vonkirschskommode 27.08.2024

Kirschs Kommode

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Memento mori

Es könnte so und so hingehn,
verschiedenes Verscheiden.
Mein Arzt hats nicht vorausgesehn,
ein altes Herzensleiden,

ein Darminfekt, ein Wespenstich,
ein Sturz auf einer Treppe:
Es wird kaum nötig sein, dass ich
den eignen Tod aufpeppe.

Der kommt vorbei. Ganz absichtslos
durchkreuzt er meine Pläne.
Und murmelt noch: Ich wollt doch bloß …
Beim Hobeln fallen Späne.

Und deshalb, weils genau so ist,
verfluch ich Katastrophen
und Heldentum, das Leute frisst.
Von selbst aus geht der Ofen.

Nachsatz, der Nachrichtenlage geschuldet: Selbstverständlich fallen auch Messerattentate unter „Heldentum, das Leute frisst“ – irgendwem werden solche Attentäter schon Helden sein. Das Geschrei im Ohr, das sich bei derlei Anlässen in Politik und Medien sofort erhebt, möchte ich mit Blick auf die Opferzahlen der letzten Jahrzehnte nur bemerken, dass es in Deutschland zehn bis fünfzehnmal wahrscheinlicher sein dürfte, von einem der Mordbuben aus dem Dunkelfeld der Völkischen und der AfD umgebracht zu werden als von einem islamistisch motivierten Messerstecher. Die Reaktionen in Politik und Medien auf die Taten der Rechten sind allerdings zehn bis fünfzehnmal weniger heftig, auch Polizei und Justiz lassen sich davon nicht viel aus ihrem gewohnten Trott bringen. Terror ist eben nicht gleich Terror, vielmehr kommt es auf die Herkunft des Täters an. Ich bin deshalb immer wieder versucht, die bei jeder Tat eines nicht-deutschen Täters nach Deportation und anderen unmenschlichen Maßnahmen schreienden Politiker*innen als „rassistisches Gesindel“ zu bezeichnen, werde das aber unterlassen, schon weil ich mich keiner „Delegitimierung des Staates und seiner Repräsentanten“ schuldig machen möchte. Zumal das nicht nötig ist. Politiker und Politikerinnen, die die einen, erschreckend häufigen Mordtaten mit einem halben Achselzucken bedauern und weitgehend unter den Teppich zu kehren versuchen, während sie die anderen, viel selteneren, mit schönster Regelmäßigkeit als Anlass für eine wütende Kampagne für die Entrechtung von Geflüchteten und Verfolgten missbrauchen – was soll ich dazu mehr sagen? Um den Schutz von Menschenleben geht es ihnen nicht.

P.S.: Wenn ich „Politiker und Politikerinnen“ schreibe, meine ich ausdrücklich nicht nur die der AfD, sondern auch solche von Grün bis Schwarz, wie diesen Mann hier.

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