland, sondern schadet international dem Ansehen von Deutschland. Machen Sie deshalb in ihrer Fraktion ihren Einfluss geltend und legen Sie dem Gesundheitsminister Jens Spahn nahe, er möge die Frau bitte entlassen und durch eine integere Figur ersetzen.
Wenn Ihnen das zu hart erscheint, dann unterzeichnen Sie bitte die Petition „Es ist Zeit für eine grundlegend neue Drogenpolitik“ . Die Petition richtet sich an die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Daniela Ludwig (CSU) und an den Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Die Initiantinnen von my Brain my Choice sind der Ansicht, dass dem Versagen der deutschen Drogenpolitik endlich mit der Anerkennung wissenschaftlicher Erkenntnisse und der sozialen Realität begegnet werden muss. Sie fordern die Verantwortlichen der Bundesregierung auf, eine transdisziplinäre und unabhängige Kommission mit der Erstellung eines Konzepts für eine zeitgemäße Drogenpolitik zu beauftragen und dieses umgehend umzusetzen.
Nach dem Motto „Mach Dich Schlau“ können Sie sich am Samstag, den 8. August 2020 von 12:00 bis 22:00 Uhr, ganz gemütlich zu Hause zum Thema Drogen und zur Drogenpolitik schlau machen. Dann wird nämlich die Online-Hanfparade 2020 stattfinden, wo viele Persönlichkeiten, die sich bezüglich Drogen schlau gemacht haben, zu hören und zu sehen sein werden.
Vergleiche hierzu in diesem Blog
[05.06.2020] Social-Media-Kampagne zur Cannabisprävention
[31.03.2020] Kifferjagd auf Rekordniveau
[06.03.2020] Immer mehr synthetische Cannabinoide im Umlauf
[17.12.2019] Haschisch und Marihuana im Vergleich
[10.11.2019] Sind Drogen gefährlich?
Ergänzung vom 3. August 2020
Das im Artikel analysierte Schreiben an die CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten von Daniela Ludwig wurde öffentlich, nachdem die aufmerksame Bürgerin Desiree Barth, die bei einer Aussage Ludwigs stutzig wurde, über FragdenStaat.de am 27. Mai 2020 eine Anfrage betreffend Argumente pro und contra Cannabis nach dem Informationsfreiheitsgesetz gestellt hatte. Die Antwort war das Schreiben der Drogenbeauftragten an die CDU/CSU-Bundestagsabgeordneten, das am 24. Juli 2020 veröffentlicht wurde.
Obacht, Alkohol ist kein Brokkolisaft!
Die Anfrage betreffend des bestimmungsgemäßen Gebrauchs von Alkohol der drogenpolitischen Sprecherin vom Bündnis 90 / Die Grünen, der Bundestagsabgeordneten Kirsten Kappert-Gonther, wurde am 20. Juli 2020 beantwortet. Frage und Antwort hat Kirsten Kappert-Gonther auf Twitter veröffentlicht.
Diese Frau ist die absolute Inkompetenz in Person… Diese, wahrscheinlich absichtlich, irreführenden und falschen Aussagen zeigen ganz klar, dass die Frau, aus welchem Grund auch immer, eine persönliche Abneigung gegen Cannabis/ -Konsumenten hat und einen privaten Krieg führt… Sie ist nicht ansatzweise in der Lage, logisch und differenziert zu argumentieren, geschwige denn eine ordentliche, vernünftige und faire Diskussion zu führen… Einfach nur unfassbar, wie sie Cannabis verteufelt aber gleichzeitig immer wieder Alkohol bagatellisiert… Mit dieser Frau als Drogenbeauftragten ist NIEMANDEM geholfen – ihre Ansichten/Aussagen sind hochgradig gesundheitsgefährdend, gerade und vor allem auch für die Jugend… Bitte Politik, bitte Deutschland; dagegen MUSS etwas unternommen werden (natürlich auf politischer Ebene; das ist kein Aufruf zu Gewalt oder Revolution😉), gebt diesem Posten jemand, der was davon versteht!!! Ich dachte wirklich, nach der wunderbaren Fr. Mortler gehts nicht mehr schlimmer – aber, ich wurde leider einens besseren belehrt.