vonfrida 27.04.2023

Frida, ich und du

Intimer Umgang mit Schmerz und Leid des Menschen in ihrer jeweiligen Rolle: Sozialisation, mothering, Feminist

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Ein Urlaub, eine Reise im mothering mit einem Kleinkind bedeutet eine besondere Wahrnehmung und Überlegung, um für beide eine Erholung zu bieten.

Denn als Reisende mit Kind, die in ihrem Alltag schon immer aus ihren mageren Energiereserven schöpfen muss, muss ein Urlaub dringend Erholung bieten, sonst bliebe mensch lieber zuhause, was auch viele im mothering bevorzugen und als leichter empfinden.

Ich möchte aber dazu ermutigen, sich dem Reisen mit Kind zuzuwenden und mit diesem Beitrag gedankliche Vorbereitung liefern, um dies gelingen zu lassen. Dazu habe ich vier Bereiche festgelegt, die es möglichst vor einer Reise zu Freunden und / oder Familie zu betrachten gilt.

Ich habe viele Reisen mit meinem Kinde unternommen: Reisen im ausgebauten Camper, Flugreisen in sonnige Apartmentanlagen und Urlaube bei Freunden.

In diesem Beitrag möchte ich euch einmal mitnehmen auf eine Reise zu Freunden. Denn dies ist, soweit ich das in meinem Umfeld von alleinerziehenden Menschen erlebe, eine häufig gewählte Urlaubsform. Vermutlich auch deshalb, weil in Lohnarbeit teilzeitarbeitende Menschen sich andere Reisen häufig nicht leisten können. Diese Reiseform bietet die Möglichkeit, mit Freunden und / oder Familie in Kontakt zu bleiben und die eigenen vier Wände zu verlassen. Es besteht dabei die unbedingte Hoffnung, auch einmal Zeit für sich zu haben, sich zu erholen, oder zumindest selbst entspannt ein fröhlich spielendes Kind zu erleben.

Da ich in eine fremde Stadt gezogen bin, als ich damals schwanger war, sind viele meiner alten Kontakte im Rheinland verblieben, die ich in den letzten Ferien besucht habe. Ich hatte die Reise als eine Art Couchsurfing geplant und habe jede Nacht woanders verbracht. Meine Reise hat mich vornehmlich zu Freunden geführt, einige im gleichen Alter, einige sehr viel älter, einige mit, andere ohne Kinder. Deshalb sind meine Überlegungen auf jegliche Reise zu persönlichen Beziehungen anzuwenden, sei es Freunde oder Familie, auch wenn ich hauptsächlich von Freunden spreche.

Mir ist während meiner Aufenthalte besonders aufgefallen, wie unterschiedlich der Erholungsfaktor gewesen ist und ich habe mir dementsprechend Gedanken darüber gemacht, welche Faktoren das Wohlfühlen für mich und mein Kind maßgeblich beeinflussen, die mir vorher gar nicht so klargewesen sind.

Schlafen:

Da die Nächte zumeist noch nicht unterbrechungsfrei Verlaufen, aber eine dringende Quelle des Auftankens der Energiereserven bieten müssen, ist eine gute Schlafgelegenheit wichtig: ein bequemes, großes Bett oder zwei separate Betten in einem eigenen Raum. Dies bietet Rückzugsmöglichkeit, die Einschlafzeremonien können wie gewohnt durchgeführt werden und bei nächtlichen Wachphasen quält einen selbst nicht das Schuldgefühl, die anderen damit zu belasten. Auch ist dann ein eventueller Mittagsschlaf möglich und bei gutem Bett die Nacht sogar erholsam. Es kann auch im Vorfeld entlasten und damit entspannen, wenn problematische Schlafphasen thematisiert werden. Denn die meisten Kinder schlafen außerhalb erstmal unruhiger als zuhause.

Kindesunterhaltung:

Dies kann sich in Form von dort wohnenden Kindern ergeben. Dadurch ist viel „neues“ Spielzeug vorhanden und das eigene Kind kann Freundschaften schließen oder sich zumindest mit anderen Kindern spielend beschäftigen. Dabei ist aber auch zu berücksichtigen, ob es zwischen den Kindern „passt“. Sehr besitzorientierte oder dominante oder mit wenig Frustrationstolleranz ausgestattete Kinder bei Freunden führen zu Konflikten, in denen dann doch wieder die Erwachsenen eingespannt sind, um entweder schlichtend „mitzuspielen“ oder aktive Streitschlichtung zu betreiben. Häufig wird dieser Faktor erst vor Ort deutlich und verändert sich mit dem Alter der Kinder auch immer wieder.

Andererseits kann sich die Kindesunterhaltung auch in Form von interessierten Erwachsenen oder Teenagern ergeben. Dabei ist es wichtig zu betrachten, ob die Erwachsenen sich auf ein kleines Kind einlassen wollen, sich mit ihm beschäftigen oder sogar etwas ohne die mothernde Person mit ihm unternehmen mögen. Mir ist es leider immer mal wieder passiert, dass die Erwachsenen nur an der mothernden Person interessiert waren und ich, in diesem Falle, dann damit beschäftigt war, meine Aufmerksamkeit ständig zwischen meinem Kind und Gastgebern aufzuteilen. Das war enorm anstrengend und kann ich auf Dauer nicht empfehlen, selbst wenn die persönliche Beziehung zu den Freunden eigentlich sehr gut sein mag.

Wichtig war dabei auch, wie ein Alltag für mein Kind in einem anderen Haushalt möglich war. Mit welche Traditionen, Sitten und Gepflogenheiten mein Kind sich auseinandersetzen musste.  Ein sehr simples Beispiel dafür sind Tischmanieren. Dabei gilt es abzuwägen, wie rigide sind die Tischmanieren bei den Freunden und wie flexibel ist das eigene Kind, sich dem anzupassen. Die meisten Kinder passen sich dem problemlos an, besonders wenn auch noch andere Kinder mit am Tisch sitzen.

Schwierig wurde es, als ich auf sehr alte Sitten bei Freunden traf, die selbst einer älteren Generation angehören. Hier war ich sehr damit beschäftigt, inwieweit lasse ich die Maßregelung meines Kindes durch die Freunde und ihre Sitten zu und inwieweit verteidige ich mein Kind und seine modernere Unangepasstheit. Das führte für mich zu Stress und sollte je nach Konstitution des Magens für regelmäßige Essensphasen unbedingt individuell abgewogen werden. Ich glaube auch, dass dieser Aspekt für Reisen zur eigenen Familie besonderes Konfliktpotenzial beinhaltet. Denn je nach familiärer Beziehung fühlen sich die Gastgeber im Recht oder sogar gesellschaftlich verpflichtet, ihre Erziehungsformen unreflektiert der mothernden Person und dem Kind überzustülpen.

Persönliche Beziehungen:

Hierbei habe ich besonders betrachtet, wie willkommen wir beide waren, ob ich Fürsorge und damit Unterstützung erfahren habe, ob es offene Gespräche geben konnte und ein echter Austausch stattfand. Dies ist für mich persönlich ein ganz wichtiger Faktor, um positive Beziehungen zu pflegen und nicht nur nebeneinander her das mothering oder den dortigen Alltag abzuwickeln.

Gab es echtes Interesse an mir und meinem Leben und konnten wir problemlos an frühere Kommunikationsformen anschließen oder gab es eine Distanz, ein spürbares Auseinanderleben?

Viele Beziehungen existieren bei mir aus einer Zeit, bevor ich mich im mothering befunden habe. Insofern war es für mich besonders spannend, aber eben auch enorm wichtig, wie diese persönlichen Beziehungen sich nun ausgestalten und was wir Freunde jetzt miteinander teilen können und wollen.

Dieser Faktor war für mein Urlaubsgefühl und die Erholung tatsächlich der unwichtigste von den insgesamt vieren. Aber für das Empfinden, eine eigenständige Person zu sein und trotz mothering ein Mensch mit Gedanken, Gefühlen und Ideen zu sein, ist dieser Faktor dann doch wieder nicht unerheblich.

Mensch im mothering:

Jede Mensch im mothering hat im Laufe der Zeit ihre eigene Form, ihre eigenen Kriterien, ihre eigenen Ansprüche an sich und ihr Handeln und Verhalten entwickelt und sich mit dem für sie unzumutbaren abgefunden. Zu Anfang, wenn das Kind noch sehr klein ist, ist dies noch sehr mit dem Aushandeln der äußeren Ansprüche verwoben. Die mothernde Person muss sich noch selbst zurechtfinden und positionieren, was sie wie mit ihrem Kind leben will. Dies ist noch sehr von Unsicherheiten und der Gefahr äußerer Bewertung / Abwertung und damit Verletzungen geprägt. Je älter die Beziehung zum Kind aber wird, desto gefestigter und klarer ist meistens die Person in ihrer Rolle.

Deshalb gilt es sich hierüber sehr klare Gedanken vor einer Reise zu machen: Was brauche ich, um im mothering Unterstützung und nicht weitere Überforderung durch unerfüllbare Ansprüche zu erfahren?!

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es Menschen gab, die mit mir in vielen Punkten übereinstimmten, was eine Person im mothering zu leisten hat, welche Ansprüche sie an sich selbst stellt und welche Grenzen sie setzt, nicht nur dem Kind gegenüber, sondern welche ihrer eigenen Grenzen sie übertreten lässt / selbst überschreitet.

Andererseits gab es auch Menschen, bei denen ich immer wieder negative Bewertungen und Verhaltensaufforderungen erfahren habe, gegen die ich mich entweder behaupten oder zumindest mit auseinander setzen musste. Das empfand ich als sehr erschwerend und Kräfte raubend.

Denn eine verständnisvolle, bewertungsfreie Umgebung für Personen im mothering ist erholsam und bietet die Möglichkeit, sich mit den eigenen Ansprüchen bestätigt zu fühlen. Hingegen bedeutet ein Raum, der immer wieder das Verhalten und die Ansichten der mothernden infrage stellt, eine ständige Auseinandersetzung, Abgrenzung und letztendlich Überforderung, neben der Betreuung des eigenen Kindes.

Wie die Menschen ihre Aufgabe und damit auch Ansichten im mothering dir gegenüber vertreten, empfinden und ausleben, erfährst du sehr schnell und umfassend, wenn du 24h einen Alltag mit ihnen teilst. Es ist aber schwierig, dies vorher schon abzuchecken, denn viele sind sich ihrer Maßstäbe nicht bewusst und können darüber auch nicht verhandeln. Ähnlich sieht es mit der Kindesunterhaltung aus.

Deshalb rate ich, sich vorher schon soweit wie möglich in die Situation reinzufühlen und zuerst nur kurze Aufenthalte zu planen, bevor mensch den gesamten Urlaub mit Kind bei einem Freundeshaushalt verbringt. Eine andere Möglichkeit, die ich bei weiteren Freundesurlauben ausprobieren werde, ist es, sich vorher offen mit den Freunden darüber auszutauschen und die eigenen Maßstäbe nicht als unangenehme Anforderung an die Freunde zu empfinden, sondern als notwendige Rahmenbedingungen für einen gelingenden Urlaub mit Kind und damit einen beidseitig angenehmen Freundesbesuch.

Denn, wenn die Punkte Kindesunterhaltung und Mensch im mothering im Argen liegen oder immer wieder zu Konflikten führen, wünscht die Person im mothering sich zurecht, sie wäre lieber zuhause geblieben.

Dabei ist es so wichtig, sinnvoll und notwendig, dass mothernde Personen sich nicht vor den überfordernden Ansprüchen dieser Gesellschaft in die Einsamkeit mit Kind flüchten müssen, sondern dass sie Aufmerksamkeit und Unterstützung für ihre Lebenssituation durch ihre Mitmenschen erfahren.

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